Umfrage

Einblicke in die Psyche der Kardiologen

Umfrage-- Das ärztliche Wohlbefinden schlägt sich direkt auf die Patientenversorgung nieder. Eine weltweite Umfrage offenbart nun, dass viele Kardiologinnen und Kardiologen mentale Probleme haben. Zeit zu handeln.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Über Stress und Angst wurde besonders häufig berichtet.

Über Stress und Angst wurde besonders häufig berichtet.

© Monet / Stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)

Global betrachtet hat jeder vierte Kardiologe/jede vierte Kardiologin in irgendeiner Form psychische Schwierigkeiten. Zu diesem Ergebnis kommt eine weltweite Umfrage des American College of Cardiology (ACC). Über 70.000 Kardiologinnen und Kardiologen aus Afrika, Asien, Osteuropa, der EU, dem Mittleren Osten, Ozeanien, Süd- wie Zentral- und Nordamerika wurden eingeladen, an der Umfrage teilzunehmen. 5.931 willigten ein. Diese wurden anonym über einen Onlinefragebogen zu ihrem Befinden befragt, 5.890 beantworteten die Fragen zur mentalen Gesundheit. 7,5 % der Umfrageteilnehmer waren Männer, 22,6 % Frauen. 27,8 % der antwortenden Kardiologinnen und Kardiologen gaben an, in irgendeiner Form mentale Schwierigkeiten zu haben, sehr oft waren das psychologische Leiden wie Angst und Stress (20,2 % der Männer und 25,7 % der Frauen). Bei 4,7 % lagen schwere Störungen wie schwere Depressionen oder Schizophrenien vor. 5,2 % berichteten über Alkohol- oder Drogenmissbrauch.

Generell konnten die Autoren der Analyse um Prof. Garima Sharma deutliche Unterschiede im Auftreten mentaler Probleme in Abhängigkeit des Alters, Geschlechts, dem Karrierestatus und der geografischen Lokalisation feststellen. So waren Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer (33,7 % vs. 26,3 %), wobei sie deutlich öfter Hilfe in Anspruch nahmen als ihre männlichen Kollegen (42,3 % vs. 31,1 %). In einer multivariaten Analyse hatte das Geschlecht allerdings keinen Einfluss mehr auf die Prävalenz psychischer Erkrankungen.

Arbeitsplatz wirkt sich offenbar aus

Geografisch betrachtet waren vor allem in Süd- und Zentralamerika tätige Kardiologen von mentalen Problemen betroffen, am niedrigsten war die Rate im Mittleren Osten und Asien. Ein jüngeres Alter (< 55 Jahre) bzw. ein früher Karrierestatus gingen mit einem häufigeren Auftreten mentaler Probleme einher.

Ebenso konnten Sharma und Kollegen feststellen, dass emotionale Belästigungen und Diskriminierungen am Arbeitsplatz offenbar zu einem gewissen Anteil die psychischen Probleme erklären könnten. Jedenfalls war es bei Kardiologen, die über mentale Probleme berichteten, fast dreimal so wahrscheinlich, dass sie belästigt werden (Odds Ratio, OR: 2,81), und fast doppelt so wahrscheinlich, dass sie diskriminiert werden (OR: 1,85). Oder anders ausgedrückt: Fast die Hälfte der Kardiologen, die in einem ablehnenden Arbeitsumfeld tätig sind, berichtet über mentale Probleme (41,7 % vs. 17,4 % jener ohne solche Erfahrungen).

Das Vorhandensein mentaler Probleme wirkt sich andersherum auch auf die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation aus. So sind 44 % der Umfrageteilnehmer, die psychische Schwierigkeiten haben, unzufrieden mit mindestens einer Berufskomponente, dazu gehören u. a. Wertschätzung, faire Behandlung und adäquate Vergütung der Arbeit.

Mögliche Maßnahmen

Diese Umfrageergebnisse veranlassten die Autoren dazu, über potenzielle Maßnahme nachzudenken. „Die mentale Gesundheit von Ärzten und ihr Wohlbefinden zu verbessern, stärkt die Patientenerfahrung, reduziert Kosten, verbessert die bevölkerungsweite Gesundheit und bessert das Arbeitsleben des Gesundheitspersonals“, erläutern sie Relevanz entsprechender Interventionen. Ziel dieser Maßnahmen sollte es sein, die Ursachen psychischer Probleme zu verringern. Dazu gehört ihrer Ansicht nach auch, ein inklusives und respektvolles Arbeitsumfeld zu schaffen sowie den Ärzten die Ängste zu nehmen, über Missstände bzw. ihre Probleme zu sprechen. Förderlich könnte in dieser Hinsicht die Implementierung einer Ombudsperson sein, der sich die Mitarbeiter anvertrauen können, wie Sharma und Kollegen ausführen. Zudem halten die Autoren es für sinnvoll, Ärztinnen und Ärzten individuelle und gruppenbasierte Strategien an die Hand zu geben, mit denen sie ihre Emotionen regulieren und psychischen Stress verhindern können, inklusive eines erleichterten Zuganges zu vertrauenswürdigen Behandlungsoptionen für psychische Erkrankungen.

Wie immer bei solchen Umfragen könnten die Ergebnisse durch die selektive Teilnahme verzerrt worden sein, in diesem Falle hat immerhin ein Großteil der kontaktierten Kardiologinnen und Kardiologen nicht an der Umfrage teilgenommen.

Fazit

Global betrachtet berichtet jede vierte Kardiologin/jeder vierte Kardiologe über mentale Schwierigkeiten.

Die Bedingungen am Arbeitsplatz scheinen dabei eine wichtige Rolle zu spielen.

Literatur-- Sharma G et al. J Am Coll Cardiol. 2022; https://doi.org/10.1016/j.jacc.2022.11.025

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