Telemonitoring – Chance in der Herzinsuffizienztherapie

Telemedizin-- Durch Wearables, Smartphones und Smartwatches zeichnet ein Großteil der Bevölkerung täglich Daten auf, die Rückschlüsse auf Aktivität und Fitnesszustand erlauben. Im Freizeitkontext werden diese Daten häufig zur Verbesserung des Trainings, des Schlafs oder gar nicht genutzt.

Von Ben Schmermund Veröffentlicht:
Für Telemonitoring bei Herzinsuffizienz konnte in Studien ein Nutzen gezeigt werden.

Für Telemonitoring bei Herzinsuffizienz konnte in Studien ein Nutzen gezeigt werden.

© Andrii/stock.adobe.com

Auch in der Medizin sucht man nach Möglichkeiten, alltägliche Daten im Rahmen von Telemonitoring einzusetzen. Bereits seit 2016 hat Telemonitoring den Einzug in die Leitlinien für Herzinsuffizienz der European Society of Cardiology gehalten. Grundlage hierfür war, dass sich ein Nutzen von Telemonitoring bei Betroffenen einer Herzinsuffizienz in drei randomisierten, kontrollierten Studien gezeigt hatte. Doch was sind die wichtigsten Studien und Daten, die Young Cardiologists zu diesem Thema kennen sollten? Wir fassen für euch zusammen.

Welche signifikanten Effekte gibt es?

Mit Rund 456.000 stationären Behandlungen pro Jahr ist die Herzinsuffizienz hierzulande die am häufigsten vertretene Einzeldiagnose. Es leiden etwa 4,7 % der > 18-Jährigen an einer Form der Herzinsuffizienz. Im aktuellen Trend steigt die Prävalenz und wird durch verbesserte Akuttherapien und dem demografischen Wandel höchstwahrscheinlich weiterwachsen.

Patientinnen und Patienten mit Device-Therapie (Schrittmacher, Resynchronisationstherapie oder implantiertem Defibrillator) tragen ein Wearable allzeit mit sich. Durch Auslesen der Geräte können mittels Herzfrequenzen, Impedanzen, Pacing-Anteilen und körperlicher Aktivität Rückschlüsse auf den Krankheitsverlauf gezogen werden. Zudem können auch neu auftretende Arrhythmien, wie etwa Vorhofflimmern, frühzeitig erkannt und behandelt werden. Die prospektive Studie „In Time“ konnte bei Trägern von aktiven Devices mit linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) < 40 % eine Reduktion der Gesamtmortalität, sowie eines kombinierten Endpunkts aus u. a. Hospitalisierung, Morbidität und NYHA-Klassifikation zeigen. Es zeigte sich, dass vor allem Hochrisiko-Patientinnen und -Patienten sowie solche mit kardialer Resynchronisationstherapie vom Monitoring profitierten.

Bei der Datenauswertung kann KI helfen.

Bei der Datenauswertung kann KI helfen.

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Nun hat nicht jeder Betroffene mit Herzinsuffizienz auch eine Indikation zur Device-Therapie. Für diese Patientengruppe wurde in der TF HIM 2-Studie nicht invasives Telemonitoring durch Pulsoxymetrie, Blutdruck-Messung, regelmäßiges Wiegen und Tele-EKGs untersucht. Auch hier konnte eine signifikante Steigerung der nicht von ungeplanter Hospitalisierung betroffenen Tage und der Gesamtmortalität erreicht werden.

Wichtig für ein Nutzen des Monitorings scheint eine regelmäßige, automatische Datenübertragung von anpassbaren Parametern und Alerts sowie die Verarbeitung von Daten in Telemonitoring-Zentren zu sein, die mindestens während der Arbeitstage (Montag-Freitag) tagsüber durchgehend verfügbar sind.

Aufgrund dieser Studien hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) 2021 die Indikation für Telemonitoring in Deutschland bei Personen mit LVEF < 40 %, Belastungsdyspnoe NYHA II–III, Vorhandensein eines Devices oder stationärer Aufnahme wegen kardialer Dekompensation in den letzten 12 Monaten und gleichzeitig leitliniengerechter Herzinsuffizienz-Therapie gestellt. Darüber hinaus wird aktuell in der PASSPORT-HF-Studie eine Indikation für passives Telemonitoring mittels implantiertem Pulmonalisdrucksensor evaluiert. In der amerikanischen CHAMPION-Studie konnte mit den passiven Sensoren die Hospitalisierung nach bis zu 15 Monaten reduziert werden. Zudem zeigte die Monitor-HF-Untersuchung als Wirksamkeitsstudie zum CardioMEMS-HF-Systems (= Pulmonalisdrucksensor) eine Verbesserung der Lebensqualität sowie eine Reduktion der Hospitalisierung bei Betroffenen mit Sensor.

Offene Fragen bei der großflächigen Umsetzung

Doch wie praktikabel ist Telemonitoring? Technische Voraussetzungen, Compliance und Infrastruktur bestehen nicht flächendeckend. Erfreulicherweise konnte aber gezeigt werden, dass weniger als 1 % der Patientengruppe der „In-Time“-Studie keine adäquate Datenübertragung innerhalb des ersten Monats erreichen konnten. Auch übermittelten nur 3 % der überlebenden Patientinnen und Patienten nach einem Jahr keine weiteren Daten mehr.

Ein relevanter Kritikpunkt gegenüber der Praktikabilität ist der immense Aufwand von extra eingerichteten Telemonitoringzentren. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) wird hierzu aktuell bewertet und könnte zukünftig Erleichterung bringen, um die übertragenen Datenmengen auszuwerten und beizubehalten.

Aktuell ist es ertragreicher, ein eigenes Telemonitoringzentrum aufzubauen, als sich in ein größeres Netzwerk einzugliedern. Eine angepasste Vergütung könnte dieses Ungleichgewicht austarieren, sodass initiale Telemonitoring-Daten durch Expertinnen und Experten in großen Zentren vorselektioniert und an das Netzwerk der direkt behandelnden Ärztinnen und Ärzte weiterversendet werden.

Die Informationssysteme sind aktuell herstellerspezifisch. Eine flächendeckende Nutzung würde durch eine gemeinsame Plattform oder kompatible Schnittstellen profitieren.

Vor allem Hochrisiko-Patienten profitieren vom Monitoring.

Das strukturierte Einsetzen von Telemonitoring ermöglicht durch frühzeitiges Eingreifen einer drohenden kardialen Dekompensation vorzubeugen und damit die Hospitalisierungen zu reduzieren. Eine Reduktion der Krankenhausaufenthalte bedeutet für diese Patientengruppe nicht nur eine Steigerung der Lebensqualität, sondern verbessert ihre Überlebensprognose. Zudem können Arrhythmien früher festgestellt und so wahrscheinlich das Schlaganfallrisiko minimiert werden. In einer alternden Gesellschaft und steigender Herzinsuffizienz-Prävalenz ist das Telemonitoring ein Schritt in Richtung individualisierter Medizin.

Bislang ist Telemonitoring noch kein fester Bestandteil der kardiologischen Weiterbildung, wird aber zweifellos eine zunehmende Bedeutung erlangen. Wer daher die Möglichkeit hat, erste Einblicke zu sammeln (im Rahmen einer kurzen Rotation oder externer Hospitationen), sollte diese unbedingt nutzen. Hierfür bieten sich die Device- und Herzinsuffizienz-Spezialambulanzen großer Zentren an.

In strukturierten Programmen hat Telemonitoring das Potenzial, Gesamtmortalität, die Hospitalisierungsrate und Lebensqualität bei Personen mit Herzinsuffizienz unabhängig von einer Device-Therapie zu verbessern.

In einer alternden Gesellschaft erleichtert Telemonitoring eine individuell angepasste Therapie.

Aktuell besteht noch keine flächendeckende Infrastruktur für den Einsatz von Telemonitoring in der täglichen Patientenversorgung.

Die aktuelle Vergütung vernachlässigt Anreize für behandelnde Ärztinnen und Ärzte, sich an bestehende Strukturen anzubinden und fördert kleine, nicht vernetzte Telemonitoringzentren.

Kontakt-- Ben Schmermund, Assistenzarzt für Innere Medizin und Kardiologie, Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim, B.Schmermund@kerckhoff-klinik.de

Literatur beim Verfasser

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