Die GKV-Erstattung müsste diskutiert werden

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Ein Kommentar von Prof. Dr. Stefan Anker Veröffentlicht:
Prof. Dr. Stefan Anker-- Charité – Universitätsmedizin Berlin Anker

Prof. Dr. Stefan Anker-- Charité – Universitätsmedizin Berlin

© Anker

Millionen von Menschen haben in Deutschland Übergewicht und Adipositas. Für die überwiegende Mehrzahl dieser Personen stellt das einen wichtigen Risikofaktor für die Entstehung von Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen dar. Effektive therapeutische Ansätze, um das Ziel Gewichtsverlust zu erreichen, gab es bis vor Kurzem für die Mehrzahl der Patienten praktisch nicht. Bariatrische Chirurgie kam nur für sehr wenige Patienten in Betracht und Diätberatung hat selten zum Erfolg geführt.

Erfolge medikamentöser Gewichtsreduktion

Seit Kurzem aber gibt es zwei für die Behandlung von Diabetes zugelassene Arzneimitteltherapien – Semaglutid (ein GLP-1-Rezeptoragonist) und Tirzepatid (ein dualer GLP1- und GIP-Rezeptoragonist) – die bei Patienten mit Übergewicht und Adipositas effektiv Gewichtsverlust bewirken. In verschiedenen Studien wurden mit diesen Arzneimitteln über einen Zeitraum von 12–18 Monaten ca. 10–20 % Gewichtsverlust erreicht. Das alleine ist für viele der betroffenen Personen schon ein großer Erfolg. Noch bedeutsamer für die präventive Medizin könnten diese Arzneimittel werden, wenn der Nachweis gelingen würde, dass damit der Entwicklung kardiorenaler und metabolischer Komplikationen vorgebeugt werden könnte.

Klinische Komplikationen bei Herzkranken verhindert

Für Semaglutid ist dieser Nachweis jetzt mit der SELECT-Studie gelungen. In SELECT wurden 17.604 Patienten über 45 Jahre, mit einem Body-Mass-Index über 27 kg/m2 und mit vorbestehender kardiovaskulärer Erkrankung eingeschlossen und für im Durchschnitt 34 Monate mit Semaglutid (1 × pro Woche 2,4 mg subkutan) oder Placebo behandelt. Der primäre Endpunkt der Studie bestand im kombinierten Endpunkt von kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Dieser wurde durch Semaglutid um 20 % reduziert (Hazard-Ratio 0,80; 95%-Konfidenzintervall 0,72–0,90; p < 0,001). V. a. wurden nicht fatale Herzinfarkte stark reduziert (–28 %). Bedeutend ist, dass auch die Gesamtsterblichkeit um 19 % reduziert wurde (Hazard-Ratio 0,81; 95%-Konfidenzintervall 0,71–0,93). Wichtig ist aus kardiometabolischer Sicht zusätzlich, dass erhöhte HbA1c-Werte (≥ 6,5 %), die auf einen neu entwickelten Diabetes hinweisen, um 73 % (!!) reduziert worden waren. Semaglutid wird bei übergewichtigen Patienten ohne Diabetes für die Indikation Gewichtsverlust von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland bisher nicht erstattet. Angesichts der klaren Ergebnisse von SELECT müsste das gegebenenfalls überdacht werden.

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