Das eCardiology-Jahr 2023

Berufsfeld-- Neue Technologien werden in den klinischen Alltag implementiert werden (müssen). Das wird auch das ärztliche Berufsfeld ein Stück weit neu definieren. Im Interview mit Prof. Benjamin Meder, Sprecher des eCardiology-Ausschusses der DGK sowie Prof. Peter Radke und Prof. David Duncker, ebenfalls eCardiologyprägend, beleuchten wir spannende Aspekte des eCardiology-Jahres 2023.

Ein Interview von PD Dr. Philipp Breitbart und Dr. Hannah Billig Veröffentlicht:
Die Digitalisierung hat schon in die Praxis Einzug gehalten, die Lehre hinkt aber noch hinterher. Arkadiusz Wargula/Getty Images/iStock

Die Digitalisierung hat schon in die Praxis Einzug gehalten, die Lehre hinkt aber noch hinterher.

© Arkadiusz Wargula/Getty Images/iStock

Liebe Kollegen, 2023 war das Thema eCardiology in aller Munde. Was stach dabei für Euch in den letzten 12 Monaten heraus?

Prof. Peter Radke-- Mitglied Leitungsgremium eCardiology Radke

Prof. Peter Radke--

© Radke

Peter Radke: Wir haben als Highlight auf der DGK Jahrestagung erlebt, wie sichtbar digitale Themen inzwischen geworden sind und welche Dynamik sie erfahren. Als Ausschuss eCardiology durften wir erneut im Ella & Louis eine Räumlichkeit über den kompletten Kongress ausschließlich mit digitalen Sitzungen und Workshops bespielen. Insbesondere mit unserem Programm dort aber auch bei anderen Veranstaltungen wie beispielsweise Akademiekursen der Young DGK konnten wir uns mit anderen Arbeitsgruppen vernetzen und diese in unsere Angebote einbeziehen.

David Duncker: Auffällig war 2023, dass beispielsweise auf dem ESC-Kongress in Amsterdam digitale Themen nicht nur auf der separaten „eCardiology Area“ behandelt wurden, sondern inzwischen sukzessive auch in die Hauptprogramme der einzelnen kardiologischen Subdisziplinen integriert sind.

Benjamin Meder: Bislang hätte ich nie geglaubt, dass künstliche Intelligenz (KI) zuverlässig in der Echokardiografie anwendbar ist. Die Subjektivität dieser Modalität ist durch die individuell variierenden Bildqualitäten und Schnittebenen sehr hoch – anders als beispielsweise beim MRT mit seinen standardisierten Datensätzen. Diesbezüglich hat 2023 einen Durchbruch gebracht, da nun wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte, dass sich KI mit einer hohen Effizienz auch im Bereich der Echokardiografie einsetzen lässt; entsprechende Produkte wurden zugelassen.

Das klingt nach einer tollen Entwicklung, doch welche Herausforderungen ergeben sich daraus?

Prof. Benjamin Meder-- Sprecher des eCardiology-Ausschusses Meder

Prof. Benjamin Meder-- Sprecher des eCardiology-Ausschusses

© Meder

BM: Durch den Einsatz von KI in der Echokardiografie, zur automatischen Befundung aber sogar in verschiedenen Formen auch zur Bildakquise stellt sich zwangsläufig die Frage, wie wir dann noch junge Kolleginnen und Kollegen adäquat ausbilden können. Wie kommen sie auf ihre Untersuchungszahlen bzw. können ein adäquates Wissen erlangen – nicht nur zur Untersuchungsmethode, sondern auch zu den untersuchten Krankheitsbildern? Lassen wir beispielsweise die KI ihre Untersuchungen überprüfen?

Grundsätzlich erscheinen Aus- und Weiterbildungsprogramme bezüglich eCardiology derzeit noch eine Rarität zu sein?

BM: Die Digitalisierung wird in der medizinischen Aus- und Weiterbildung grundsätzlich stiefmütterlich behandelt – bedingt natürlich auch durch einen Mangel an Experten. Vor diesem Hintergrund müssen wir die Lehre effizienter gestalten und skalierbare Lösungen entwickeln.

Prof. David Duncker-- Ausschuss Events, Education & Media Duncker

Prof. David Duncker--

© Duncker

DD: Zwar hat die Implementierung entsprechender Aus- bzw. Weiterbildungskonzepte bei den Ärztekammern und Fachgesellschaften noch nicht die höchste Priorität erlangt, doch entsprechende Konzepte liegen bereit. Digitale Fähigkeiten werden zukünftig ebenso als medizinische Kompetenzen gelten müssen wie beispielsweise die Anamneseführung oder die Erhebung eines Vitalstatus.

PR: Die digitale Ausbildung muss bereits im Studium beginnen. Die jüngeren bzw. kommenden kardiologischen Generationen sind zwar alle „Digital Natives“, dies macht sie aber nicht automatisch zu Experten in der digitalen Medizin mit spezifischen Themen wie Datenschutz oder Patientenmiteinbeziehung. In der Weiterbildung könnte die digitale Medizin dann auf einem nächsten Level mit Fokus auf kardiologische Subthemen gelehrt werden – bspw. die Rhythmusdetektion mittels Apps und Wearables. Ein digitales Basiswissen sollte Teil unserer geforderten Facharztkompetenzen sein.

Die angesprochene Rhythmusdetektion mittels digitaler Applikationen wurde in den letzten Jahren heiß diskutiert. Gab es hier neue Erkenntnisse?

DD: Durch große Screeningstudien wie Strokestop konnten wir erfahren, wer im Verlauf Vorhofflimmern entwickelt. Somit können wir nun basierend auf diesen Daten und KI festlegen, welche Patienten wir im Verlauf intensiver beobachten müssen – durch Kontrolltermine oder Rhythmusüberwachung mittels Apps und Wearables. Nicht jeder Patient benötigt repetitive EKG-Untersuchungen, sondern nur diejenigen mit einem erhöhten Risiko. Ziel ist ein effizienterer Einsatz unserer Ressourcen.

Um das Thema eCardiology auch für kommende kardiologische Generationen interessant zu gestalten, kooperiert der Ausschuss eng mit der Young DGK und bezieht sie in den Nukleus und die Teilausschüsse mit ein …

PR: Wir können so digitale Themen für die junge Kardiologie sichtbar machen und gemeinsam gestalten. So schaffen wir Verständlichkeit und kreieren passende Implikationen digitaler Applikationen in den klinischen Alltag. Die Mitglieder der Young DGK im Ausschuss eCardiology sind unser dynamischer Jungbrunnen und übernehmen Verantwortung.

Lasst uns gemeinsam auf das Jahr des eCardiology-Ausschuss blicken.

BM: Wir konnten einige Konzepte hinsichtlich der Organisationsstruktur des Ausschusses anstoßen. Noch vor der Jahrestagung 2024 wollen wir hier konkrete Ergebnisse umsetzen. Unser großes Ziel ist es, eine inhaltlich offene Plattform zu schaffen, in der sich Interessierte niederschwellig engagieren und einbringen können. Wir sehen den Ausschuss grundsätzlich im Kontext der digitalen Transformationsphase in der Medizin, die wahrscheinlich noch fünf bis zehn Jahre andauert. Danach haben wir digitale Themen vielleicht so in jede kardiologische Subspezialisierung bzw. in jedes Themengebiet implementiert, dass es uns als Ausschuss gar nicht mehr braucht.

PR: Jeder Teil-Ausschuss hat in seinem Themenfeld viel geleistet. In meinem Bereich war dies primär eine Kooperation mit Amboss, das von den meisten Studierenden als Online-Lernplattform genutzt wird. Wir versenden dort nun die DGK-Leitlinientelegramme als Pushnachrichten an alle Nutzer – damit erreichen wir rund 90 % aller Studierenden. So bewirken wir in einem frühen Stadium der Ausbildung mehr Sichtbarkeit und Begeisterung für die Herzmedizin.

Vielen Dank für das Gespräch!

Prof. Benjamin Meder (links) im Interview mit Dr. Hannah Billig (Mitte) und PD Dr. Philipp Breitbart (rechts). Breitbart

Prof. Benjamin Meder (links) im Interview mit Dr. Hannah Billig (Mitte) und PD Dr. Philipp Breitbart (rechts).

© Breitbart

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