Bessere Perspektiven für Clinician Scientists schaffen

DGK-Positionspapier-- Die DGK hat vor wenigen Jahren eine Task Force zusammengestellt, die sich mit Zukunftsperspektiven von forschenden Ärztinnen und Ärzten in der kardiovaskulären Medizin beschäftigen und eine gemeinsame Position entwickeln sollte.

Von PD Dr. Ingo Hilgendorf und Prof. Dr. Hendrik Sager Veröffentlicht:
Zu forschen ist für junge Ärzte und Ärztinnen oft schwer mit ihrer klinischen Tätigkeit zu vereinbaren.

Zu forschen ist für junge Ärzte und Ärztinnen oft schwer mit ihrer klinischen Tätigkeit zu vereinbaren.

© Getty Images/iStockphoto (Symbolbild mit Modellen)

Hintergrund für die Etablierung einer Task Force „Clinician Scientists in der kardiovaskulären Medizin“ war der allgemeine Eindruck, dass es an vielen akademischen Einrichtungen zunehmend schwieriger erschien, Mediziner*innen für eine Forschungstätigkeit begleitend zu ihrer klinischen Tätigkeit im Sinne eines Clinician Scientists zu motivieren. Um die komplexe Thematik adäquat und aus verschiedenen Perspektiven adressieren zu können, wurde die Task Force divers aus Direktoren kardiologischer Universitätskliniken, Universitätsprofessor*innen in der kardiovaskulären Forschung, Nachwuchsgruppenleitern, Ärzt*innen in der Weiterbildung und einer Studierenden zusammengesetzt. Zudem wurden zwei Umfragen an universitären kardiologischen Kliniken und Instituten in Deutschland durchgeführt.

30 von 36 Direktoren kardiologischer Abteilungen an deutschen Universitätskliniken machten Angaben zu Forschungsfreistellungen ihrer Mitarbeitenden. Demnach wurden an 24 Einrichtungen etwas mehr als 8 % der Assistenzärzt*innen über strukturierte Förderprogramme für Forschung freigestellt. Ergänzend erfolgten Freistellungen für Zeiträume zwischen 1 und 18 Monaten auf Abteilungskosten für wenige Mitarbeitende.

Prof. Dr. Hendrik Sager Deutsches Herzzentrum München

Prof. Dr. Hendrik Sager Deutsches Herzzentrum München

© Sager

PD Dr. Ingo Hilgendorf Universitäts-Herzzentrum Freiburg – Bad Krozingen

PD Dr. Ingo Hilgendorf Universitäts-Herzzentrum Freiburg – Bad Krozingen

© Hilgendorf

Die zweite Online-Umfrage unter etwa 1.900 Ärzt*innen an kardiologischen Kliniken fragte nach deren Erfahrungen mit und Einstellungen zu dem Thema „Forschung in der kardiovaskulären Medizin“. Diese Umfrage wurde von 20 % der Angefragten überwiegend aus Universitätskliniken auswertbar beantwortet – darunter Ärzt*innen in der Weiterbildung, mit Facharzttitel, mit Oberarztverantwortlichkeit oder berufene Professor*innen. Die Auswertung der Antworten erfolgte entsprechend dieser vier Qualifikationsgruppen.

Umfragen zur Situation undMotivation forschender Ärzt*innen

Über 70 % der ausgewerteten 374 Befragten gaben an, aktuell wissenschaftlich tätig zu sein – überwiegend in der klinischen Forschung, teilweise kombiniert klinisch und grundlagenwissenschaftlich. Über 40 % der Assistenzärzt*innen und 60 % der Oberärzt*innen bzw. Professor*innen leiteten eigene Forschungsprojekte.

Dennoch wurde weniger als der Hälfte der Befragten geschützte Forschungszeit gewährt, meist auch nur sporadisch. Gleichzeitig nannten die Befragten die „allgemeine Arbeitsbelastung“ und „zu wenig Zeit“ als Hauptgründe, welche ihre Kolleg*innen von Forschungstätigkeit abhalten würden. Interessant war, dass gerade Oberärzt*innen ihre klinischen Leistungen mehr als ihre Forschungstätigkeiten für karrierefördernd einschätzten. Fast 20 % der Oberärzt*innen aus der Befragung gaben sogar an, dass wissenschaftliche Tätigkeit wenig wichtig sei und vor allem die klinische Leistung zähle, um eine höhere Position zu erlangen. Der Anteil lag damit zwei- bis dreimal höher als bei Assistenzärzt*innen oder Professor*innen. Ein ähnliches Bild zeichnete sich bei der zentralen Frage ab, ob Clinician Scientist zu sein karrierefördernd sei (Abb. 1).

Abb. 1-- Einschätzung zu Karrierechancen von Clinician Scientists durch 118 Assistenzärzt*innen (AÄ), 93 Fachärzt*innen (FÄ),  110 Oberärzt*innen bzw. Sektionsleiter*innen (OÄ) und 53 W2/3 Professor*innen (Prof.).

Abb. 1-- Einschätzung zu Karrierechancen von Clinician Scientists durch 118 Assistenzärzt*innen (AÄ), 93 Fachärzt*innen (FÄ), 110 Oberärzt*innen bzw. Sektionsleiter*innen (OÄ) und 53 W2/3 Professor*innen (Prof.).

© https://doi.org/10.1007/s12181-022-00582-0

Diese Tendenz ist insofern bedenklich, als dass gerade den Oberärzt*innen eine Vorbildfunktion gegenüber dem medizinischen Nachwuchs zukommt. Andererseits waren es gerade die Oberärzt*innen, die am häufigsten angaben (67 %), dass zu forschen für sie attraktiver erscheine, wenn Universitäten mehr W2/W3-Professuren schafften. Entsprechend kristallisierten sich zwei Themenfelder aus den Diskussionen der Umfrageergebnisse heraus, die in den Empfehlungen aufgegriffen werden:

Bessere Rahmenbedingungen für Forschung durch Clinician Scientists,

Bessere Karriereperspektiven für Clinician Scientists.

Empfehlungen der DGK:Freistellungen und Anreize schaffen

In ihrem Positionspapier spricht sich die DGK für verbindliche Forschungsfreistellungen von etwa 10 % bis 20 % der Ärzt*innen aus, die ihre Facharztweiterbildung an Universitätskliniken absolvieren. Die Freistellung soll vorwiegend durch strukturierte Clinician Scientist-Programme und -Stellen realisiert werden und die gesicherte Forschungszeit mindestens 30 % der Regelarbeitszeit betragen.

Zudem sollen spezielle Anreize für Clinician Scientists angeboten werden, um die Sorge vor einem langsameren Vorankommen in der Klinik zu nehmen. Ein Beispiel hierfür wäre Forschungsfreistellungen modular in die Weiterbildung zu integrieren, auf Kosten klinischer Routinetätigkeiten, aber mit garantiertem Zugang zur interventionellen Ausbildung. Darüber hinaus müssen Clinician Scientist-Förderprogramme auch jenseits des Fachärzt*innen-Erwerbs konsequent fortgeführt werden (Advanced Clinician Scientists). Derlei spezialisiert ausgebildete forschende Kardiolog*innen können nachhaltig die deutsche kardiovaskuläre Forschungslandschaft stärken, wenn ihnen attraktive Zielpositionen im Sinne berufener Forschungsprofessuren geboten werden.

Wettbewerbsfähigkeit musserhalten werden

Die DGK hält eine Mindestzahl zwischen einer und drei Professuren je Abteilung für angemessen. Clinician Scientists können damit nicht nur die Leitung von Forschung und Klinik in ihrem Bereich der Expertise an universitären kardiologischen Abteilungen selber ausfüllen, sie können auch die Position eines Klinikdirektors, im Rahmen eigenständiger Universitätsprofessuren für wissenschaftliche Spezialgebiete, synergistisch ergänzen und erweitern. Die DGK ist überzeugt, dass Organisationsstrukturen in der universitären Kardiologie zukunftsweisend in diese Richtung entwickelt werden müssen, um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der akademisch-klinischen Institutionen in Deutschland erhalten zu können.

Kontakt-- PD Dr. Ingo Hilgendorf, Universitäts-Herzzentrum Freiburg – Bad Krozingen, Univ.-Prof. Dr. Hendrik Sager, Deutsches Herzzentrum München,

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