Primär- und Sekundärprävention auf vielen Ebenen möglich
Präventionsstrategien-- Nicht nur für die KHK, für alle kardiovaskulären Erkrankungen ist die Prävention entscheidend, diese schließt selbst zu beeinflussende Risiken sowie Umwelteinflüsse ein. Für die Sekundärprävention thromboembolischer Ereignisse ist die Hemmung der Gerinnung ein wichtiger Baustein. Hier müssen Blutungsrisiko und adäquate Antikoagulation gegeneinander abgewogen werden.
Veröffentlicht:Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die koronare Herzerkrankung ist und bleibt das zentrale Thema in der Herz-Kreislauf-Medizin, wie wieder eindrücklich auf dem vergangenen ESC belegt wurde.
In Deutschland wird fast 200.000-mal die Diagnose Angina pectoris in Krankenhäusern gestellt. Weitaus mehr Patienten und Patientinnen mit koronarer Herzerkrankung präsentieren sich jedoch nicht mit typischen Symptomen und werden oft übersehen. Deshalb ist es unabdingbar, dass an allen Kliniken die kardiologische Versorgung ständig überprüft und verbessert wird. Auch wenn dies durch das zunehmende hohe Patientenaufkommen besonders in Notaufnahmen nicht immer leicht fällt.
Durch Aufklärung kardiovaskuläre Risiken verringern

Prof. Dr. med. Meinrad Gawaz--Universitätsklinikum Tübingen
© Gawaz

Prof. Dr. med. Tienush Rassaf--Universitätsklinikum Essen
© Rassaf
Wie das Global Cardiovascular Risk Consortium zeigte können über 50 % der kardiovaskulären Erkrankungen und ein Fünftel der Todesfälle im Wesentlichen fünf leicht erkennbaren und behandelbaren Risikofaktoren (Übergewicht, Bluthochdruck, LDL-Cholesterin, Rauchverhalten und Diabetes) zugeordnet werden. Und zwar unabhängig vom Geschlecht.
Auch wenn die Ergebnisse nicht neu und überraschend sind, belegen diese jedoch, wie wichtig das Erkennen und die Behandlung dieser Risikofaktoren bei unseren Patientinnen und Patienten sind, um eine bestmögliche Prävention sicherstellen zu können. Neben der medizinischen Versorgung ist jedoch eine kontinuierliche und überzeugende Aufklärung der Bevölkerung notwendig, um wirksam gegensteuern zu können.
Auch Umweltfaktoren sind Teil der Prävention
Hier besteht ohne Zweifel ein großer Handlungsbedarf, wie in einem aktuellen Beitrag in der vorliegenden Cardio News gefordert wird. Nachvollziehbar ist die Forderung, dass neben der Verbesserung des individuellen Gesundheitsverhaltens insbesondere die äußeren Rahmenbedingungen am Wohnort und das soziale Umfeld eine gesunde Lebensführung unterstützen und ermöglichen. Hier bleibt viel zu tun.
Unterstützung von Präventions-Assistenzen – persönlich und digital
Prävention kann nur erfolgreich sein, wenn sie überzeugend erklärt und nachhaltig umgesetzt wird. Dies erfordert viel Zeit und Engagement und ist im täglichen medizinischen Ablauf eigentlich nicht vorgesehen. Es fehlt einfach die Zeit und wird kaum honoriert. Deshalb bedarf es der Unterstützung neuer Berufsgruppen wie den Präventions-Assistenzen, welche die Umsetzung bekannter präventivmedizinischer Maßnahmen unterstützen können.
Auch wenn dies eine logische und sinnvolle Aktion ist, bleiben die Bedenken, wo die Arbeitskräfte herkommen sollen und aus welchen Berufsgruppen sie abwandern werden, die dann anderswo fehlen werden. Warum nicht mehr Eigenverantwortlichkeit einfordern? Die Implementierung digitalisierter „Präventions-Assistenten“ wird in der Zukunft wahrscheinlich realistischer sein.
Vorhofflimmern-Ablation bei Herzinsuffizienz: neue Daten
Dass Vorhofflimmern überwiegend nicht eine isolierte rhythmologische Erkrankung ist und als „Hilfeschrei“ des Herzens gewertet werden sollte, wird zunehmend erkannt. Über ein viertel Jahrhundert werden verschiedene Ablationsverfahren bei Patienten mit Vorhofflimmern zur Verbesserung der Lebensqualität angewandt, mit mehr oder weniger Erfolg.
Ganz anders ist die Ablationstherapie bei Vorhofflimmern bei Patienten mit Herzinsuffizienz zu betrachten. Die klinischen Daten verdichten sich, dass dadurch auch wichtige klinische Ereignisse wie Tod und Dekompensation günstig beeinflusst werden können. Und dies nicht nur bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion.
Äußerst spannend werden die Ergebnisse einer derzeit laufenden Studien der invasiven Rhythmuskontrolle bei Herzinsuffizienz mit erhaltender Ejektionsfraktion sein. Sollte sich herausstellen, dass bei Patienten mit HFpEF die invasive Strategie erfolgreich ist, wäre für dieses Patientenkollektiv eine wesentliche Therapieverbesserung insbesondere in Verbindung mit SGLT-2-Inhibitoren erreicht worden.
Welche Patientengruppen sollen wie antikoaguliert werden?
Neben symptomatischen Aspekten ist einer der Hauptziele in der Behandlung von Vorhofflimmern die Vermeidung von thrombembolischen Ereignissen. Die meisten Menschen profitieren von einer adäquaten antithrombotischen Therapie.
Viele Patienten werden jedoch erst nach einem embolischen Erstereignis als „Vorhofflimmernpatienten“ erkannt oder haben Risikofaktoren wie fortgeschrittene Niereninsuffizienz oder zerebrale Amyloidsklerose, welches das individuelle Blutungsrisiko erheblich erhöht und einer adäquate Antikoagulation entgegensteht.
Ein Beitrag in der Cardio News fasst für uns die wichtigsten Empfehlungen der Antikoagulation bei Niereninsuffizienz zusammen. Ungeklärt ist jedoch nach wie vor die Behandlung bei terminaler Niereninsuffizienz und Dialyse.
Sollen diese Patienten nur eine niedrig dosierte NOAK-Therapie oder keine Antikoagulation bekommen? Ist hier eventuell ein mechanischer Verschluss des linken Vorhofohrs sinnvoll (LAA-Verschluss)? Was tun bei Patienten, bei denen unter der Antikoagulation eine maßgebliche Blutungskomplikation auftraten? Diese wichtige Frage wird derzeit in der randomisierten CLEARANCE-Studie hoffentlich beantwortet werden können. Wir sind gespannt.
Kardiologischer Jungbrunnen gefunden?
Können wir unser alterndes Herz vor dem stetigen Verfall bewahren? Die Erkenntnisse, dass sich die Nervendichte mit zunehmenden Lebensjahren verringert war für das Gehirn bekannt. Jetzt aber zeigten experimentell Daten, dass dies auch für das Herz zutrifft.
Spekuliert wird, dass dadurch das Herz seine autonome Kontrolle verliert. Interessant ist der Ansatz, dass durch den Einsatz von sogenannten „Senolytika“ alternde senile Herzzellen in die Apoptose getrieben werden könnten ohne dem noch jungen Gewebe zu schaden.
Wird die Vision des „Jungbrunnens“ von Lucas Cranach aus dem 16ten Jahrhundert verwirklicht? Für Interessierte kann beim nächsten Berlinbesuch die fantastische Darstellung in der Gemäldegalerie Berlin bestaunt werden.
Steuerung der PCI mittels Bildgebung
Was ist die beste Bildgebung bei Koronarinterventionen? Angiografie mit oder ohne intravaskuläre Bildgebung? OCT oder IVUS? Spannende Ergebnisse, welche durch verschiedene klinische Studien auf dem ESC präsentiert wurden. Insbesondere bei komplexen Interventionen sollte der Einsatz zusätzlicher Bildgebung zum Standard werden
Herzliche Grüße
Tienush Rassaf und Meinrad Gawaz