Erkrankungen mit hohen Prävalenzraten

Kardiovaskuläre Risikofaktoren-- Auch wenn viel von Schlaf die Rede ist, so wirkt die Lektüre von Cardio News anregend, wollen wir doch alle erfahren, wie schlafbezogene Atmungsstörungen sich auf die Herzgesundheit auswirken. Auch andere Volkskrankheiten wie Diabetes und Hypertonie werden in dieser Ausgabe besprochen.

Von Prof. Tienush Rassaf und Prof. Meinrad Gawaz Veröffentlicht:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

So richtig positiv wird schlafen nicht gesehen. Zu viel schlafen, verschlafen zu haben, all das ist negativ behaftet. Nur vier Dienste hintereinander? Schwach, haben wir früher nur in ruhigen Zeiten gehabt, da waren es oft sieben bis acht hintereinander ... Wer hat noch nicht solche oder ähnliche Aussagen gehört?

Und auch einige berühmte und sehr erfolgreiche Persönlichkeiten machen es uns vor:

Voltaire, der französische Philosoph und Schriftsteller, schlief nur 4 Stunden pro Nacht.

Leonardo da Vinci, der italienische Universalgelehrte, schlief nur 1,5 Stunden pro Tag, verteilt in 15-minütigen Nickerchen alle vier Stunden.

Napoleon Bonaparte, der französische Kaiser, schlief nur 4 Stunden pro Nacht und machte tagsüber mehrere Nickerchen.

Marissa Mayer, die ehemalige CEO von Yahoo, schläft nur 4 bis 6 Stunden pro Nacht.

Tim Armstrong, der ehemalige CEO von AOL, schläft auch nur 6 Stunden pro Nacht.

Elon Musk, der Gründer von Tesla und SpaceX, schläft nur 6 Stunden pro Nacht.

Sind alle anderen Schlafmützen?

Der Mensch verschläft etwa ein Drittel seines Lebens. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 80 Jahren sind dies fast 25 Jahre! Unser Körper benötigt einen erquickenden Schlaf für unser Wohlbefinden, zur Regeneration und um Krankheiten abzuwehren. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass ein gestörtes Schlafverhalten die Entwicklungen von Krankheiten begünstigt. Mittlerweile zählt ein gestörter Schlaf zu den 8 wesentlichen kardiovaskulären Risikofaktoren, ähnlich einzustufen wie Fehlernährung, Hypertonie oder Diabetes. Schlafstörungen begünstigen wiederum die Entwicklung von Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz. Was ist also für uns Kardiologinnen und Kardiologen bei der Betreuung unserer Patienten und Patientinnen zu berücksichtigen?

Prof. Dr. med. Meinrad Gawaz--Universitätsklinikum TübingenGawaz

Prof. Dr. med. Meinrad Gawaz--Universitätsklinikum Tübingen

© Gawaz

Prof. Dr. med. Tienush Rassaf--Universitätsklinikum EssenRassaf

Prof. Dr. med. Tienush Rassaf--Universitätsklinikum Essen

© Rassaf

Im Vordergrund steht sicherlich, mögliche Schlafstörungen bei jedem Patientenkontakt anzusprechen und eine entsprechende eine Diagnostik einzuleiten. Zwar gibt es gute etablierte Möglichkeit einer weiterführenden Polysomnografie-Diagnostik aber die Organisation den Betroffenen einer adäquaten Behandlung zuzuführen ist oft nicht ganz einfach, da diese nur an bestimmten Zentren und unter stationären Bedingungen durchgeführt wird. Deshalb kann nur eine einfache und praxisorientierte sog. „Out-of-center“(OOC)-Diagnostik hier wirklich Schwung in die Schlafmedizin bringen und viele bisher unterdiagnostizierte Herzpatienten in eine Behandlung bringen. Muss es dann jedoch immer gleich bei Atemaussetzer eine nächtliche Überdruckbeatmung sein? Oder sollte erst mal Gewichtsabnahme und eine gesunde Lebensführung im Vordergrund stehen?

Zumindest bei Patienten mit Herzinsuffizienz und eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion scheint eine adaptive Servoventilation (ASV) nicht unkritisch zu sein (SERVE-HF-Studie) und die Sterblichkeit sogar zu erhöhen. Dies scheint bei der noch laufenden ADVENT-HF-Studie gemäß vorläufiger Ergebnisse, wie auf dem diesjährigen ESC-Kongress zu hören war, jedoch nicht der Fall zu sein. Bis die vollständigen Daten von ADVENT-HF jedoch vorliegen, sollte eine ASV-Behandlung bei Herzinsuffizienz nicht durchgeführt werden. Interessant ist jedoch der schlafmedizinische Ansatzpunkt bei Vorhofflimmern. Eine adäquate nächtliche CPAP-Unterstützung scheint sowohl den spontanen Verlauf von Vorhofflimmern als auch als Begleittherapie nach Ablation die Erkrankung und Rezidivhäufigkeit günstig zu beeinflussen. Trotz klinischer Sinnhaftigkeit ist jedoch die Umsetzung im Alltag schwierig und durch lange Wartezeiten in Schlaflabors und mangelnde Finanzierung die Umsetzung der Atemtherapie begrenzt.

„Baby I don’t need a bed, gonna live while I’m alive, I’ll sleep when I’m dead.“

Zitat Bon Jovi

Des Weiteren scheint das nächtliche Tragen von CPAP-Masken oft trotz anfänglicher Motivation von vielen Betroffenen nicht konsequent befolgt zu werden. Ob Alternativen wie die „Unterkieferprotrusionsschiene“ hier mehr Akzeptanz erreicht, bleibt abzuwarten. Generell erscheint die nächtliche „Apparatemedizin“ jedoch auch den Partner zu beeinflussen und könnte wiederum zu weiteren Schlafstörungen von initial nicht Betroffenen führen. Wir brauchen also wirklich gute klinische Daten, um dann gerechtfertigterweise tief in das nächtliche Privatleben eingreifen zu dürfen.

ESC-Leitlinie „Diabetes“ hält Neuerungen bereit

Die neuen ESC-Leitlinien für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Patienten mit Diabetes bringen mehr Bewusstsein hinsichtlich Risikobeurteilung ein. Durch Integration klassischer kardiovaskulärer Risikofaktoren mit diabetesbezogenen Information kann anhand des SCORE2-Diabetes-Risikoscore das 10-Jahres-Risiko individuell festgelegt werden und dementsprechend präventiv gehandelt werden. Sinnvoll ist auch die Empfehlung, den diabetogenen Stoffwechselzustand bei allen kardiovaskulär Erkrankten zu bestimmen und damit auch zu erkennen. Gemäß der aktuellen ESC-Leitlinie sollen vernünftigerweise bei Patienten mit Diabetes primär Medikamente eingesetzt werden, welche einen nachgewiesenen kardiovaskulären Nutzen aufweisen. Bei sehr vielen Patienten wird dies zur Veränderungen der bisher gängigen Diabetesmedikation führen.

Hypertonie im Alter

Wie ernst soll der „Altersbluthochdruck“ genommen werden? Gelten bei zunehmenden Lebensalter die allgemeinen Bluthochdruckempfehlungen (Zielblutdruck 140/80 mmHg) oder sind diese im höheren Lebensalter zu streng? Wie zu vermuten, ist die derzeitige Datenlage zur Blutdruckeinstellung bei über 80-Jährigen dünn. Hier gilt es, pragmatisch vorzugehen, wie ein Übersichtsreferat von Prof. Böhm, Homburg, auf der DGK-Herbsttagung darstellte: Polypharmazie und Interaktionen beachten, ebenso die kognitive Leistung der Betroffenen beurteilen und gegebenenfalls auch höhere weil notwendige Blutdruckwerte akzeptieren.

„Pulsed-Field“-Ablation

Welche Rolle wird die „pulsed-field“-gesteuerten Elektroporation zur Behandlung von Vorhofflimmern in Zukunft spielen? Zumindest hat sich diese anfänglich vielversprechende Methode als nicht unterlegen im Vergleich zu den konventionellen Verfahren gezeigt wie wir auf dem ESC erfahren durften (ADVENT-Studie). Also doch kein „game changer“ wie so oft verkündet wurde. Aber zumindest war die interventionelle Behandlung im Durchschnitt um 20 Minuten kürzer. Überzeugender sind die Daten zur Ablationsbehandlung von Vorhofflimmern bei terminaler Herzinsuffizienz. Hier konnte die interventionelle Frequenzregularisierung überzeugen und die Herzinsuffizienz stabilisieren. Dadurch konnte die Notwendigkeit einer dringlichen chirurgischen Behandlung (LVAD-Implantation, Herztransplantation) deutlich verzögert und Zeit gewonnen werden. Ein weiterer Beleg nach der CASTLE-AF-Studie, dass besonders Betroffene mit schwerer Herzinsuffizienz von einer Vorhofablation profitieren.

Interventioneller Verschluss des linken Vorhofohres (LAA-Verschluss)

Nach wie vor sollte die Indikation für einen LAA-Verschluss bei Vorhofflimmern zur Thromboembolieprophylaxe zurückhaltend gestellt werden. Die aktuellen Leitlinien empfehlen keinen LAA-Verschluss als Alternative zur Antikoagulation. Nur bei wenigen und sehr gut ausgewählten Patienten scheint nach wie vor der LAA-Verschluss vertretbar zu sein. Bevor nicht klare und überzeugende klinische Studien vorliegen, ist dies auch eine gute Empfehlung und sollte dringende Berücksichtigung finden. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Freude mit der Lektüre der aktuellen Ausgabe der Cardio News. Wir dürfen gar nicht darüber nachdenken, wie Teile dieser Ausgabe wieder entstanden sind ... früh am Morgen, spät in der Nacht, oft nach wenig Schlaf. Am Ende mal wieder ein gutes Beispiel für kognitive Dissonanz. Aber wir arbeiten dran ...

Herzliche Grüße

Tienush Rassaf und Meinrad Gawaz

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