Wie sich Chat GPT im Interview schlägt

ChatGPT im Interviewtest

Von Carola Göring Veröffentlicht:
Nicht nur zuverlässig – ChatGPT. Frank Rumpenhorst/dpa

Nicht nur zuverlässig – ChatGPT. Frank Rumpenhorst/dpa

© Frank Rumpenhorst/dpa

Wie schlägt sich ChatGPT als Interviewpartner in einem kardiologischen Forschungszweig? Drei exemplarische Antworten zeigen, was die generative KI kann.

In unserem Test habe ich ChatGPT die gleichen Fragen gestellt wie Prof. Andreas Daiber (Mainz), der diesem Vergleichstest zugestimmt hat (siehe Interview oben). Da ChatGPT trotz der Aufforderung sich kurz zu fassen, die Fragen eher umfangreich mit einigen Redundanzen beantwortet hat, beschränken wir uns auf drei exemplarische Antworten.

Im Vorhinein habe ich ChatGPT gefragt, ob er für eine Experten-Interview zum Thema „Exposom-Konzept und kardiovaskuläre Erkrankungen“ zur Verfügung stehet. „Ja, sehr gerne …“, lautete die Antwort. Weiter habe ich den Chat informiert, dass die Leserinnen und Leser seiner Antworten Fachärzte seien und ihn gebeten, sich möglichst kurz zu fassen und Quellen zu seinen Aussagen zu nennen. Hier nun die Antworten, die angegebenen Quellen wurden geprüft und direkt im Antwort-Text kurz kommentiert.

Welche „Verschmutzungen“ gehen in das Exposom-Konzept ein und was für konkrete Zusammenhänge und Zahlen sind bekannt?

ChatGPT: Im Exposom-Konzept werden verschiedene Arten von Verschmutzungen und Expositionen berücksichtigt, die einen Einfluss auf die Gesundheit haben können. Hier sind einige Beispiele für Verschmutzungen, die im Exposom-Konzept einbezogen werden:

1. Luftverschmutzung: Dies umfasst Schadstoffe wie Feinstaub (Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern, PM2,5), Stickstoffdioxid (NO2), Ozon (O3), Schwefeldioxid (SO2) und flüchtige organische Verbindungen (VOCs). Studien haben gezeigt, dass eine hohe Exposition gegenüber Luftverschmutzung das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen kann.

2. Lärmexposition: Lärm, insbesondere chronische Exposition gegenüber Verkehrslärm, kann negative Auswirkungen auf die kardiovaskuläre Gesundheit haben. Es besteht eine Verbindung zwischen Lärmexposition und Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfällen.

3. Chemikalien und Schadstoffe: Dazu gehören Pestizide, Schwermetalle, Industriechemikalien und andere toxische Substanzen, denen Menschen in verschiedenen Umgebungen wie Arbeitsplätzen, Wohngebieten oder durch kontaminierte Lebensmittel ausgesetzt sein können. Bestimmte Chemikalien können das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.

Es ist wichtig anzumerken, dass die konkreten Zusammenhänge und Zahlen zwischen diesen Verschmutzungen und kardiovaskulären Erkrankungen von verschiedenen Faktoren abhängen, wie zum Beispiel der Expositionsstärke, der Dauer der Exposition, individuellen genetischen Faktoren und der Gesamtheit anderer Einflussgrößen. Die genauen Zahlen variieren daher je nach Studie und Bevölkerungsgruppe.

Hier sind einige Referenzen zu wichtigen Studien, die Zusammenhänge zwischen Verschmutzungen und kardiovaskulären Erkrankungen untersucht haben:

1. Laden et al. Association of Long-term Exposure to Transportation Noise and Traffic-Related Air Pollution with the Incidence of Diabetes: A Prospective Cohort Study. Environmental Health Perspectives. 2018;126(7): 077004.

—> Diese Referenz ist falsch, es gibt die Autorin Francine Laden, die auch zum Thema publiziert hat, aber nicht in der genannten Referenz. Der Titel wurde 2017 im genannten Journal, aber einer anderen Ausgabe [125(8):087025] von Charlotte Clark publiziert. Unter der genannten Referenz 126(7):077004 findet sich ein Artikel von El-Masri HA et al. mit dem Titel: Evaluation of a Physiologically Based Pharmacokinetic (PBPK) Model for Inorganic Arsenic Exposure Using Data from Two Diverse Human Populations.

Von den weiteren 3 angeführten Quellen ist nur eine korrekt.

Was sind wichtige Studien und ihre Ergebnisse, die das Ausmaß der Umweltstressoren auf die kardiovaskuläre Gesundheit zeigen?

ChatGPT: Hier sind einige wichtige Studien, die das Ausmaß der Umweltstressoren auf die kardiovaskuläre Gesundheit untersucht haben, sowie ihre Ergebnisse:

1. ESCAPE-Studie (European Study of Cohorts for Air Pollution Effects):

Ergebnis: Eine Erhöhung der Langzeitbelastung durch Feinstaub (PM2,5) und Stickstoffdioxid (NO2) wurde mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einschließlich Herzinfarkt und Schlaganfall, in Verbindung gebracht. [Quelle: Beelen et al. 2014]

—> Referenz korrekt

2. CATHGENE-Studie (CATHeterization GENetics):

Ergebnis: Hohe Feinstaubbelastung (PM2,5) wurde mit einer erhöhten Rate von koronaren Herzkrankheiten in Verbindung gebracht. [Quelle: Brook et al. 2010]

—> Quelle nicht korrekt, CATHGEN ist keine Studie, sondern eine (Herzgewebe-)Biobank, die zu Forschungszwecken genutzt werden kann.

3. INTERHEART-Studie:

Ergebnis: Umweltstressoren wie Passivrauchen, psychosozialer Stress und Lärmexposition wurden als Risikofaktoren für Herzinfarkt identifiziert. [Quelle: Yusuf et al. 2004]

—> Quelle korrekt

4. KORA-Studie (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg):

Ergebnis: Langfristige Exposition gegenüber Straßenverkehrslärm wurde mit einem erhöhten Risiko für Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit und Schlaganfall in Verbindung gebracht. [Quelle: Wolf et al. 2017]

—> Quelle nicht korrekt

5. Nurses‘ Health Study:

Ergebnis: Langfristige Feinstaubexposition (PM2,5) wurde mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, einschließlich Herzinfarkt und Schlaganfall, bei Frauen in Verbindung gebracht. [Quelle: Puett et al. 2014]

—> Puett et al. 2014 haben den Zusammenhang von „air pollution und incident lung cancer“ in der Nurses‘ Health Study untersucht.

Müssen Kardiologinnen und Kardiologen (gesellschafts)politsch aktiv werden?

Ja, Kardiologinnen und Kardiologen könnten eine Rolle beim Thema Exposom-Konzept spielen und sich gesellschafts- und gesundheitspolitisch engagieren. Da Umweltexpositionen einen erheblichen Einfluss auf die kardiovaskuläre Gesundheit haben, können Kardiologinnen und Kardiologen durch politisches Engagement dazu beitragen, Maßnahmen zur Reduzierung von Umweltstressoren und zur Förderung der kardiovaskulären Gesundheit voranzutreiben. Indem sie sich für eine gesunde Umwelt und eine verbesserte Gesundheitspolitik einsetzen, können sie ihre Patienten und die Gesellschaft insgesamt unterstützen.

Einordnung und Referenzierung durch ChatGPT ist problematisch

ChatGPT kann Fragen zum Exposom-Konzept beantworten, so ist zum Beispiel die Definition des Exposoms richtig beschrieben (hier aus Platzgründen nicht gezeigt). Auch wenn nach Schlussfolgerungen, wie in der letzten Frage, gefragt wird, bleibt ChatGPT allgemein und phrasenhaft.

Erfordern die Fragen eine Einordnung, wie die Frage nach wichtigen Studien zum Exposom-Konzept, erscheinen die Antwort auf den ersten Blick schlüssig. Allerdings ist nur die ESCAPE-Studie eine Exposom Studie, während KORA, INTERHEART und die Nurses Health Study den Einfluss von Risikofaktoren, darunter auch Umweltfaktoren, auf die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht haben, indes fehlt ihnen die Verknüpfung zu den Pathomechanismen. Auch gab es das Exposom-Konzept noch gar nicht, als diese Studien initiiert wurden.

Unzureichend sind die Quellenangaben, die ebenfalls auf den ersten Blick richtig erscheinen. Genaueres Nachprüfen ergibt jedoch, dass sie in den meisten Fällen aus schlüssigen Bausteinen „zusammengewürfelt“ sind. Autor, Titel und Journal-Referenz passen zum Thema und sind auffindbar, aber dann zufällig zusammengesetzt, wie direkt in den Antworten kommentiert.  Carola Göring

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