Auf die Wirksamkeit wird es ankommen

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Ein Kommentar von Prof. Dr. Meinrad Gawaz Veröffentlicht:
Prof. Dr. Meinrad Gawaz--Universitätsklinikum Tübingen Gawaz

Prof. Dr. Meinrad Gawaz--Universitätsklinikum Tübingen

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Die antithrombotische Behandlung spielt eine zentrale Rolle bei einer Vielzahl von Krankheitsbildern. In den letzten Jahrzehnten wurden antithrombotische Therapieprinzipien entwickelt, die immer besser das Risiko von thrombotischen Ereignissen senken konnten. Insbesondere bei Patienten mit Vorhofflimmern hat der Einsatz von direkten Faktor-II- und Faktor-X-Hemmern (NOAKs), die Primär- und Sekundärprävention im Vergleich zu der Vitamin-K-Antagonisten stark vereinfacht. Die Akzeptanz für eine wirksame Blutverdünnung wurde durch den Einsatz der direkten oralen Antikoagulanzien bei Patienten und Ärzten deutlich verbessert. Trotz der guten Wirksamkeit der NOAKs bestehen jedoch bei vielen Patienten Bedenken gegenüber einer oft dauerhaft notwendigen Antikoagulation. Je nach Alter und Komorbiditäten ist das kumulative Blutungsrisiko ein ernst zu nehmendes Problem. Das Auftreten von zum Teil schwerwiegenden Blutungen ist für viele betroffene Patienten oft verbunden mit einer kritischen teils lebensbedrohlichen Situation. Aus diesem Grunde wurden in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, neue Strategien der Antikoagulation zu entwickeln, welche thrombotische Prozesse unterbinden, ohne die Blutungen zu steigern. Dies klingt nach einer unlösbaren Aufgabe.

Ein neuer Ansatz der Gerinnungshemmung wird mit Faktor-XI-Hemmern verfolgt. Faktor XI steht recht hoch in der intrinsischen Gerinnungskaskade. Ein Mangel an Faktor XI bedingt zwar deutlich eine Gerinnungsstörung, jedoch kommt es bei den betroffenen Menschen nicht automatisch zu schweren Blutungsereignissen. Durch eine pharmakologische Hemmung von Faktor XI könnte eine effektive Antikoagulation bei gleichzeitig niedrigem Blutungsrisiko gelingen. Die jüngsten Ergebnisse der Phase-II-Studie AZALEA-TIMI 71 hat in einem „Kopf-zu-Kopf“-Vergleich einen injizierbaren Faktor XI hemmenden monoklonalen Antikörper (Abelacimab) mit einer Rivaroxaban-Standardbehandlung bei Patienten mit Vorhofflimmern (moderates bis hohes Thromboembolierisiko) verglichen. Ziel dieser Phase-II-Studie war es, die Sicherheit des Faktor-XI-Hemmers hinsichtlich Blutungsereignissen zu untersuchen. Die Ergebnisse konnten zeigen, dass trotz adäquater systemischer Faktor-XI-Hemmung die Blutungsereignisse im Vergleich zu Rivaroxaban deutlich gesenkt werden konnten. Die AZALEA-TIMI-71-Studie konnte somit die Ergebnisse von vorherigen Phase-II-Studien mit Faktor-XI-Inhibitoren (PACIFIC AF) bestätigen.

Jetzt geht es um den Wirksamkeitsnachweis dieses neuen Therapieverfahrens in großen klinischen Phase-III-Studien. Kann die Faktor-XI-Hemmung auch Schlaganfälle so gut verhindern wie die NOAKs? Derzeit werden drei Wirkstoffe in dieser Richtung überprüft. Milvexian (Bristol-Myers-Squibb), Abelacimab (Anthos Pharmaceuticals) und Asundexian (Bayer). Die jüngste Meldung von Bayer, dass die OCEANIC-AF-Studie vorzeitig beendet wurde, lässt ein Wirksamkeitsproblem vermuten. Solange die Daten der OCEANIC-AF-Studie nicht allgemein zugänglich sind, müssen wir die Ergebnisse der noch laufenden weiteren Studien mit Spannung beobachten. Nur ein klarer Beleg einer gleichwertigen Reduktion von thromboembolischen Ereignissen bei Vorhofflimmern gegenüber NOAKs wird der Faktor-XI-Hemmung zum Durchbruch verhelfen. Es wäre für unsere Patienten nur zu wünschen. Wir sind gespannt.

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