Pro und Kontra
Kommt die renale Denervation zurück in die Praxis?
Pro und Kontra-- In letzter Zeit wurden mehrere Studien publiziert, die der renalen Denervation doch einen Nutzen attestieren. Schafft es die Methode in die Routineversorgung? Zwei Experten kommen zu konträren Schlussfolgerungen.
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Die renale Denervation war nach den 2014 publizierten, enttäuschenden 6-Monats-Ergebnissen der SYMPLICITY-HTN-3-Studie erst mal in der Versenkung verschwunden. Seither gab es aber einige Studien, die der interventionellen Methode doch einen Nutzen attestiert haben. So hat die renale Denervation in der RADIANCE-II-Studie eine signifikant stärkere Blutdrucksenkung bewirkt als eine Scheinintervention. Die Daten wurden beim diesjährigen TCT-Kongress vorgestellt. Für regelrechte Verwunderung haben neue Daten der oben erwähnten SYMPLICITY-HTN-3-Studie gesorgt. Inzwischen liegen nämlich die 3-Jahres-Daten vor und die sehen ganz anders aus als die 6-Monats-Ergebnisse. Die renale Denervation hat über die Zeit offenbar doch zu einer signifikanten Blutdrucksenkung beigetragen. Aber was bedeuten diese Ergebnisse nun für die Praxis? Wird die renale Denervation es in die Routineversorgung schaffen? Zwei Experten kommen zu konträren Schlussfolgerungen.
Pro: Sichere, additive Therapieoption

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Mit der Vorstellung der RADIANCE-II-Zulassungsstudie beim TCT-Kongress in Boston liegen nun die Ergebnisse einer weiteren randomisierten, scheinkontrollierten Studie zur Effektivität der renalen Denervation (RDN) vor. In die Studie wurden 224 Patientinnen und Patienten mit unkontrollierter Hypertonie eingeschlossen, die für zwei Monate keine antihypertensive Medikation erhielten (sogenanntes OFF-MED-Design). Mit Ultraschall-basierter RDN wurden 150 Patienten behandelt, 74 erhielten einen Scheineingriff. Der primäre Endpunkt der Studie war die Änderung des systolischen Tagesblutdrucks, der nach zwei Monaten mittels RDN um 7,9 mmHg gesenkt wurde (vs. 1,8 mmHg in der Kontrollgruppe). Die Änderungen des häuslichen und Praxisblutdrucks waren nach RDN ebenfalls konsistent niedriger. Die Effektgröße korrelierte mit der Höhe des Ausgangsblutdrucks und lag bei Patienten mit einem Tagesmittelwert von > 153 mmHg bei 9,6 mmHg.
Nach der Publikation der SYMPLICITY-HTN-3-Studie im Jahr 2014 sind mittlerweile fünf randomisierte, scheinkontrollierte Studie publiziert, die die Effektivität und Sicherheit der RDN bei Patienten mit (SPYRAL-ON MED, RADIANCE TRIO) und ohne begleitende antihypertensive Medikation (SPYRAL-OFF MED Pivotal, RADIANCE SOLO) an über 900 Patienten belegt haben. Auch die Langzeiteffektivität der Therapie konnte in diesen Studien bestätigt werden. So wurde der mittlere systolische 24-Stunden-Blutdruck in der RDN-Gruppe nach 3 Jahren um 18,7 mmHg reduziert (verglichen zu 8,6 mmHg in der Kontrollgruppe; p = 0,004). Der diastolische Blutdruck lag nach der RDN im Mittel um 5,9 mmHg niedriger (p = 0,005). Obgleich es keinen Unterschied in der medikamentösen Therapie gab, war der Anteil der Patienten mit einem systolischen 24-Stunden-Blutdruck von < 140 mmHg nach RDN signifikant höher (83,3 % vs. 43,8 %; p = 0,002).
Hinweise für Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse
Auch scheint sich die Blutdrucksenkung nach RDN in einer Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse zu übersetzen. In einer Analyse des Global Symplicity Registry an 3.077 Patientinnen und Patienten zeigte sich nach dem Eingriff eine anhaltende Reduktion des Praxisblutdrucks von –13,2 mmHg nach 6 Monaten bzw. –16,7 mmHg nach 36 Monaten. Der Anteil der Patienten mit einem systolischen Blutdruck von < 140 mmHg lag zum Studienbeginn bei 13,5 % und nahm nach 3 Jahren signifikant auf 38,4 % zu (p < 0,001). Auch die „Time in Target Range“ nahm nach der RDN signifikant zu. Je höher die Time in Target Range war, desto niedriger war das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (Myokardinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskulärer Tod).
Fazit: RDN ist zurück
In Anbetracht der neuen, konsistenten Evidenzlage zur Effektivität und Sicherheit der RDN haben sowohl die European Society of Cardiology als auch die European Society of Hypertension Konsensuspapiere veröffentlicht. In beiden wird die RDN als sichere, additive Therapieoption bei ausgewählten Patienten mit schwer einstellbarer arterieller Hypertonie empfohlen, die neben Lebensstilmodifikationen und medikamentöser Therapie eingesetzt werden kann. Die Therapie sollte in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Die DGK ermöglicht seit diesem Jahr die Zertifizierung als Renales Denervationszentrum. Die RDN hat ihre Prüfung in verschiedenen randomisierten, scheinkontrollierten Studien erfolgreich überstanden und kommt nun also zurück in die klinische Praxis
Kontra: Nur überschaubare Effekte

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Die katheterbasierte renale Denervation zielt darauf ab, die Aktivität des sympathischen Nervensystems durch die Ablation renaler Nerven zu vermindern. Dadurch soll der Blutdruck sinken. Trotz initial vielversprechender Daten konnte in der randomisierten, scheinkontrollierten SYMPLICITY-HTN-3-Studie keine Überlegenheit im Interventionsarm erreicht werden. In Fachkreisen wurde diskutiert, dass Unterschiede in der periprozeduralen Qualität sowie Veränderungen in der Medikation nach Randomisierung die Ergebnisse der SYMPLICITY-HTN-3-Studie verfälscht hätten.
In der Folge demonstrierten kleinere, scheinkontrollierte Studien bei Patientinnen und Patienten mit und ohne begleitende Medikamenteneinnahme einen positiven Effekt der renalen Denervation auf den Blutdruck. Die renale Denervation erfolgte hier mit einem neuen, verbesserten Katheter (Symplicity Spyral, Medtronic).
Zielblutdruck wurde trotzdem nicht erreicht
Eine statistisch signifikante Reduktion des Blutdruckes durch die katheterbasierte renale Denervation konnte daraufhin in den größeren Folgestudien (SPYRAL HTN-OFF MED sowie SPYRAL HTN-ON MED) gezeigt werden. Der 24-Stunden Blutdruck konnte in der HTN-OFF-MED-Studie um enttäuschende 4 mmHg systolisch sowie 3 mmHg diastolisch gesenkt werden.
Nach einem Beobachtungszeitraum von 36 Monaten konnten in der HTN-ON-MED-Studie sowohl der systolische als auch der diastolische Blutdruck im Vergleich zur Kontrollgruppe gesenkt werden (–10 mmHg bzw. –5,9 mmHg). Jedoch wurde trotz Anwendung der renalen Denervation, welche etwa der Hinzunahme einer antihypertensiven Substanz entspricht, der in den Leitlinien empfohlene Zielblutdruck nicht erreicht. Untersucher sowie Patienten wurden sechs Monate nach Denervation entblindet, in der Kontrollgruppe konnten zahlreiche Patienten nicht vollständig über 36 Monate nachverfolgt werden. Insgesamt war die Anzahl der Studienteilnehmer gering.
Aktuelle Studienlage unzureichend
Diese Limitationen und die überschaubare Senkung des Blutdruckes führen dazu, dass die renale Denervation zum Beispiel in Baden-Württemberg von den gesetzlichen Kassen nicht erstattet wird. Zusammengefasst denke ich, dass die renale Denervation in der Behandlung der therapieresistenten Hypertonie einen wichtigen Stellenwert hat. Dennoch ist die aktuelle Studienlage unzureichend. Welche Patienten profitieren besonders, welche nicht? Kann das Auftreten harter klinische Endpunkte reduziert werden? Diese Fragen müssen in Zukunft in Studien mit adäquater Fallzahl adressiert werden.
Literatur beim Verfasser