Mensch gegen Maschine: Wer sagt besser voraus?

KI in der Neurologie--

Von Dr. Thomas M. Heim Veröffentlicht:

Rekanalisierungsverfahren erlauben eine sehr effiziente Behandlung ischämischer Schlaganfälle. Allerdings, so Prof. Susanne Wegener, Neurologie, Uni Zürich, seien auch nach Einsatz von Lyse und mechanischer Thrombektomie mehr als die Hälfte der Behandelten von mindestens mittelschweren Behinderungen betroffen, d. h., einem Wert von ≥ 3 auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS). Eine Unterstützung durch KI mit dem Ziel einer Verbesserung der Erfolgsquote sei v. a. bei schwierigen Entscheidungen (Rekanalisierungstherapie im erweiterten Zeitfenster, ungünstige Prognosefaktoren z. B. hohes Alter) denkbar.

KI gegen erfahrene Fachleute

Um herauszufinden, ob eine Deep-Learning-Modell so trainiert werden kann, dass es eine geeignetere Herangehensweise findet, die prognostisch aussagekräftigsten Parameter im individuellen Fall am stärksten zu gewichten, ließen Wegener und Mitforschende ein Maschinenlern-Modell gegen ein Team fünf erfahrener Schlaganfallexpertinnen und -experten antreten. Die Aufgabe war, bei 50 wegen eines Mediainfarktes Thrombektomierten den mRS-Wert nach drei Monaten vorherzusagen und eine binäre Einschätzung abzugeben, ob der mRS ≤ 2 oder größer ist.

Die beste Performance zeigte das Modell, wenn es eine Kombination aus klinischen und bildgebungsgenerierten Daten nutzte. Bei der binären Prognosestellung allein anhand der klinischen Daten erreichten sowohl das Maschinenlern-Modell als auch das ärztliche Team eine Vertrauenswahrscheinlichkeit (accuracy) von 60 %. Standen aber Bildgebungsdaten zur Verfügung, dann war die künstliche Intelligenz der menschlichen signifikant überlegen. Mit der Kombination aus Klinik und Bildgebung erreicht die KI eine Vertrauenswahrscheinlichkeit von 72 %, das Team von Expertinnen und Experten nur von 64 %.

Vom selbstlernenden Modell lernen?

Interessant sei, dass das Modell in der erwähnten Studie andere Gehirnregionen am stärksten berücksichtigte als es die Experten taten. So gebe das Modell einem lokalen Ödem ein höheres Gewicht in Bezug auf eine ungünstige Prognose als der Größe der eigentlichen Läsion. Bei Schlaganfällen mit mehreren Ischämieherden wich die Auswahl der von der KI als prognostisch besonders bedeutsam eingeschätzten Herde ebenfalls vom menschlichen Urteil ab.

Fazit

In einem Wettbewerb um die präzisere Prognose des Behinderungsgrades nach Schlaganfall und Thrombektomie trat ein Maschinenlern-Modell gegen erfahrene Schlaganfallexperten an.

Bei einer Kombination aus klinischen und Bildgebungsdaten schnitt die KI bei der Prognose um 8 Prozentpunkte besser ab.

Das Modell setzte für die Vorhersage andere Schwerpunkte als die Menschen.

Quelle-- Wegener S: Decision support with AI: Real world applications in acute neurology. 9. EAN-Kongress, Budapest, 1.–4.7.2023

Schlagworte: