Nicht jede Angina pectoris beruht auf einer Stenose
Kommentar--
Veröffentlicht:Es war aber schon immer irrig anzunehmen, dass jede Angina pectoris mit dem Vorliegen einer relevanten Koronarstenose zu erklären ist, denn selbstverständlich spiegelt die Angina pectoris wesentlich mehr und nicht nur die stenosebedingten Missverhältnisse zwischen myokardialem Sauerstoffbedarf und Angebot wider.
In diesem Kontext trägt die Studie von Sinha et al. etwas Neues bei, denn die Autoren konnten an einem kleinen Kollektiv von 102 Patienten zeigen, dass ein positives Belastungs-EKG bei Patienten ohne Koronarstenosen einen hohen prädiktiven Wert für das Vorliegen einer funktionellen Störung der Koronararterien, nämlich einer Acetylcholin-abhängigen, d. h. endothelabhängigen Funktionsstörung der Koronararterien hat. Leider war die Sensitivität des Belastungs-EKGs auch in diesem Kollektiv von Patienten ohne Koronarstenosen nicht gut (44 %), d. h. das Belastungs-EKG war auch bei Patienten unauffällig, die diese mikrovaskuläre Dysfunktion aufwiesen. Die Daten der Studie sollten trotz dieser sorgfältig erhobenen Werte aber mit Vorsicht in den Alltag übertragen werden, da als Voraussetzung zur Teilnahme in die Studie der invasive Ausschluss einer hämodynamisch relevanten Koronarstenose war (Patienten mit sogenannter ANOCA = Angina with nonobstructive coronary arteries).
Was lernen wir aus dieser Studie?
Die Abklärung und Interpretation einer Angina pectoris umfasst mehr als die Frage nach einer angiografisch nachweisbaren Stenose, sodass die Bedeutung funktioneller Messungen (FFR, endothelium-dependent und endothelium-independent mikrovaskulärer Messungen) an zusätzlichem Gewicht gewinnen. Das positive Belastungs-EKG kann bei Patienten mit einem Ausschluss hämodynamisch relevanter Koronarstenosen (egal ob mittels CTA oder Angiografie) auf eine endothel-abhängige mikrovaskuläre Funktionsstörung hinweisen. Ein positives Belastungs-EKG muss also nach Ausschluss von Koronarstenosen nicht unbedingt „lügen“.