Wo stehen wir nach 14 Jahren CPU-Zertifizierungskampagnen?
Chest Pain Units-- Die Auswertungen der Versorgungsprozesse aus dem Chest-Pain-Unit-Register zeigen eine sehr gute innerklinische Struktur der zertifizierten Einheiten, weisen aber auch auf verbliebene präklinische Lücken hin.
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Abb. 1-- Registerauswertungen zeigen: CPUs sind schnell, sicher und effizient. (Symbolbild mit Fotomodellen)
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Parallel zum Start der Chest-Pain-Unit- (CPU)-Zertifizierungskampagne wurde das deutsche CPU-Register eingerichtet. Ziel war es, die Leistung der CPUs longitudinal und transversal zu messen und zu vergleichen. Seit dem Registerstart wurden insgesamt 19 Originalarbeiten publiziert, die sich insbesondere mit der Qualität der Versorgung bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom befassen. Das CPU-I- und das CPU-II-Register wurden sowohl von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie als auch von der Deutschen Herzstiftung in Teilen gefördert. Insbesondere die nach 2020 erschienenen drei letzten Arbeiten, adressieren ein speziell gefördertes Teilprojekt.
In der ersten Dekade wurden insgesamt 34.234 Patientinnen und Patienten in das Register (CPU-I und CPU-II) eingeschlossen. Die Datenerhebung erfolgte zentral über die Stiftung Institut für Herzinfarktforschung. Sowohl große akademische Zentren im städtischen Bereich als auch kleinere kommunale Häuser in ländlichen Regionen nahmen am Patienteneinschluss teil. Damit lieferte das CPU-Register lange Jahre landesweite Daten zur aktuellen Versorgungsrealität von Brustschmerzpatienten in Deutschland. Die Rücklaufquote aus den zertifizierten Einheiten war zuletzt jedoch leider gering, sodass der weitere Einschluss in das Register kürzlich eingestellt wurde. Auch die jüngste Aktualisierung der Zertifizierungskriterien sieht kein nationales Qualitätsbenchmarking mehr vor.

Abb. 2, CPU-Optimierungsstrategien-- Ein mögliches Konzept zur weiteren Verbesserung der Chest-Pain-Unit-Performance: Stärkere präklinische Vernetzung und Transfer in die Öffentlichkeit.
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Präklinisches Management und ST-Streckenhebungsinfarkt
Patienten mit präklinisch diagnostiziertem ST-Streckenhebungsinfarkt erreichen meist direkt das Herzkatheterlabor. Die Steuerung übernehmen in der Regel aber die jeweiligen CPUs, die damit einen wichtigen Part in der Kommunikation mit den lokalen Notfalldiensten übernehmen. Bei allen Infarktpatienten blieb jedoch die lange Patientenentscheidungszeit zur Selbstvorstellung oder Rettungsdienstalarmierung eine fortbestehende Schwäche. Bei Primärvorstellung über den Hausarzt zeigten sich indes Interventionsverzögerungen von bis zu 20 Stunden. Weitere Analysen belegen, dass diese Verzögerung selbst bei Patienten mit originär niedrigem Risikoprofil hinsichtlich des Auftretens schwerer Ereignisse relevant war.
Für den mit etwa 13 % geringen Anteil an Hebungsinfarktpatienten mit Selbstvorstellung ergaben sich gute innerklinische Versorgungszeiten. Die „door-to-balloon“-Zeiten lagen im Median bei 40 Minuten; selbst außerhalb der Regelarbeitszeit zeigte sich keine relevante Abweichung. Es ist sehr erfreulich, dass sich diese Zeiten positiv von anderen Vergleichsstudien und Registeranalysen abheben.

Prof. Dr. Frank Breuckmann, Klinik Kitzinger Land, Kitzingen
© Breuckmann
Troponin-positives NSTE-ACS
Bei beinahe dreiviertel der Patienten mit erhöhten Troponinwerten und/oder einer relevanten Troponindynamik konnte eine „culprit lesion“ identifiziert und therapiert werden. Leitliniengerecht erfolgte die Intervention bei knapp 90 % der Patienten innerhalb der ersten 24 Stunden nach Vorstellung, obwohl in den Auswertungen auch auffiel, dass mit nur 17 % der Fälle der Anteil an Patienten mit einer Intervention binnen der ersten zwei Stunden niedrig blieb. Hochrisikokriterien führten paradoxerweise sogar häufiger zu einer Verzögerung der Invasivstrategie. Mit Blick auf die aktualisierten Leitlinien scheint dies nunmehr aber eher vernachlässigbar zu sein.
Troponin-negatives NSTE-ACS
Dieses Kollektiv ist mitunter etwas schwieriger zu bewerten, da gerade hier ein Paradigmenwechsel in der Notwendigkeit der Invasivabklärung im Rahmen der letzten Leitlinienüberarbeitung stattgefunden hat. Während in den Publikationen zur Registerauswertung noch ein zu langer Entscheidungsprozess und mit etwa 60 % eine zu geringe Rate an Koronarangiografien kritisiert wurden, wäre dieses Vorgehen nach heutiger Empfehlungslage im Wesentlichen korrekt. Die geringe Interventionsrate bei den Koronarangiografien sowie die geringe Ereignisrate im Follow-up stützen diese Hypothese.
Risikostratifizierung und Bildgebung
Über die Hälfte der Patienten, die sich in der CPU vorstellen, zeigen initial weder EKG-Veränderungen noch Troponinbewegung. Viele weisen ein Niedrigrisikoprofil auf. Unterschiedliche Prognosemarker ließen sich identifizieren, darunter Leitsymptome wie Tachykardie und Bradykardie sowie Dyspnoe, suggestive Risikofaktoren wie Geschlecht und Nikotin, aber auch differenzialdiagnostische Probleme wie akute Lungenembolie, obgleich die kardiale Bildgebung – allen voran die Echokardiografie und mit etwas Abstand dahinter die CT-Diagnostik – in den CPUs bereits omnipräsent, schnell und gezielt eingesetzt wird.
Limitationen und Lücken in der Versorgung
Unstrittig ist, dass die sich lediglich auf freiwillige Basis stützende Teilnahme an der Registerarbeit einen Selektionsbias begründet – nur etwa 20 % der zertifizierten Zentren übermittelten Daten. Dennoch weisen die Ergebnisse klar auf das Thema der Patientenentscheidungszeit als kritisches Problem hin. Hier gilt es, neue Konzepte zu schaffen, die über das reine CPU-Konzept hinausgehen. Ein Transfer der CPU-Idee in die Bevölkerung und in den präklinischen Sektor stellt ein innovatives Betätigungsfeld dar, das über reine Awarenesskampagnen hinausgeht und die CPUs der breiten Öffentlichkeit besser öffnen soll. Optimalerweise würden solche Projekte von Registerarbeit begleitet. Die Neugründung der AG 44 Akuter Thoraxschmerz bietet hierfür eine tolle Chance.
Fazit
Die Daten des CPU-Registers bieten einen umfassenden Überblick über den aktuellen Versorgungsstandard in deutschen CPUs.
Die innerklinische Versorgung in den zertifizierten CPUs verläuft grundsätzlich leitlinienkonform – Bevölkerung und präklinische Versorgungsstrukturen sollten besser adressiert werden.
Die Neuentwicklung eines CPU-Benchmarkings stellt ein zentrales Moment der Arbeit der neuen AG 44 Akuter Thoraxschmerz dar.
Eine zentrale Datenerhebung, gestützt durch entsprechende obligate Mindestanforderungen in Zertifizierungsupdates, könnte dabei hilfreich sein.
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Kontakt-- Prof. Dr. med. Frank Breuckmann, Klinik Kitzinger Land, Kitzingen; frank.breuckmann@k-kl.de