MACM mit akutem Takotsubo-Syndrom

Kasuistik-- Crystal Meth ist eine starke, schnell abhängig machende Droge, die neben den von den Konsumenten erwarteten Effekten auf das ZNS auch akute kardiovaskuläre Probleme verursachen kann. Daher sollten Notaufnahmen mit der Methamphetamin-assoziierten Kardiomyopathie (MACM) vertraut sein.

Von Prof. Meyer-Zürn und Prof. Sticherling und Dr. Haaf Veröffentlicht:
Abb. 1-- Ruhe-EKG in der Notaufnahme mit anterioren ST-Hebungen. Meyer-Zürn

Abb. 1-- Ruhe-EKG in der Notaufnahme mit anterioren ST-Hebungen.

© Meyer-Zürn

Prof. Dr. Christine Meyer-Zürn, Universitätsspital Basel

Prof. Dr. Christine Meyer-Zürn, Universitätsspital Basel

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PD Dr. Philip HaaF, Universitätsspital Basel

PD Dr. Philip HaaF, Universitätsspital Basel

© Haaf

Ein 49-jähriger Patient stellte sich aufgrund seit zwei Stunden bestehender, stärkster Thoraxschmerzen mit Ausstrahlung in den rechten Arm und Rücken, sowie übermäßigem Schwitzen in der Notaufnahme vor. Er berichtete, in der letzten Woche und am Vorstellungstag Methamphetamin („Crystal Meth“) eingenommen zu haben. Im Ruhe-EKG zeigten sich anteriore ST-Hebungen (Abb. 1), sodass bei V. a. einen ST-Hebungsinfarkt (STEMI) umgehend eine Koronarangiografie durchgeführt wurde.
Abb. 2 (links)-- Koronarangiografie mit Wandunregelmäßigkeiten im RIVA ohne relevante Stenosen.... . Meyer-Zürn

Abb. 2 (links)-- Koronarangiografie mit Wandunregelmäßigkeiten im RIVA ohne relevante Stenosen.... .

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Angiografisch zeigte sich eine Koronarsklerose ohne relevante Stenosen bei Wandunregelmäßigkeiten im proximalen und apikalen RIVA (Abb. 2, links). Eine akute Gefäßläsion war nicht nachweisbar. In der Lävokardiografie (Abb. 2, rechts) zeigte sich eine eingeschränkte Pumpfunktion mit apikaler Akinesie und ein erhöhter linksventrikulärer enddiastolischer Druck von 22 mmHg.

Das hochsensitive Troponin T war auf 326 ng/l (Norm < 14 ng/l) und das NT-proBNP auf 1.595 ng/l (Norm < 125 ng/l) erhöht. Echokardiografisch zeigte sich ein normal dimensionierter linker Ventrikel mit mittelschwer eingeschränkter systolischer Funktion (LVEF biplan 35 %) und Akinesie der apikalen Hälfte mit Verdacht auf einen flottierenden inferoapikalen Thrombus (1,3 × 1,2 cm).

Abb. 2 (rechts)-- ... Lävokardiografie mit Ballonierung der apikalen Segmente des linken Ventrikels. Meyer-Zürn

Abb. 2 (rechts)-- ... Lävokardiografie mit Ballonierung der apikalen Segmente des linken Ventrikels.

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Zur differenzialdiagnostischen Abklärung erfolgte ein Herz-MRI (Abb. 3). Hier konnte ein zu den regionalen Wandbewegungsstörungen korrespondierendes, ausgeprägtes zirkumferenzielles myokardiales Ödem in einem nicht koronaren Verteilungsmuster nachgewiesen werden. Zudem ließen sich ältere subendokardiale Myokardinfarkte im RIVA-Stromgebiet nachweisen. Es bestätigte sich der mobile inferoapikale linksventrikuläre Thrombus.

Im klinischen Kontext war der Befund vereinbar mit einer „Methamphetamin-assoziierten Kardiomyopathie (MACM)“ mit Vorliegen eines akuten Takotsubo-Syndroms vom apikalen Typ, linksventrikulärem Thrombus und stattgehabten Myokardinfarkten im RIVA-Stromgebiet (DD Crystal-Meth-induzierte Koronarspasmen, DD koronar-embolisch). Es wurde eine Herzinsuffizienztherapie und orale Antikoagulation mit Phenprocoumon eingeleitet. Ein strikter Verzicht auf Methylamphetamine wurde empfohlen. Im weiteren Verlauf zeigte sich echokardiografisch eine komplette Normalisierung der globalen und regionalen Pumpfunktion. Der LV-Thrombus war nicht mehr nachweisbar.

Hintergrund: Methamphetaminassoziierte Kardiomyopathie

Abb. 3-- Herz-MRI mit ausgeprägtem zirkumferenziellem myokardialem Ödem (T2-Mapping, gelbe Pfeile) der apikalen Hälfte des Myokards mit dazu korrespondierenden Wandbewegungsstörungen (nicht abgebildet) in einem nicht koronarem Verteilungsmuster. Subendokardiales Late Enhancement septal mittventrikulär bis apikal (weiße Pfeile), whsl. älterem Myokardinfarkt im RIVA-Stromgebiet entsprechend. Inferoapikaler flottierender Thrombus (schwarzer Pfeil, 2-Kammerblick). Meyer-Zürn

Abb. 3-- Herz-MRI mit ausgeprägtem zirkumferenziellem myokardialem Ödem (T2-Mapping, gelbe Pfeile) der apikalen Hälfte des Myokards mit dazu korrespondierenden Wandbewegungsstörungen (nicht abgebildet) in einem nicht koronarem Verteilungsmuster. Subendokardiales Late Enhancement septal mittventrikulär bis apikal (weiße Pfeile), whsl. älterem Myokardinfarkt im RIVA-Stromgebiet entsprechend. Inferoapikaler flottierender Thrombus (schwarzer Pfeil, 2-Kammerblick).

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Die MACM gewinnt aufgrund der Crystal-Meth-Epidemie zunehmend an Bedeutung. Crystal Meth ist eine starke Droge, die innerhalb von wenigen Minuten im zentralen Nervensystem zu einer Erhöhung der postsynaptischen Katecholaminkonzentration führt (Euphorie und erhöhte Wachsamkeit, langfristig Gedächtnisprobleme). Kardiovaskuläre Auswirkungen sind Tachykardie, Hypertonie und erhöhte Myokardkontraktilität. Die MACM entsteht sowohl durch eine direkte toxische Schädigung (Inflammation und kontraktile Dysfunktion) als auch eine indirekte Beeinträchtigung des Myokards durch Erhöhung des Sympathikotonus (Takotsubo-Syndrom durch Katecholaminspitzen). Vasospasmen der epikardialen Koronararterien können zu einer akuten Myokardischämie führen. Es wird eine hohe Prävalenz für LV- und RV-Thromben beschrieben. Die Diagnose der MACM ist eine Ausschlussdiagnose. Da keine Daten für eine spezifische Therapie vorliegen, erfolgt eine leitlinienbasierte medikamentöse Herzinsuffizienz-Therapie. Bislang gibt es wenig Konsensmaterial, um Ärzte bei der Diagnose und Behandlung der MACM zu unterstützen.

Fazit

Unser Patient, der sich mit anterioren ST-Hebungen notfallmäßig vorstellte, wies typische Charakteristika einer MACM auf: Substanzabusus von Methamphetaminen („Crystal Meth“), starke Thoraxschmerzen mit übermäßigem Schwitzen, erhöhte natriuretische Peptide, Takotsubo-Syndrom des linken Ventrikels mit reduzierter Pumpfunktion, ventrikulärer Thrombus, abgelaufener Myokardinfarkt ohne zugrunde liegende koronare Herzkrankheit.

Das Herz-MRI leistet einen wesentlichen Beitrag zur Diagnose und Prognoseeinschätzung einer MACM.

Die dauerhafte Abstinenz von Methamphetaminen ist entscheidend.

Aufgrund des hohen Risikos für intrakardiale Thromben sollte eine langfristige orale Antikoagulation in Betracht gezogen werden.

Kontakt-- Prof. Dr. Christine Meyer-Zürn, Universitäres Herzzentrum, Universitätsspital Basel, christine.meyerzuern@usb.ch

Literatur bei der Verfasserin/den Verfassern