Substanzielle Neuerungen der Leitlinien
Kammerarrhythmie/plötzlicher Herztod-- Auf dem ESC-Kongress wurden die neuen Leitlinien für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit ventrikulären Arrhythmien und für die Prävention des plötzlichen Herztodes vorgestellt. Diese enthält viele neue Klasse-I-Empfehlungen und weitere wichtige Änderungen.
Veröffentlicht:Konzeptionell wurden die Leitlinien um wichtige Sektionen wie die provokativen diagnostischen Tests, das genetische Testen ganz allgemein, die Abklärung nach Erstereignis in Absenz einer bekannten Herzerkrankung, die Behandlung des elektrischen Sturms sowie spezielle Aspekte der Devicetherapie ergänzt. Insgesamt wurden 34 neue Klasse-I-Indikationen für die verschiedenen Themenbereiche erarbeitet, sodass das Potenzial an Änderungen durchaus als substanziell bezeichnet werden kann.
Fokus auf Life Support und AED
Einen neuen und wichtigen Fokus stellen starke Empfehlungen zum „Basic Life Support“ und zum Einsatz von AEDs dar. So wird erstmals die Aufstellung von AEDs an öffentlichen Plätzen mit hohem Risiko für den plötzlichen Herztod (Casino, Bahnhof usw.) empfohlen. Ein breites Training der Bevölkerung im „Basic Life“ sowie die Mobilfunk-basierte Alarmierung von registrierten und trainierten „Bystandern“ findet erstmals eine starke Empfehlung. Ganz allgemein ist nunmehr eine Lebenserwartung von mindestens einem Jahr bei gleichzeitig guter Qualität eine Voraussetzung für eine ICD-Implantation (Klasse I). Dies ist natürlich sinnvoll und bereits an hoffentlich allen Orten Usus. Dass diese Sichtweise nun auch in den Leitlinien verankert ist, ist jedoch wichtig und überfällig.
Aufwertung der Katheterablation
Bei Patienten mit wiederkehrenden anhaltenden ventrikulären Tachykardien auf dem Boden einer koronaren Herzerkrankung findet nun die Katheterablation im Vergleich zur Eskalation der antiarrhythmischen Therapie eine starke Aufwertung (Klasse I). Jedoch ist die Qualität der oft komplexen Ablationen, die nur in erfahrenen Händen erfolgen sollte, für den Erfolg entscheidend.
Herausforderungen bei DCM
Ein wichtiges und bislang unzureichend gelöstes Thema bleibt die Risikostratifizierung bei dilatativer Kardiomyopathie (DCM) bzw. nicht ischämischer Kardiomyopathie. Grundprobleme bleiben die Heterogenität der Erkrankung sowie die noch unzureichenden diagnostischen Konzepte. Erstmalig hat die Testung für bestimmte Gene in gewissen Konstellationen (AV-Überleitungsstörung, Alter <50 Jahre, familiäre Belastung) eine starke Empfehlung (Klasse I) erhalten.Ebenso wird nun bei Verwandten ersten Grades bei jungen Indexpatienten (z. B. <50 Jahren) zumindest ein EKG und ein Echo empfohlen. Als bildgebendes Verfahren hat das kardiale MRT mit LGE-Bestimmung eine Klasse-IIa-Empfehlung zur Klärung der Ätiologie und Risikoabschätzung erhalten.
EKG-Risikomarker leider unbeachtet
Bedauerlich erscheint, dass trotz überzeugender und international validierter Daten EKG-basierte Risikomarker keine Erwähnung finden. So war beispielsweise „Periodic Repolarization Dynamics“, ein EKG-basierter Marker der Sympathikus-assoziierten elektrischen Vulnerabilität, in der EU-CERT-ICD-Studie sowie in der DANISH-Kohorte nicht nur ein starker Risikomarker für den plötzlichen Herztod und maligne Arrhythmien, sondern konnte auch die Mortalitätsreduktion durch prophylaktische ICD-Implantation voraussagen (Lancet 2019, Circulation 2022).
Literatur-- „2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death“, Eur Heart J. 2022; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac262