Achtung bei seltsamen E-Mails

Kardio-Spams von Pseudo-Journalen

Raubverlage-- Pseudowissenschaftliche Verlage („Raubverlage“ oder „Predatory Journals“) stellen eine Gefahr für seriöse Wissenschaft und Literatur dar. Ihr Geschäftsmodell ist die Generierung von Einkommen durch Publikations-und Konferenzgebühren. Kardiologinnen und Kardiologen sollten wachsam sein.

Von Dr. Christopher Paul Bengel Veröffentlicht:
Die Abbildung zeigt beispielhafte Spam-E-Mails.

Die Abbildung zeigt beispielhafte Spam-E-Mails.

© [M] CN/Benge

Standards zur Einhaltung wissenschaftlicher und methodischer Qualität sind bei diesen Anbietern kaum vorhanden. Das Problem der vorgeblichen Fachjournale ist in der Literatur u. a. durch Antes, Beall, McKenzie und Türp ausführlich beschrieben worden [1–5]. In diesem Artikel sollen insbesondere junge Kardiolog*innen für die aufdringlichen Annäherungsversuche der Pseudo-Journale sensibilisiert werden.

Dr. Christopher Paul Bengel Krankenhaus Bad Soden

Dr. Christopher Paul Bengel Krankenhaus Bad Soden

© Bengel

Im Rahmen der Publikation zweier kardiologischer Fallberichte [6, 7] habe ich meine institutionelle E-Mail-Adresse im Internet veröffentlicht. Im Anschluss erhalte ich fortwährend trotz aktivierten Spam-Filters eine Fülle fragwürdiger und überraschender E-Mails, die hauptsächlich Aufforderungen zur Publikation in zweifelhaften Journalen enthalten. Weiterhin werde ich ermuntert, dem Editorial-Board dieser pseudowissenschaftlichen Zeitschriften beizutreten. Einige Kolleg*innen finden sich dort auch unfreiwillig wieder: „EC-Cardiology“ zum Beispiel führt im Editorial-Panel Wissenschaftler*innen auf, die sich schon lange vom herausgebenden E-Cronicon-Verlag distanziert haben [8] oder ohne ihr Wissen dort eingetragen sind [9]. Ein herzchirurgischer Kollege zeigt sich schockiert, seinen Namen auf dieser Website zu entdecken [10].

Nachdrückliche Einladung z. B. zu Scheinkonferenzen

Auffällige Gemeinsamkeit aller E-Mails ist die nachdrückliche Einladung: Wahlweise soll ich einen Bericht publizieren, ein Buchkapitel schreiben oder gleich Mitarbeiter werden. Ferner soll ich als Hauptredner auf Scheinkonferenzen an attraktiven Locations vortragen. Der „12th Annual International Congress of Cardiology 2022“ in Lissabon beispielsweise ist zum Zeitpunkt der Recherche schon lange vorüber. Die Registrierung für die schon vergangene Veranstaltung ist allerdings mit wenigen Clicks immer noch möglich [11]. Gebühr für drei Scheinkonferenz-Tage ohne Übernachtung oder Anreise: 2.049 $.

Liste mit Raubverlagen (2022)

Peers Alley Media (Kanada)-- Konferenzeinladung „2nd International Conference on Future of Preventive Medicine and Public Health“ (2022, London), Konferenzgebühr „Speaker“: 845$ Konferenzeinladung „5th International Conference on the Future of Nursing and Nursing Education“ (2022, Dubai), Konferenzgebühr „EarlyBird“: 599$

Publishers (Australien)-- Publikation „Annals of Case Reports & Reviews“, APC nicht erhältlich, Website nicht mehr erreichbar

AIMS Public Health (USA)-- Publikation „AIMS Public Health“, APC 300$

Fortune Journals (USA)-- Publikation „Cardiology and Cardiovascular Medicine“, APC 200-1500$; Publikation „Archives of Clinical and Biomedical Research“, APC 200-1500$

BIT Group Global Ltd. (China)-- Konferenzeinladung „The 12th Annual International Congress of Cardiology“ (2022, Lissabon), APC 1070$, Konferenzgebühr „Speaker“: 2,049$

London Journals Press (UK)-- Publikation (Journal nicht spezifiziert), APC nicht erhältlich; Publikation „London Journal of Research in Computer Science and Technology“, APC nicht erhältlich

E-Cronicon (UK)-- Publikation „EC Cardiology“, APCs Forschungsartikel, Review Artikel, Case Report (jew. 499$), Mini-Review, Kurzmitteilung (jew. 449$)

IntechOpen (UK)-- Publikation, APCs diverse „open access books“, Kapitel „Edited Volume“ 1,400 £, Kapitel „Book Series Topic“ (Annual Volume) 850 £, Monografie 10,000 £, Kompakte Monografie 4,000 £

Science Publishing Group (USA)-- Publikation „Cardiology and Cardiovascular Research“, APC 1070$, Editorial Board Membership, 2 Publikationen „Clinical Medicine Research“

MedEd Meetings (Indien)-- Konferenzeinladung „World Heart Conference“ (WHC 2022 in Singapur), Konferenzgebühr 149-499$, Konferenz auf unbestimmte Zeit verschoben

Xia & He Publishing (?)-- Publikation „Exploratory Research and Hypothesis in Medicine“, APC 800$, Editorial Board Membership

Acquaint Publications (USA)-- Publikation „Journal of Medical Case Reports and Case Series“, „Journal of Community Medicine and Public Health Reports“, APC nicht erhältlich, Website nicht mehr erreichbar

Open Access Journal of Surgery & Case Studies (USA)-- Publikation in Open „Access Journal of Surgery & Case Studies“, APC nicht ersichtlich auf der Website

APC = article processing charge (Publikationsgebühr)

Oft ähneln die Namen der Pseudo-Journale den Produkten seriöser wissenschaftlicher Zeitschriften. Fortune Journals etwa gibt Cardiology and Cardiovascular Medicine heraus. Auf der Homepage des seriösen Verlegers SAGE Publishing erscheint ein Portfolio ausgewählter Open Access Journals unter der Überschrift Cardiology & Cardiovascular Medicine. Zufall oder Absicht? Auch Cardiology and Cardiovascular Medicine führt auf seiner Website Kolleg*innen als Mitglied des Editorial-Boards auf, die weder zugestimmt haben, noch darüber informiert wurden [12].

Seltsame Begrüßungsfloskeln

Nahezu alle E-Mails beinhalten seltsame Begrüßungsfloskeln wie „Greetings“ oder „Dear Dr. Friend“. Überschwängliches Lob für einen zumeist fachfremden oder erkennbar fremdsprachigen Fallbericht wird ausgesprochen. Die offensichtlich nicht deutschsprachige BIT Group Global Ltd. fragt gleich fünf Mal einen „Talk as Speaker about Progrediente Dyspnoe beim Marathonl?ufer“ an. Hyperlinks führen meist auf unprofessionell erscheinende Webseiten ohne Impressum, dafür aber mit auffälligen Adressangaben. So gibt beispielsweise die Science Publishing Group auf ihrer Webseite ihre Adresse mit 1 Rockefeller Plaza, New York an. Wahrscheinlich ist sie jedoch in Pakistan beheimatet [13].

Für junge Kardiolog*innen ist der kostenlose Zugang zu wissenschaftlicher Literatur unverzichtbar. Die Veröffentlichung über Open Access hat jedoch häufig die unbeabsichtigte Kontaktaufnahme durch Predatory Journals oder Predatory Conferences zur Folge. Junge Wissenschaftler*innen sollten bei spontanen E-Mail-Anfragen hellhörig werden. Meist hilft der gesunde Menschenverstand: Seriöse Journals bitten Autor*innen nicht spontan um die Einreichung von Beiträgen, ebenso wenig um die Aufnahme ins Editorial-Board. Echte Veranstalter fordern nicht ungefragt fachfremde Wissenschaftler*innen zur Teilnahme als Hauptredner*in auf. Die betrügerischen Anfragen fallen durch gleichlautende Begrüßungsformeln, zusammenhanglose und fachfremde Publikationsaufforderungen, schlechtes Englisch sowie übermotiviertes Lob auf.

Online verfügbare Ressourcen wie z. B. Beall’s aktualisierte Liste [14], die CalTech Library Liste fragwürdiger Konferenzen [15] sowie die Denken-Prüfen-Einreichen Initiative [16] können jungen Kolleg*innen helfen, Predatory Journals und Predatory Conferences zu identifizieren.

Literatur beim Verfasser

Kontakt-- Dr. Christopher Paul Bengel, Kliniken Frankfurt-Main-Taunus, Krankenhaus Bad Soden, Medizinische Klinik I, Innere Medizin/Kardiologie,

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