Mit den Kilos purzelt das Herzrisiko

Bei Herzkranken mit Adipositas-- Belege dafür, dass medikamentöse oder Lebensstil-verändernde Maßnahmen zur Gewichtsabnahme auch kardiovaskulären Ereignissen vorbeugen, fehlten bisher. Der GLP-1-RA Semaglutid hat eine entsprechende präventive Wirksamkeit nun in einer großen Studie unter Beweis gestellt.

Von Peter Overbeck Veröffentlicht:
Semaglutid-- Reduziert nicht nur das Gewicht, sondern auch die kardiovaskulären Ereignisse. FrankBoston/stock.adobe.com

Semaglutid-- Reduziert nicht nur das Gewicht, sondern auch die kardiovaskulären Ereignisse.

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Dass der GLP-1-Rezeptoragonist Semaglutid in der dafür in der EU seit 2022 zugelassenen Formulierung (Wegovy®) übermäßiges Körpergewicht deutlich reduzieren kann, hat die Öffentlichkeit bereits aufgeregt zur Kenntnis genommen. Neu ist, dass dadurch bei Patienten und Patientinnen ohne Diabetes, aber mit Übergewicht oder Adipositas und vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen auch das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse sinkt. Gezeigt hat das die bei der Jahrestagung 2023 der American Heart Association vorgestellte SELECT-Studie.

20 % weniger kardiovaskuläre Ereignisse

Danach ist die Inzidenz der Ereignisse Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulär verursachter Tod (primärer kombinierter Endpunkt) im Zeitraum von etwas mehr als drei Jahren durch Semaglutid signifikant um 20 % im Vergleich zu Placebo gesenkt worden. Von solchen Ereignissen waren 569 von 8.803 Patienten (6,5 %) unter Semaglutid und 701 von 8.801 Patienten (8,0 %) unter Placebo betroffen (Hazard Ratio: 0,80; p < 0,001). Mit Semaglutid behandelte Patientinnen und Patienten verloren im Studienverlauf im Schnitt 9,4 % ihres Körpergewichts, im Vergleich zu 0,9% unter Placebo. Kardiovaskulär verursachte Todesfälle traten in der Semaglutid-Gruppe bei 223 Patienten (2,5 %) und in der Placebo-Gruppe bei 262 Patienten (3,0 %) auf (HR: 0,85; p = 0,07). Die Inzidenzraten für den kombinierten Herzinsuffizienz-Endpunkt (kardiovaskulär verursachter Tod oder Hospitalisierung/„urgent visit“ wegen Herzinsuffizienz) betrugen 3,4 % unter Semaglutid versus 4,2 % unter Placebo (HR: 0,82, 95%-KI: 0,71–0,96), die für die Gesamtmortalität 4,3 % versus 5,2 % (HR: 0,81, 95%-KI: 0,71–0,93).

Kardiometabolische Parameter verbessert

Außer dem Körpergewicht zeigten sich unter Semaglutid auch diverse Biomarker des kardiovaskulären Risikos wie Blutdruck, Taillenumfang, HbA1c, LDL-Cholesterin und Triglyzeride im Vergleich zu Placebo zum Teil deutlich verbessert. Die Spiegel des Entzündungsmarkers hsCRP senkte Semaglutid im Mittel um fast 40 %, was in etwa der Wirkung von Statinen entspricht. Diese Effekte sind auf Basis einer guten medikamentösen Standardtherapie mit Lipidsenkern (90 %), Plättchenhemmern (86 %) oder Betablockern (70 %) erzielt worden.

Mehr Therapieabbrüche unter Semaglutid

Die Rate schwerwiegender unerwünschte Ereignisse war unter Semaglutid niedriger als unter Placebo (33,4 % vs. 36,4 %; p < 0,001). Allerdings brachen doppelt so viele Semaglutid-Patienten die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab (16,6 % vs. 8,2 % unter Placebo; p < 0,001), insbesondere wegen gastrointestinalen Beschwerden (10,0 % vs. 2,0 %). In die SELECT-Studie waren 17.604 Patientinnen und Patienten (72,3 % Männer, mittleres Alter 61,6 Jahre) mit Übergewicht oder Adipositas (Body-Mass-Index ≥ 27 kg/m2) sowie vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen ohne Diabetes aufgenommen worden. So wiesen rund drei Viertel aller Teilnehmenden einen Myokardinfarkt in der Vorgeschichte auf. Bei einem Viertel bestand eine Herzinsuffizienz. Der mittlere Wert für den BMI betrug 33,3 kg/m2. Verabreicht wurden 2,4 mg Semaglutid s. c./1 × Woche oder Placebo, die Follow-up-Dauer betrug im Mittel 34 Monate.

Für wen gelten die Ergebnisse?

Die SELECT-Ergebnisse gelten in der Sekundärprävention bei Menschen mit manifester kardiovaskulärer Erkrankung, aber ohne Diabetes. Semaglutid hatte aber bereits in der niedrigeren antidiabetischen Dosierung (0,5 mg oder 1,0 mg) in der SUSTAIN-6-Studie das Risiko für kardiovaskuläre Ereignissen signifikant um 26 % reduziert. Das Kollektiv dieser Studie bestand aus Menschen mit Diabetes, die meisten wiesen kardiovaskuläre Vorerkrankungen auf. Auch in SUSTAIN-6 reduzierte Semaglutid das Körpergewicht, allerdings in einem geringeren Ausmaß. Das könnte dafür sprechen, dass außer der Gewichtsreduktion noch andere Faktoren in Betracht zu ziehen sind.

Fazit

Die deutliche Gewichtsreduktion einer Therapie mit Semaglutid bei Adipösen geht mit einer signifikanten Risikosenkung für kardiovaskuläre Ereignisse einher.

Alle Teilnehmenden wiesen kardiovaskuläre Erkrankungen auf, aber keinen Diabetes.

Eine frühere Studie bei Menschen mit Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen zeigte ähnliche Ergebnisse.

Quelle-- Sitzung „Late-breaking Science 1“, Scientific Sessions 2023 der American Heart Association (AHA), 11. bis 13. November 2023, Philadelphia

Literatur-- Lincoff AM et al. N Engl J Med. 2023; https://doi.org/10.1056/NEJMoa2307563

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