Trotz Studienflut den Überblick behalten
Expertenwissen-- Die Ergebnisse klinischer Studien treiben das medizinische Wissen um die besten Behandlungsoptionen in der Kardiologie bzw. der Medizin generell voran und leiten unser Handeln.
Veröffentlicht:Ausgerechnet in einer Zeit, in der zwischen Dokumentation und Administration selbst die Zeitspanne für den Patientenkontakt oder die richtige medizinische Entscheidung immer mehr unter Druck gerät, wächst das medizinische Wissen exponentiell an. Schätzungsweise müssten wir ungefähr 20 Stunden täglich lesen, um wirklich den Überblick über die Primärliteratur zu behalten. Doch wann sollen wir dann unsere Patientinnen und Patienten behandeln oder gar schlafen? Wir benötigen also eine Strategie, um in der Studienflut nicht unterzugehen.
Pflicht: ESC-Leitlinien-Publikationen
Meine ganz persönliche Strategie, die ich aus einem viel beachteten Blog-Artikel abgeleitet habe, will ich im Folgenden gerne mit allen Young Cardiologists teilen: Als oberste Pflichtübung versuche ich die aktuellen Leitlinienpublikationen der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) mitzuverfolgen. Hierzu bietet sich der Blick auf das „Guidelines Publication Schedule“ der ESC an, das aktuelle und zukünftig erscheinende Leitlinien ankündigt und katalogisiert. Alle Leitlinien der ESC erscheinen im European Heart Journal.
Ein nächster Baustein ist das Abonnieren und regelmäßige Querlesen der kostenlos verfügbaren Inhaltsverzeichnisse (= eTOC) der großen Fachjournale – mit dem Ziel, große Primärpublikationen zeitnah überhaupt wahrzunehmen. Hier gilt es, das richtige Maß zu finden, um schon von der Anzahl der regulär zugehenden Nachrichten nicht erschlagen zu werden. Eine Beschränkung auf das „Kardiologie“-Abonnement des New England Journal of Medicine, das European Heart Journal und das Journal of the American College of Cardiology erscheinen schon optimistisch.
Je nach Subdisziplin besteht vermutlich noch der Wunsch nach spezielleren Fachpublikationen. Ein Abonnement der Inhaltsverzeichnisse ist auch bei kleineren Journalen fast immer möglich. Über das Web of Science (zuvor Web of Knowledge) bietet sich für institutionelle Nutzer mit dem Wunsch nach einem einheitlichen Benachrichtigungsformat ebenfalls die Möglichkeit, strukturierte E-Mailbenachrichtigungen über die Inhaltsverzeichnisse zu erhalten. Zudem besteht der Vorteil, dass die größtenteils kostenpflichtigen Artikel über institutionelle Abonnements auch direkt abgerufen werden können.
Der in Teilen kostenpflichtige Dienst „NEJM JWatch“ ist ein redaktioneller Service der Massachusetts Medical Society mit dem Ziel, Leserinnen und Leser aus einem Fachgebiet, u. a. auch aus der Kardiologie, eine kurz kommentierte Zusammenfassung der aktuellen, relevanten Publikationen in regelmäßigen Intervallen zur Verfügung zu stellen.
Bei wissenschaftlicher Aktivität geht es bei einigen von Euch sicher auch darum, speziellere Themengebiete, Schlagworte oder auch Autor*innen zu verfolgen. Der bekannte Service „Pubmed“ der National Library of Medicine, USA bietet über einen kostenfreien Account die Möglichkeit, Suchanfragen abzuspeichern und im Intervall Updates zu den Suchergebnissen zu erhalten („Advanced Search“) – ein im Hinblick auf die eigenen Wünsche sehr flexibles Werkzeug. Der deutsche Service ResearchGate (eine Art soziales Netzwerk für Wissenschaftler*innen) erlaubt das komfortable Folgen von Publikationen der Kolleg*innen aus dem eigenen Spezialgebiet. Bei all diesen Möglichkeiten gilt es aber, nicht gleich in der nächsten Flut, nämlich der der automatisierten Suchergebnisse, unterzugehen. Viel Erfolg dabei!
Literatur beim Verfasser
Kontakt-- Dr. med. Christoph Ahlgrim, Universitätsklinikum Freiburg