Besser, aber noch nicht gut genug

Plötzlicher Herztod-- Das Jahr 2023 ist das Jahr des Plötzlichen Herztods. Im Kampf gegen diese Geißel der Kardiologie muss das deutsche Gesundheitswesen auf vielen Ebenen besser werden.

Von Philipp Grätzel Veröffentlicht:

Bei der Vorstellung des traditionellen Herzberichts hat die Deutsche Herzstiftung gemeinsam mit den herzmedizinischen Fachgesellschaften den Plötzlichen Herztod (Sudden Cardiac Death, SCD) in diesem Jahr zu einem Schwerpunktthema gemacht. Wahrscheinlich erlitten über 100.000 Menschen in Deutschland pro Jahr einen SCD, sagte Prof. Holger Thiele, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Das ist eine Schätzung. Bekannt ist, dass rund 65.000 Menschen pro Jahr in Deutschland reanimiert werden, davon über 25.000 im erwerbsfähigen Alter. Ein SCD kann aus heiterem Himmel auftreten. In der Regel allerdings gibt es Vorerkrankungen, und da stehen KHK, Herzinsuffizienz und – zunehmend – angeborene Herzfehler im Vordergrund. Zumindest ein gewisser Anteil dieser Reanimationen bzw. Todesfälle lasse sich verhindern, betonte Thiele: „Fünfzig Prozent der Patienten haben vor dem Ereignis schon Symptome.“ Bei Risikopatienten, die auf Basis von Symptomen oder anderweitig vorab identifiziert werden, können präventive Strategien greifen. Eine der wirksamsten ist die Implantation eines ICD als Primärprävention. Es gilt allerdings, die „richtigen“ Kandidaten zu identifizieren, also die, die ein ausreichend erhöhtes SCD-Risiko haben. Hier gibt es noch viele Fragezeichen.

In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der primärpräventiv implantierten ICD stetig zurückgegangen, auf rund 60 % im Jahr 2021. Sind das immer noch zu viele? Zwei laufende Studien sollen hier mehr Klarheit schaffen. Die CMR-ICD-Studie des DZHK unter Leitung von Prof. Ingo Eitel, Lübeck, randomisiert DCM-Patienten, bei denen im MRT eine Narbe oder Fibrose zu sehen ist, zu primärpräventivem ICD oder Standardtherapie. Und die europäische PROFID-EHRA-Studie randomisiert unter Leitung von Prof. Gerhard Hindricks, Berlin, Postinfarktpatienten mit einer EF ≤ 35 % und optimaler medikamentöser Therapie zu ICD oder kein ICD. Thiele betonte aber, dass die Prävention des plötzlichen Herztodes nicht nur eine medizintechnische Herausforderung sei. Auch auf Bevölkerungsebene gelte es, anzusetzen. Zwar sei die Laienreanimationsquote in Deutschland in den letzten Jahren gestiegen, auf derzeit etwas über 40 %. Damit befinde sich Deutschland europaweit aber immer noch im unteren Drittel.

Thiele plädierte für obligaten und vor allem auch mehrfachen Reanimationsunterricht in Schulen. Helfen könnten auch so genannte Ersthelfer-Apps, die idealerweise über die Leitstellen angesteuert werden. Auf Ebene der Leitstellen könnte außerdem die Telefonreanimation befördert werden. Und auch bei der Ausstattung mit öffentlich zugänglichen Defibrillatoren ist Deutschland bisher kein Vorreiter. Philipp Grätzel

Quelle-- Pressekonferenz Deutscher Herzbericht 2022, 21.9.2023 in Berlin

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