Neue Leitlinie zur pulmonalen Hypertonie

Entscheidend ist die richtige Definition

Neue ESC/ERS-Leitlinie-- In diesem Jahr wurden die Leitlinien zum Management der pulmonalen Hypertonie aktualisiert. Diagnostik und Therapie werden durch die neuen Empfehlungen sicherlich nicht einfacher, sie könnten aber zu einer besseren Standardisierung beitragen.

Ein Kommentar von Prof. Stavros Konstantinides Veröffentlicht:
Entscheidend ist die richtige Definition

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Die richtige Definition eines Krankheitsbildes ist die erste Voraussetzung für Leitlinienempfehlungen zu einer Diagnose und Therapie. Diese Definition ist bei kardiovaskulären Erkrankungen wie dem akuten Koronarsyndrom oder der Aortenklappenstenose so selbstverständlich, dass dieser Punkt in Leitlinien kaum im Mittelpunkt steht.

Anders ist es allerdings bei der pulmonalen Hypertonie (PH): Hierbei handelt es sich um kein umschriebenes Krankheitsbild, sondern um eine pathophysiologische Abnormalität infolge unterschiedlicher kardialer, pulmonaler und vaskulärer Erkrankungen. Hinzu kommt, dass zwei oder mehrere PH-Ursachen koexistieren und zu kombinierten, voneinander unscharf abgegrenzten Krankheitsbildern führen können. Der Versuch, aus dieser Komplexität eine pathophysiologisch fundierte und gleichzeitig allgemein verständliche Definition und Klassifizierung der PH zu schaffen, ist ein fortdauernder Evolutionsprozess.

Prof. Stavros Konstantinides, Johannes Gutenberg Universität Mainz

Prof. Stavros Konstantinides, Johannes Gutenberg Universität Mainz

© Konstantinides

Die letzte Aktualisierung der Leitlinie für die Diagnose und Therapie der PH beginnt mit der Herabsetzung der Grenzwerte für ihre hämodynamische Definition, welche nun bereits ab einem mittleren pulmonal-arteriellen Druck von > 20 mmHg (statt 25 in der Vergangenheit) und einem pulmonal vaskulären Widerstand von > 2 (statt 3) Wood-Einheiten beginnt. Dies soll der früheren Identifizierung und engmaschigen Verlaufsbeobachtung von Patientinnen und Patienten mit „beginnender“ PH dienen.

Der diagnostische PH-Algorithmus hat sich im Vergleich zu 2015 nicht maßgeblich geändert. Besonderer Wert wurde allerdings auf die verbesserte grafische und tabellarische Darstellung des Weges vom Symptom/klinischen Befund über die echokardiografische Abschätzung der PH-Wahrscheinlichkeit bis hin zur Bestätigung der PH und ihrer Klassifizierung (in Gruppen 1–5) gelegt.

Insgesamt hat die Leitlinien-Arbeitsgruppe viel Arbeit in die Sensibilisierung sowohl der medizinischen Gemeinschaft als auch der Patientinnen und Patienten investiert, um effizientere Screeningstrategien und damit eine frühere Detektion und Behandlung der PH zu ermöglichen.

Risikostratifizierung angepasst

Die Risikostratifizierung der PH auf der Basis klinischer, laborchemischer, bildgebender und hämodynamischer Parameter hat sich ebenfalls weiterentwickelt, wobei nun für therapeutische Entscheidungen bei Erstdiagnose drei PH-Risikoklassen, aber für die Verlaufsbeobachtung vier gelten. Dies erscheint angesichts neuer Kohortendaten gerechtfertigt. Es erhöht allerdings die Komplexität des Modells und bleibt anfällig, solange keine komplette Einigung über die genauen Definitionskriterien dieser Klassen und damit die Beurteilung des Therapieerfolges oder der Notwendigkeit einer Eskalation herrscht.

Die PH bleibt Aufgabe spezialisierter interdisziplinärer Zentren.

In der Therapie selbst sind die Grundsätze der Behandlung der PH-Gruppe 1 (pulmonal arterielle Hypertonie – ein immer noch nicht ausgereifter Terminus) in der neuen Leitlinie unverändert geblieben. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die Modulierung des proliferativen Aktivin-Signalweges durch Sotatercept (aktuell in klinischer Testung) in Zukunft einen neuen therapeutischen Ansatz bieten wird. Es konnte weiterhin keine spezifische medikamentöse Therapie – abgesehen von individualisierten Entscheidungen – für die PH-Gruppen 2 und 3 empfohlen werden, während die Rolle der kathetergestützten Ballon-Pulmonalisangioplastie für nicht operable Patienten mit chronisch thromboembolischer PH aufgewertet wurde.

Die neue PH-Leitlinie ist ein sehr umfassendes Dokument. Die PH und ihr Management ist sicherlich dadurch nicht „vereinfacht“ worden, sie bleibt die Aufgabe spezialisierter interdisziplinärer Zentren. Die ausgewogenen und nachvollziehbaren Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie dürften allerdings dazu beitragen, die Arbeit der Expertinnen und Experten in diesen Zentren besser zu standardisieren. Besonders hervorzuheben sind die aktive Teilnahme von Patientinnen und Patienten in der Erstellung der Leitlinien und die Empfehlungen zur europaweiten Qualitätssicherung und -management der PH-Zentren.

Kontakt-- Univ.-Prof. Dr. Stavros Konstantinides, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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