Ältere mit Infarkt komplett revaskularisieren?
FIRE-Studie-- Ist die Komplett-Revaskularisierung bei Herzinfarkt und Mehrgefäßerkrankung auch bei Betagten vorteilhaft? Die FIRE-Studie schließt hier eine wichtige Erkenntnislücke, da alte Infarktpatienten und -patientinnen in der Praxis zwar häufig, in Studien aber völlig unterrepräsentiert sind.
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Der ESC-Kongress bot viele Formate für die Besucher, so u. a. die „Morning Show“ des ESC-TV.
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Bei ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) und koronarer Mehrgefäßerkrankung ist eine komplette Revaskularisation unter Einbeziehung auch von stenosierten Nicht-Infarktarterien („non-culprit lesions“) im Vergleich zur alleinigen Revaskularisation der Infarktarterie („culprit lesion“) die bessere Strategie. Dies zeigten bereits die große COMPLETE-Studie sowie eine Metaanalyse.
Gilt dies auch für ältere bis alte Patienten? Diese Frage ist nun durch die FIRE-Studie beantwortet worden, deren Ergebnisse Dr. Simone Biscaglia vom Universitätshospital Santa Anna in Ferrara/Italien beim ESC-Kongress vorstellte. Diese zeigen, dass eine komplette Revaskularisation auch bei Betagten (≥ 75 Jahre) mit akutem Myokardinfarkt (STEMI oder NSTEMI) und Mehrgefäßerkrankung mit einer signifikanten Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse einschließlich Todesfälle nach einem Jahr einhergeht.
FIRE bestätigt damit das Ergebnis der COMPLETE-Studie in einem Kollektiv von 1.445 im Mittel 80-Jährigen. Anders als in COMPLETE waren in FIRE auch viele Patienten mit Nicht-ST-Hebungs-Myokardinfarkt (NSTEMI 64,8 %, STEMI 35,2 %) beteiligt. Zudem erfolgte eine Revaskularisation von Nicht-Infarktarterien in der FIRE-Studie nur dann, wenn eine physiologische Testung die Koronarstenose mittels druckdraht- oder angiografiebasierter FFR-Messung als hämodynamisch relevant identifiziert hatte.
Risikoreduktion um 27 % für den primären Endpunkt

Holländischer Klassiker-- Für die Kongressbesucher standen Fahrräder zur Verfügung.
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Primärer Studienendpunkt war die Häufigkeit der Ereignisse Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall und Revaskularisation im ersten Jahr nach der PCI. Die Ereignisrate betrug 15,7 % bei kompletter Revaskularisation und 21,0 % in der „Culprit-only“-Gruppe (HR: 0,73; p = 0,01).
Als wichtigen sekundären Endpunkt hatten die Studienplaner die Kombination aus kardiovaskulären Todesfällen und Myokardinfarkten festgelegt. Bei 1-Jahres-Raten von 8,9 % vs. 13,5 % ergab sich ein klarer Vorteil zugunsten der kompletten Revaskularisation (HR: 0,64; 95%-KI: 0,47–0,88). Auch beim Endpunkt Tod hatte der gründlichere Koronareingriff die Nase vorn (HR: 0,70; 95%-KI: 0,51–0,96).
Keine Zunahme von sicherheitsrelevanten Problemen
Bei älteren Infarktpatienten und -patientinnen ist angesichts von Faktoren wie Gebrechlichkeit und Begleiterkrankungen die Frage nach der Sicherheit von invasiven Eingriffen essenziell. Primäre Sicherheitskriterien waren in FIRE das Auftreten von durch Kontrastmittel induzierten Nierenschädigungen, Schlaganfällen oder Blutungen (BARC-Typen 3 oder 5). Bei Raten von 22,5 % vs. 20,4 % bestand in puncto Sicherheit aber kein Unterschied zwischen den Gruppen (p = 0,37).
Fazit
Die FIRE-Studie liefert wichtige Erkenntnisse zur Therapiestrategie bei älteren Personen (≥ 75 Jahre) mit akutem Myokardinfarkt (STEMI/NSTEMI) und koronarer Mehrgefäßerkrankung.
Eine zügige komplette Revaskularisation noch während der Krankenhausbehandlung ist auch in dieser Altersgruppe mit einer deutlichen Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen einschließlich Todesfällen assoziiert.
Quelle-- ESC-Kongress, Hot-Line-Session 3, 25. bis 28. August in Amsterdam
Literatur-- Biscaglia S et al. N Engl J Med. 2023; https://doi.org/10.1056/NEJMoa2300468