Kardiale Xenotransplantation: Der deutsche Weg

Pionierleistung-- Vor wenigen Wochen wurde in Baltimore, MD (USA) zum zweiten Mal ein genetisch verändertes Schweineherz in einen terminal herzinsuffizienten Patienten transplantiert. Der 58-jährige Familienvater konnte zwar bereits am ersten Tag extubiert werden, starb jedoch nach initial guter Herzfunktion nach 40 Tagen vermutlich an einer beginnenden Abstoßungsreaktion.

Von M. Schmoeckel und B. Reichart und C. Hagl Veröffentlicht:
Abb. 1-- Genetisch modifizierte Auckland-Island-Schweine sind für den klinischen Einsatz vorgesehen. E. Wolf

Abb. 1-- Genetisch modifizierte Auckland-Island-Schweine sind für den klinischen Einsatz vorgesehen.

© E. Wolf

Auch in Deutschland werden seit vielen Jahren genetisch veränderte Tiere mit einem alternativen Konzept produziert. Daher stellt sich auch hier die Frage nach der ersten klinischen Anwendung. Über viele Jahre experimenteller Forschung wurde das Schwein als „idealer“ Organspender für den Menschen identifiziert. Voraussetzung für die Anwendung sind allerdings genetische Modifikationen, um die Spenderorgane „menschlicher“ zu machen.

Experimentelle Basis: Generierung genetisch modifizierter Spendertiere

Wahrscheinlich sind nur fünf genetische Modifikationen für eine klinische Anwendung ausreichend: Zur Vermeidung einer hyperakuten Abstoßung werden als Basis drei Zucker(„αGal“)-Moleküle an den Zelloberflächen mithilfe der CRISPR/Cas9-Genschere entfernt. Dieses Vorgehen ist die Voraussetzung, da alle Menschen – ähnlich wie im AB0-Blutgruppensystem – gegen diese Antigene präformierte Antikörper haben. Die hohe Überexpression eines humanen Komplementregulators verhindert zudem humorale Abstoßungsreaktionen gegen weitere Non-αGal-Antigene auf dem Spenderorgan. Eine überschießende Blutgerinnungsaktivierung mit konsekutiven Thrombosen wird durch die transgene Expression von menschlichem Thrombomodulin auf den Endothelzellen des Spenderschweins verhindert. Deutsche Landrasse-Schweine erreichen ein Körpergewicht von bis zu 300 kg, mit einem Herzgewicht von ca. 1 kg und sind dementsprechend zu groß für den Menschen. Für den klinischen Einsatz sind daher Auckland-Island-Schweine mit einem Endgewicht zwischen 70–90 kg vorgesehen (Abb. 1).

Xenozoonosen

Prof. Dr. Christian Hagl-- LMU Klinikum München Großhadern

Prof. Dr. Christian Hagl-- LMU Klinikum München Großhadern

© Hagl

Zu den möglichen Komplikationen nach einer Xenotransplantation gehört die Übertragung von krankheitserregenden Mikroorganismen auf den Organempfänger. Im Fokus stehen zum einen Porcine Endogene Retroviren (PERV), die in das Erbgut der Schweine integriert sind und theoretisch Tumore oder eine erworbene Immunschwäche im Empfänger hervorrufen könnten. In bisherigen präklinischen und klinischen Studien konnte über 25 Jahre keine Übertragung von PERVs beobachtet werden. Die Verwendung PERV-C-negativer Spenderschweine erscheint ausreichend, um eine Gefährdung durch Rekombination auszuschließen.

Demgegenüber führt die Übertragung von porcinem CMV (PCMV) zu einer signifikant verkürzten Überlebensdauer beim Empfänger. Hierbei wird eine generalisierte Inflammation mit sekundären Endorganschäden induziert. Im Verlauf der ersten klinischen Herz-Xenotransplantation in Baltimore, MD (USA), spielte dieser Mechanismus eine signifikante Rolle. Da es derzeit noch kein Vakzin und keine effektive medikamentöse Therapie gibt, kommen klinisch nur sicher pathogen-freie Schweine zum Einsatz, wie auch beim zweiten Empfänger in Baltimore.

Immunsuppression

Experimentell hat sich früh gezeigt, dass eine Verhinderung von Abstoßungsreaktionen mit klassischen Immunsuppressiva alleine nicht ausreicht. Als erfolgreich hat sich eine Kombination einer CD40/CD40L-Kostimulationsblockade mit einer Induktionstherapie gegen B- und T-Zellen mittels Anti-CD20-Antikörpern und ATG erwiesen. Zur Vervollständigung erfolgt die Gabe von Mycophenolat Mofetil und einem niedrig dosierten Steroid. Daraus resultiert eine gut verträgliche, nicht nephrotoxische Immunsuppression.

Geeignete Empfänger

Menschliche Spenderorgane sind rar. Ypps/mauritius images

Menschliche Spenderorgane sind rar.

© Ypps/mauritius images

Die Frage nach den ersten Empfängern eines Xenotransplantats führte zu einer regen Diskussion beim Workshop „Kardiale Xenotransplantation“. Patienten mit Kontraindikationen gegen ein mechanisches Herzunterstützungssystem oder hohen Titern an präformierten HLA-Antikörpern, die eine Allotransplantation erschweren, scheinen geeignet. Vorstellbar ist auch eine Überbrückung bis zum allogenen Ersatz oder die Implantation bei sonst rüstigen, älteren Patienten. Im Bereich der Pädiatrie kommen Patienten mit univentrikulärem Herzen nach Scheitern einer Palliativoperation infrage. Fast alle Teilnehmer konnten von Patienten berichten, die sich aus verschiedenen Ursachen nicht für eine allogene Implantation qualifizieren.

Ethische Aspekte

Bei einer Xenotransplantation liegt der erwartete Nutzen in der verbesserten Lebenserwartung und -qualität und entspricht somit dem „Prinzip der Fürsorge bzw. des Wohltuns“. In Kombination mit dem „Nichtschaden“ durch verbesserte OP-Techniken, einer verträglicheren Immunsuppression und der effektiven Vermeidung von Xenozoonosen bestehen damit keine Einwände gegen eine klinische Anwendung. Zur Vermeidung negativer psychologischer Auswirkungen ist eine umfassende Betreuung erforderlich. Durchweg positiv waren in diesem Zusammenhang die Umfragen bei Wartelisten-Patienten. Zweifelsfrei muss auch und gerade bei einer Xenotransplantation die Patientenautonomie erhalten bleiben und eine Aufklärung über die sehr limitierten Erfahrungen beim Menschen erfolgen.

Für die Tiere bestehen zwar hohe Belastungen, allerdings sind die Zahlen klein und der potenzielle Nutzen für die Patienten wird als überproportional gewertet. Für die spätere Zucht der Tiere müssen die Haltungsbedingungen optimal sein, werden aber schon aufgrund der notwendigen Hygieneansprüche der klassischen Masttierhaltung überlegen sein. Somit existieren keine kategorischen, am Tierwohl orientierten Argumente gegen die Durchführung einer Xenotransplantation.

Fazit

Die Etablierung der Xenotransplantation wurde im Rahmen des Workshops als Leuchtturmprojekt der deutschen Herzchirurgie angesehen. Das über Jahrzehnte erworbene Know-how und die Möglichkeit zur Züchtung „optimaler“ Spenderschweine prädestiniert Deutschland als Standort für diese Therapie in Europa.

Für die weitere Umsetzung ist die Unterstützung der gesamten deutschen Herzmedizin aber auch der Politik notwendig, um die regulatorischen und finanziellen Herausforderungen zu lösen.

Aktuell soll der Zugang zur klinischen Praxis im Rahmen einer Pilotstudie erfolgen, deren Koordination, Organisation und Strukturierung über die Münchener Arbeitsgruppe der LMU erfolgt.

Kontakt-- Prof. Dr. Christian Hagl, Herzchirurgische Klinik und Poliklinik, LMU Klinikum München-Großhadern, christian.hagl@med.uni-muenchen.de

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