ACC-Kongress

Ist Leistungssport doch möglich?

Erbliche Herzkrankheiten-- Für gewöhnlich wird Leistungssportlern zum Karriereende geraten, sobald bestimmte genetische Herzerkrankungen festgestellt werden. Kardiologen plädieren jetzt für einen weniger restriktiven Umgang.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:

Für die meisten Patienten mit genetischen Herzerkrankungen scheint selbst Leistungssport ungefährlich zu sein. Das suggerieren retrospektive Daten aus den USA. In dieser multizentrischen Studie hatten 95 % der Leistungssportlerinnen und Leistungssportler, die nach entsprechender Diagnose (z. B. hypertrophe Kardiomyopathie oder Long-QT) ihrer Sportlerlaufbahn fortsetzen, in den kommenden sieben Jahre keinerlei mit der Herzerkrankung assoziierte Komplikationen erlitten. Die Ereignisrate lag bei 4 %, wobei es keine tödlichen Vorkommnisse gab. Jedoch – und das ist wichtig zu betonen – war die Rückkehr zum Leistungssport an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Studienautorin Katherine Martinez, die die Daten beim ACC 2023 vorstellte, plädierte deshalb für einen weniger restriktiven Umgang mit herzkranken Leistungssportlern: „Wir hoffen, dass die Ergebnisse die Wichtigkeit eines Shared Decision Making unterstreichen, um Athleten zu bestärken, eine Stimme bzgl. ihrer eigenen Gesundheit zu haben.“

Aktuell sprechen sich Leitlinien bei Menschen mit genetischen Herzerkrankungen, die ein erhöhtes Herztod-Risiko bergen, üblicherweise gegen hochintensiven Sport aus. So ist beim Phänotyp-positiven LQTS Wettkampfsport ausgeschlossen. Das gilt auch für Patienten mit einer hypertrophen Kardiomyopathie, sobald Risikomarker vorliegen.

Wir hoffen, dass die Ergebnisse die Wichtigkeit eines Shared Decision Making unterstreichen.

US-Mediziner der Mayo Clinic in Rochester, die auch an der aktuellen Studie beteiligt waren, verfolgen hier schon länger eine andere Philosophie. Sie haben ein Return-to-Play(RTP)-Programm entwickelt, das Athleten mit genetischen Herzerkrankungen die Rückkehr zum Leistungssport ermöglichen soll. Bestandteile sind eine umfassende Untersuchung, inkl. Risikostratifizierung, ein auf Genotyp und Phänotyp maßgeschneidertes Programm und ein auf den Athleten zugeschnittener RTP-Plan. Grundpfeiler des gesamten Prozesses ist das „Shared Decision Making“.

Ob ein solches Programm für die betroffenen Patienten wirklich sicher ist, sollte in der aktuellen Studie geklärt werden. An 4 US-Zentren wurden 76 Eliteathleten, bei denen eine genetische Herzerkrankung diagnostiziert worden war (53 % HCM, 26 % LQTS) eingeschlossen. Bei 63 % waren vor der Diagnose keine Symptome aufgetreten. 72% der Athleten wurden zunächst von ihrem Sport disqualifiziert. Nach dem RTP-Programm entschlossen sich 96 %, ihre Karriere fortzusetzen, 5 % blieben disqualifiziert, weil sich die Teamärzte gegen die Rückkehr entschlossen hatten. 30 % der Athleten bekamen einen ICD.

Während der kommenden sieben Jahre kam es bei drei Athleten, die weiter Wettkampfsport betrieben, zu einem kardialen Ereignis (4 %), darunter ein adäquater ICD-Schock und zwei Synkopen. Keines dieser Ereignisse endete tödlich. Martinez schließt daraus, dass für Menschen mit genetischer Herzerkrankung ein RTP möglich ist, wenn Experten eine sorgfältige Evaluation und Risikostratifizierung vorgenommen haben. Essenziell hierfür sei ein umfassendes RTP-Protokoll, die Adhärenz der Athleten zu ihren verordneten Therapien, ein für den Athleten bereitgestellter AED, jährliche Kontrollen und Risikoevaluationen und eine offene Kommunikation mit Schulen, Organisationen, Sportdirektoren und/oder medizinischem Personal

Fazit

In einer retrospektiven Studie aus den USA kam es nach dem Return-to-Play von Leistungssportlern mit genetischen Herzerkrankungen nur in wenigen Fällen zu Komplikationen.

Die US-Kardiologen stellen deshalb das allgemeine Wettkampfsport-Verbot für entsprechend Erkrankte infrage.

Quelle-- ACC-Kongress, 4. bis 6. März 2023

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