Epidemie Herzinsuffizienz: eine Herausforderung unserer Zeit
DGK-Jahrestagung-- Die diesjährige Jahrestagung der DGK findet vom 12. bis 15. April 2023 im Congress Center Rosengarten in Mannheim statt. Tagungspräsident Professor Lars Maier spricht über die Top-Themen des Kongresses.
Veröffentlicht:Das Motto der Jahrestagung lautet „Epidemie Herzinsuffizienz: Mechanismen erforschen, Herzen heilen!“. Warum haben Sie dieses Thema ausgewählt?
Ich habe dieses Thema gewählt, da die Herzinsuffizienz als häufigste Einweisungsdiagnose in unseren Kliniken mittlerweile als Volkskrankheit anzusehen ist. Im Zeitalter der nun hinter uns liegenden Pandemie habe ich allerdings den etwas griffigeren, und vielleicht provokanten Begriff, Epidemie gewählt. Auch wollte ich einen Kontrapunkt setzen zur Dekade der Krebserkrankungen, da Herzerkrankungen – und speziell die Herzinsuffizienz als gemeinsame Endstrecke der meisten Herzerkrankungen – uns bereits seit Jahrzehnten beschäftigen und auch noch das gesamte vor uns liegende Jahrhundert von allergrößter Bedeutung sein wird!
Die Erforschung und das Verstehen von neuen Mechanismen sehe ich als Grundlage unseres ärztlichen Handelns an. Als langjähriger Clinician Scientist liegt mir neben der Grundlagenforschung auch die translationale Forschung mit deutlich klinischem Bezug am Herzen. Schließlich soll das Heilen auf unsere ureigene ärztliche Kunst hinweisen, wie wir sie tagtäglich im engen Kontakt mit unseren Patientinnen und Patienten praktizieren. Heilen hat meines Erachtens in unserer Gesellschaft auch etwas mit dem Dienst am Nächsten zu tun. In der heutigen Zeit der ökonomisch getriggerten Prozessoptimierung und Ressourcenknappheit, auch im Gesundheitssystem, ist dieser Aspekt wichtiger als je zuvor!
Welche drei Top Themen oder Studien aus dem Bereich der Herzinsuffizienz werden die Kardiologie Ihrer Einschätzung nach in diesem Jahr besonders beschäftigen?
Nun, da ist zum einen die prognoseverbessernde Therapie mit den SGLT2-Inhibitoren in den Bereichen HFrEF, HFpEF, aber auch im Hinblick auf die Niere. Die Implementierung der bedeutenden Ergebnisse aus den Meilenstein-Studien der letzten Jahre (DAPA-HF, EMPEROR-Reduced, DELIVER, EMPEROR-Preserved, DAPA-CKD und EMPA-KIDNEY) werden uns 2023 und darüber hinaus weiter intensiv beschäftigen.
Aufgrund der Empfehlungen der aktuellen europäischen und amerikanischen Leitlinien werden wir uns auch zunehmend mit der intersektoralen Zusammenarbeit bei dem wichtigen Thema Herzinsuffizienz befassen. So ist eine rasche Implementierung der Vierer-Kombination aus RAAS-Inhibition (Sacubitril/Valsartan oder ACE-Hemmer), Betablocker, Aldosteron-Antagonist und SGLT2-Hemmer noch in der Klinik zwingend notwendig und die zeitnahe Auftitrierung dieser prognostisch wichtigen Medikamente in der ambulanten Versorgung durch unsere niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen von größter Bedeutung. Daher muss speziell bei der Herzinsuffizienz die Therapie Hand in Hand einhergehen.
Bei einer klinischen Verschlechterung hingegen ist eine zügige Wiedervorstellung in den Kliniken, vor allem den zertifizierten Herzinsuffizienz-Zentren, überaus wichtig! Es sollten dann weitere medikamentöse oder interventionelle Therapieprinzipien interdisziplinär diskutiert werden.
Schließlich werden uns alle Personalmangel, Kostendruck und Ressourcenmangel weiter beschäftigen. Meines Erachtens haben wir eigentlich jetzt schon weitgehend ausreichende Ressourcen im Gesundheitssystem. Das Problem ist aber eine gewisse Fehlverteilung. Dies betrifft beispielsweise das Pflegepersonal, das in kleinsten Kliniken, häufig in Nähe zu anderen kleineren Kliniken, eingesetzt wird. Hier könnte mit mehr Weitblick durch Konzentration von Ressourcen viel Gutes geschaffen werden.
Braucht eine kleinere Stadt oder ein Landkreis zwei oder drei Kliniken? Reicht es nicht für unsere Bevölkerung aus, wenn die einen oder anderen Kliniken zusammengelegt werden? Braucht man in einer Stadt mehrere Kliniken mit 24-Stunden-Rufbereitschaft zur Herzinfarktversorgung? Brauchen wir überhaupt 1.000 Katheterlabore in Deutschland? Genauso wichtig ist die Frage, ob wir nicht endlich auch genügend Produktionsstätten von Medikamenten und Materialien in unserem Land oder zumindest Europa vorhalten sollten, um nicht von Importen aus fernen Ländern abhängig zu sein? Lokale Produktionsstätten wären sicherlich auch gut für das Erreichen unserer Klimaziele.
Welche weiteren Schwerpunkte werden im Programm der Jahrestagung gesetzt?
Schwerpunkte sind neben der pharmakologischen Therapie natürlich auch die interventionelle Therapie der Herzinsuffizienz, die Komorbiditäten, die akute Herzinsuffizienz und der kardiogene Schock, sowie Pathophysiologie und neue Mechanismen bzw. neue potenzielle Therapieansätze bei Herzinsuffizienz.
Welche Sitzungen sollten die Teilnehmer*innen auf keinen Fall verpassen?
Ich denke, die Programmkommission unter der Leitung von Prof. Dr. Tanja Rudolph hat ein spannendes Programm zusammengestellt mit vielen topaktuellen Themen, bei denen für jede und jeden etwas dabei sein sollte. Ich möchte aber auch auf die Eröffnung des Kongresses am Donnerstagnachmittag um 17.45 Uhr hinweisen, da dort an verschiedenen Preisverleihungen hochkarätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch die Nationale Herz-Kreislaufstrategie (NHKS) mit dem Bundesgesundheitsminister diskutiert werden soll.
Hierzu gehören die Intensivierung von Grundlagen- und translationaler Forschung, der Aufbau eines interdisziplinären und intersektoralen Versorgungsnetzwerks, die Digitalisierung und intersektorale Zusammenarbeit und eine nationale Initiative zur Früherkennung von Risikopatientinnen bzw. -patienten. Eingerahmt wird dieses Highlight der Tagung von der national und international bekannten und mit mehreren Preisen dekorierten A-cappella-Formation SINGERPUR mit Regensburger Wurzeln. Ich freue mich bereits sehr und hoffe, dass viele kommen werden!
Was sind Ihre persönlichen Programm-Highlights bei der Jahrestagung?
Natürlich freue ich mich sehr auf die Hotline und Top Line-Sessions, sowie auf die vielen Abstract-Sessions unserer jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler! Schließlich hoffe ich, dass der geplante Spenden-Lauf im unteren Luisenpark zustande kommt – nicht zuletzt als ein Zeichen an die Politik und die Bürgerinnen und Bürger Mannheims, dass die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie auch in Sachen Prävention ihrer Verantwortung gerecht wird.
Geholfen hat hier mein früherer Zehnkampfkollege Uwe Kaliske, der in der Stadt Mannheim den Fachbereich Sport und Freizeit leitet. Vielen Dank!
Vielen Dank für das Gespräch!