Kardiologische Nachsorge von krebskranken Kindern und Jugendlichen

Positionspapier-- Bisher gibt es kaum Empfehlungen, wie Kinder und Jugendliche mit Krebserkrankungen kardiologisch versorgt werden sollten. Deshalb hat die AG pädiatrische Kardio-Onkologie der DGPK mit Unterstützung der GPOH, DGK und DGKliPha ein Positionspapier entworfen. Hier werden wichtige Inhalte des Papiers zusammengefasst.

Von Dr. Ul. Neudorf und Prof. C. Apitz und Dr. M. Schöber Veröffentlicht:
Kinder mit Krebs sollten kardiologisch untersucht werden.

Kinder mit Krebs sollten kardiologisch untersucht werden.

© New Africa/stock.adobe.com (Symbolbild mit Modellen)

Durch die enorme Weiterentwicklung moderner Krebstherapien überleben immer mehr Kinder und Jugendliche ihre Krebserkrankung. Als Folge dieser Behandlungserfolge sind auch immer mehr „Krebsüberlebende“ gefährdet, kardiovaskuläre Langzeitkomplikationen zu erleben, die zur Morbidität und auch Mortalität bei diesen Patienten beitragen können.

Für die optimale Patientenbehandlung ist deshalb eine zunehmende pädiatrisch-kardioonkologische Kooperation und Spezialisierung mit Detailwissen aus beiden beteiligten Disziplinen bezüglich des Therapeutika-spezifischen Nebenwirkungsprofils sowie der Diagnostik und Behandlung von kardialen Nebenwirkungen notwendig.

Dr. Ulrich Neudorf Universitätsklinikum Essen

Dr. Ulrich Neudorf Universitätsklinikum Essen

© Neudorf

Viele der bekannten Chemotherapeutika wie auch der neuen, vor allem zielgerichteten, molekularen onkologischen Wirkstoffe können akute oder verzögert auftretende kardiovaskuläre Nebenwirkungen verursachen.

Da die verzögert auftretenden kardiovaskulären Nebenwirkungen erst Jahrzehnte nach der primären Krebserkrankung auftreten können, ist eine adäquate Transition der pädiatrischen onkologischen Patientinnen und Patienten in eine kardiologische Überwachung bis ins hohe Erwachsenenalter erforderlich

Bedarf an einem Positionspapier

Das Gebiet Kardio-Onkologie ist in den letzten Jahren sehr populär geworden und gewachsen. Dies zeigt sich an Aktivitäten wie die Gründung von Arbeitsgemeinschaften in den kardiologischen Fachgesellschaften (u. a. DGK, DGPK, ESC) und Publikationen von Positionspapieren und Leitlinien [1–4]. Pädiatrische Aspekte werden hierbei allerdings kaum berücksichtigt. In den 2022 ESC-Leitlinien [3] gibt es zum pädiatrischen Bereich in den 151 Textseiten direkt nur eine Seite zum Thema Transition (8.1.1. Adult survivors of childhood und adolescent cancer). Damit besteht die logische Konsequenz, diese Lücke zu schließen. Diese Vorhaben haben DGPK, DGK, GPOH und DGKliPha mit einem gemeinsamen Positionspapier zur kardiovaskulären Toxizität der Therapie onkologischer Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters umgesetzt.

Abb. 1-- Einteilung krebskranker Kinder nach zwei Risikogruppen. mod. nach Rassaf T et al. Clin Res Cardiol. 2020

Abb. 1-- Einteilung krebskranker Kinder nach zwei Risikogruppen. mod. nach Rassaf T et al. Clin Res Cardiol. 2020

© Neudorf

Denn Kinder gehören grundsätzlich zu den Risikopatienten in Hinsicht auf Langzeitschäden nach einer onkologischen Therapie. Die Krankheit und Therapie trifft einen sich noch entwickelnden, wachsenden Organismus und dies zu Beginn der Lebenszeit. Auswirkungen können damit auch zeitlich deutlich versetzt auftreten. Die Hauptrisiken für kardiale Folgeschäden werden durch Anthrazykline und Bestrahlung induziert. Es wird in Deutschland von 2.200 Neuerkrankungen pro Jahr ausgegangen. Mehr als 60 % der Kinder erhalten Anthrazykline in den Therapieprotokollen. Es ist beschrieben, dass 30 Jahre nach Erkrankung 12,5% der Betroffenen eine schwerwiegende kardiale Problematik (Herzinsuffizienz) entwickeln [5]. Dies bedeutet, dass jährlich ca. 130 Menschen für eine spätere terminale Herzinsuffizienz programmiert werden.

Kardiologische Nachsorge von krebskranken Kindern und Jugendlichen

© nach Rassf T et al. Clin Res Cardiol. 2020

Kerninhalte des Positionspapiers

Wesentliche Kernpunkte des neuen Positionspapiers sind die Inhalte und Qualität der Screeninguntersuchungen bei Kindern und die Nachsorge über das Kindes- und Jugendalter (> 18. Lebensjahr) hinaus. Die Rolle der Echokardiografie, der MRT-Untersuchung, von Biomarkern, EKG und Belastungsuntersuchungen wird aufgezeigt, sowie die Art und zeitliche Abfolge risikoadjustierter Kontrolluntersuchungen.

Wesentlich ist die frühe Erfassung von myokardialen Schädigungen, die bei Krebserkrankungen im Kindesalter nicht selten erst Jahre später nach Abschluss der Therapie und sogar nach Beendigung der protokollgemäßen Nachsorge auftreten können. Die linksventrikuläre Funktion (gemessen als Ejektionsfraktion [EF]) stand in der Vergangenheit hierfür im Vordergrund, in der Regel bestimmt durch die Echokardiografie als gut verfügbare und risikolose Methode. Echokardiografische Kontrollen sind in den onkologischen Protokollen vorgesehen. Aber differenzierte (über die EF hinausgehende) Untersuchungsparameter sind bisher nicht festgelegt. Auch ist es immer noch verbreitet, dass die EF aus dem eindimensionalen M-Mode errechnet wird. Techniken, die „more advanced“ und zuverlässiger erscheinen, haben hier noch keine Berücksichtigung erlangt. Dies ist die 3D-EF und Strain-Analyse, vor allem der Global longitudinal Strain (GLS). Für die Echokardiografie werden aus diesem Grund Empfehlungen im Positionspapier abgegeben (s. Kasten).

Die Nachsorge ist in Kenntnis der jeweils vorhandenen Risiken durchzuführen. In dem Positionspapier wird eine Einteilung in zwei Risikogruppen in Abhängigkeit der Therapie durch Anthrazykline und Bestrahlung vorgeschlagen (Abb. 1).

Kardiologische Nachsorge von krebskranken Kindern und Jugendlichen

© nach Rassf T et al. Clin Res Cardiol. 2020

Die kardialen Nachuntersuchungen sollen standardisiert und dokumentiert erfolgen (s. Kasten). Einige existierende Empfehlungen schlagen längere Intervalle vor, oder geben als Option vor, bei niedrigem Risiko die Kontrollen zu beenden.

Unsere Position ist jedoch, eine lebenslange Kontrolle anzustreben. Die entstandene Belastung kann erst Jahrzehnte nach Krebserkrankung kardial wirksam werden, und nur eine regelmäßige Überwachung erlaubt eine rechtzeitige präventive Therapie. Daher ist eine adäquate Transition von Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen in eine kardiologische Überwachung bis ins hohe Erwachsenenalter unbedingt anzustreben.

Fazit

Die Zukunft muss eine Verbesserung im Umgang mit potenziellen kardiovaskulären Risiken erreichen, wozu auch eine strukturierte Transition gehören muss.

Der Katalog der Herausforderungen ist lang: Synchronisierung der Aktivitäten, Einbeziehung der einzelnen Fachgesellschaften, Arbeitsgruppen und Kommissionen, Nachsorgestandards flächendeckend, risikoadjustiert erstellen, wissenschaftliche, prospektive Fragestellungen formulieren, vorhandene Register nutzen oder neue Register schaffen, Implikation der differenzierten kardialen Diagnostik in die onkologischen Studienprotokolle, lebenslange Nachsorge in Kenntnis der durch Krankheit und Therapie erworbenen Risiken.

Literatur bei den Verfassern

Kontakt-- Dr. Ulrich Neudorf, Kinderkardiologe und EMAH-Arzt am Universitätsklinikum Essen, Sprecher der AG pädiatrische Kardioonkologie der DGPK

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