Vorhofflimmern

Gängige Rezidiv-Definition in der Kritik

Vorhofflimmern-- Der Erfolg einer Katheterablation wird durch das Auftreten von Vorhofflimmern-Rezidiven bemessen. Seit 15 Jahren gilt hierfür die Definition: Jede atriale Tachyarrhythmie, die länger als 30 Sekunden andauert, ist ein Rezidiv. Eine Studie lässt an dieser Definition nun Zweifel aufkommen.

Von Peter Overbeck und Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Im EGK sind nach einer Ablation oft kurze Vorhofflimmern-Episoden zu erkennen, doch sind die wirklich relevant? (Symbolbild mit Fotomodell)

Im EGK sind nach einer Ablation oft kurze Vorhofflimmern-Episoden zu erkennen, doch sind die wirklich relevant? (Symbolbild mit Fotomodell)

© Mario Martinez / Westend61 / picture alliance (Symbolbild mit Fotomodell)

Die derzeitige Definition für ein Vorhofflimmern-Rezidiv ist klinisch betrachtet offenbar wenig haltbar. Das folgern jedenfalls die Autoren aus den Ergebnissen der CIRCA-DOSE-Studie: „Der Standarddefinition für ein Vorhofflimmern-Rezidiv ≥ 30 Sekunden fehlt es an klinischer Relevanz“, schreiben Dr. Jason Andrade und Kollegen in der Publikation im European Heart Journal.

Derzeit üblich ist es, eine Katheterablation bereits dann als nicht erfolgreich zu bewerten, wenn in der Folge eine atriale Tachyarrhythmie von ≥ 30 Sekunden aufgetreten ist. Dieser Schwellenwert wird auch in Studien als Endpunkt herangezogen, um den Nutzen einer therapeutischen Intervention zu bewerten. Schon länger regen sich allerdings Widerstände gegen diese primär auf einem Expertenkonsensus beruhende Definition. Denn es ist fraglich, inwieweit kurze bzw. ggf. einmalig auftretende Vorhofflimmern-Episoden klinisch bedeutsam sind.

das herauszufinden, haben sich Andrade und sein Team die Daten der randomisierten multizentrischen CIRCA-DOSE-Studie genauer angeschaut. In dieser Studie sind 346 Patientinnen und Patienten mit symptomatischem paroxysmalem Vorhofflimmern zwischen 2014 und 2017 an 8 kanadischen Herzzentren einer Pulmonalvenenisolation unterzogen worden. Vor der Ablation war bei allen Studienteilnehmern ein Herzmonitor zur kontinuierlichen Rhythmusüberwachung implantiert worden. Insgesamt knapp 33.000 Herzmonitor-Aufzeichnungen wurden für die Studie analysiert.

Der Standarddefinition für ein Vorhofflimmern-Rezidiv fehlt es an klinischer Relevanz.

Um den Therapieerfolg zu bemessen, nutzten die kanadischen Kardiologen unterschiedliche Schwellenwerte für eine während der Zeit aufgetretene Arrhythmie-Episode. Wenn eine < 2 Minuten andauernde Arrhythmie als Rezidiv bewertet wurde, lag die 1-Jahres-Rezidivfreiheit in der Studie gerade mal bei 52,6 %. Wenn aber nur Episoden von > 24 Stunden als Rezidive galten, waren 93,3 % der Studienteilnehmer nach einem Jahr definitionsgemäß „frei von einem Rezidiv“ (p < 0,0001).

Klinische Korrelation zeigte sich erst ab einer Stunde

Das ist kein wirklich überraschender Befund, viel wichtiger ist aber die Frage, inwieweit die jeweiligen Rezidivdefinitionen mit dem klinischen Outcome korrelierten. Und in dieser Hinsicht konnten die Studienautoren erst ab einer Episodendauer von einer Stunde eine bedeutende Assoziation festmachen. So nahmen Patienten mit Vorhofflimmern-Rezidiven, die kürzer als eine Stunde waren, Leistungen der Gesundheitsversorgung wie Klinikaufenthalte, Notfallambulanzbesuche, Kardioversionen und erneute Katheterablationen nicht häufiger in Anspruch als Patienten ohne Rezidive.

Dagegen war die „Healthcare utilization“ bei Patienten mit Rezidiven, die länger als eine Stunde anhielten, bzgl. Notfallambulanzbesuche (relatives Risiko, RR: 3,2), Hospitalisierungen (RR: 5,3) und vor allem erneute Ablationsprozeduren (RR: 27,1) deutlich höher als in der Gruppe ohne Rezidive. Zieht man die „Arrhythmie-Last“ (AF burden = prozentualer Anteil der Zeit im Vorhofflimmern pro Person) als Maßeinheit heran, zeigte sich eine Korrelation mit der Prognose ab einem Schwellenwert von > 0,1 %. Bedeutet, bei Patienten mit einem „AF burden“ ≤ 0,1 % war die Inanspruchnahme von Leistungen der Gesundheitsversorgung ähnlich hoch wie bei Patienten ohne Rezidive.

Bisherige Definition überdenken

Angesichts dieser Ergebnisse regen die Studienautoren an, die bisher übliche Rezidivdefinition zu überdenken. So gebe es Überlegungen, die Episodendauer, ab wann eine atriale Arrhythmie als Rezidiv gilt, anzuheben, z. B. auf > 24 Stunden, wobei in der aktuellen Studie bereits ab einer Stunde ein signifikanter Anstieg der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen beobachtet wurde.

Eine weitere Möglichkeit, die die Studienautoren anbringen, ist den therapeutischen Nutzen von Interventionen wie der Katheterablation an der Vorhofflimmern-Last zu bemessen. Diese ermögliche eine quantitative und damit eine umfassendere Bewertung, erörtern sie die Vorteile dieses Endpunktes. Zudem sei sie die sensitivere Maßeinheit.

Fazit

Ein Vorhofflimmern-Rezidiv stellte sich erst ab einer Episodendauer von einer Stunde als klinisch relevant heraus.

Die Autoren regen deshalb an, die gängige Rezidiv-Definition von ≥ 30 Sekunden zu überdenken.

Literatur-- Andrade JG et al. Eur Heart J. 2022; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac692

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