MINOCA – eine Herausforderung in der Diagnostik und Therapie

MINOCA-- Bei einem kleinen Anteil der Herzinfarkte kann keine relevante stenosierende koronare Herzerkrankung gefunden werden. Dann gilt es, mittels Bildgebung die Ursache zu identifizieren, um eine passende Therapie einzuleiten.

Von Dr. Paukovitsch und Dr. Felbel und Prof. Rottbauer Veröffentlicht:
Abb. 1-- Fallbeispiel mit Kardio-MRT (links) und TEE mit Nachweis eines PFO (Übertritt von „Bubbles“; rechts). Die zugehörigen Brustwandableitungen waren unauffällig, die Extremitätenableitungen zeigen auffällige QRS-Komplexe.

Abb. 1-- Fallbeispiel mit Kardio-MRT (links) und TEE mit Nachweis eines PFO (Übertritt von „Bubbles“; rechts). Die zugehörigen Brustwandableitungen waren unauffällig, die Extremitätenableitungen zeigen auffällige QRS-Komplexe.

© [M] Rottbauer

Fallbeispiel mit Ruhe-EKG bei Vorstellung

Fallbeispiel mit Ruhe-EKG bei Vorstellung

© Rottbauer

Ein 63-jähriger Patient stellt sich mit seit Wochen intermittierend bestehenden typischen pektanginösen Beschwerden sowie Leistungsabnahme in der Chest Pain Unit vor. Vorbekannt sind ein arterieller Hypertonus Grad I sowie eine Hyperlipoproteinämie. Abb. 1 zeigt das entsprechende EKG, in dem keine ST-Hebungen festgestellt werden. Bei einem initial (42 ng/l; Cut-off ≤ 14 ng/l) sowie in der Verlaufskontrolle (370 ng/l) erhöhtem hsTroponin wird ein NSTEMI diagnostiziert. Echokardiografisch wird eine Akinesie inferoapikal festgestellt. In der anschließend durchgeführten Koronarangiografie stellt sich ein unauffälliger Koronarstatus dar. In der am kommenden Tag durchgeführten Kardio-MRT zeigt sich in den Kontrastmittel (KM) verstärkten Spätaufnahmen (Late Gadolinium Enhancement, LGE) eine subendokardiale KM-Speicherung apikal inferior sowie lateral als Ausdruck eines abgelaufenen subendokardialen Infarktes. Ergänzend wird eine transösophageale Echokardiografie durchgeführt, in der ein Persistierendes Foramen Ovale (PFO) diagnostiziert wird. Diagnose: Abgelaufener paradox-embolisch bedingter Myokardinfarkt. Es erfolgt ein PFO-Verschluss mittels Amplatzer 25-mm-Occluder (Abb. 1).

Definition und Diagnosestellung

Dr. Michael Paukovitsch-- Universitäres Herzzentrum Ulm

Dr. Michael Paukovitsch-- Universitäres Herzzentrum Ulm

© Paukovitsch

Dr. Dominik Felbel-- Universitäres Herzzentrum Ulm

Dr. Dominik Felbel-- Universitäres Herzzentrum Ulm

© Felbel

Obwohl sie die Definition des Myokardinfarktes im Sinne einer ischämischen Troponinerhöhung sowie typischer Symptomatik erfüllen, können bei 6 % der Myokardinfarkte angiografisch keine die Ischämie erklärenden Stenosierungen (> 50 % in den epikardialen Gefäßen, FFR < 0,8) festgestellt werden [1], sodass – wie im dargestellten Fall – die deskriptive Arbeitsdiagnose eines Myokardinfarktes ohne obstruktive Koronararterien (MINOCA) angenommen werden muss. Hinweise auf eine extrakardiale Ursache eines (nicht ischämischen) Myokardschadens (z. B. Lungenembolie, Sepsis) ergaben sich bei unserem Patienten nicht und sollten vor Stellen der Diagnose MINOCA im Vorfeld ausgeschlossen werden [2, 3]. Eine myokardiale Ischämie ist bei MINOCA ursächlich [2], sodass nicht ischämische Ursachen wie eine Myokarditis oder Tako-Tsubo-Kardiomyopathie explizit nicht hinzugerechnet werden [3, 4]. Abb. 2 zeigt in Anlehnung an gängige Leitlinien [2, 3] einen modifizierten diagnostischen Algorithmus für eine Abklärung bei MINOCA.

Neben Plaque-Ruptur, Vasospasmen, koronararteriellen Embolisationen oder Thrombosen sind Störungen der mikrovaskulären Zirkulation als häufige Ursachen eines MINOCA bekannt. Auch eine sogenannte Typ-II-Myokardischämie, z. B. getriggert durch Tachyarrhythmie, kann in Abwesenheit von signifikanten Stenosen ebenso als MINOCA klassifiziert werden [3].

Diagnosealgorithmus MINOCA Abb. 2-- Modifizierter Algorithmus zur MINOCA-Abklärung.

Diagnosealgorithmus MINOCA Abb. 2-- Modifizierter Algorithmus zur MINOCA-Abklärung.

© Rottbauer

Koronarangiografie

Im ersten Schritt muss bei akuter ischämischer Myokardschädigung eine Linksherzkatheteruntersuchung mit Koronarangiografie erfolgen. Lävokardiografisch können Wandbewegungsstörungen identifiziert sowie nicht zu MINOCA gehörende Differenzialdiagnosen des Myokardschadens wie eine Tako-Tsubo-Kardiomyopathie oder eine Myokarditis diagnostiziert werden. Eine Myokardbiopsie zur Sicherung einer Myokarditis soll erwogen [5] und kann bereits in der Indexprozedur durchgeführt werden. Besteht in der Koronarangiografie keine relevante Stenosierung (< 50 % Stenose in epikardialen Gefäßen), sollten bereits während der Indexprozedur intravaskulärer Ultraschall (IVUS) und die optische Kohärenztomografie (OCT) angewendet werden, um Dissektionen, Thromben, Plaqueerosionen sowie -rupturen zu identifizieren [6].

Sofern nach Koronarangiografie mit IVUS oder OCT keine Ursache für eine myokardiale Ischämie festgemacht werden kann, ist eine weitere Abklärung mittels Kardio-MRT indiziert und bei allen Patienten mit MINOCA unklarer Ursache mit einer Klasse-Ib-Indikation empfohlen [2]. Dies ergänzt die Ausschlussdiagnostik der nicht MINOCA-bedingten Myokardschädigungen: Eine Myokarditis kann mittels T2-Mapping oder T2-gewichteten Sequenzen zum Nachweis eines myokardialen Ödems sowie mittels weiterer Kriterien (T1-Mapping, Late und Early Gadolinium Enhancement) diagnostiziert werden [7]. Für die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie ist die Darstellung des regionalen myokardialen Ödems bei fehlendem LGE im Bereich der regionalen Wandbewegungsstörung (apikal, basal, mittventrikulär oder fokal) typisch [8].

Kontakt-- Prof. Wolfgang Rottbauer, Universitäres Herzzentrum Ulm, Klinik für Innere Medizin II, Wolfgang.Rottbauer@uniklinik-ulm.de

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