Mechanische Thrombektomie auch bei ausgedehnten Ischämiefrühzeichen
Große Hirninfarkte-- Die mechanische Thrombektomie (MT) bei akuten proximalen Verschlüssen der hirnversorgenden Arterien ist nachgewiesenermaßen hocheffizient und sicher. Gilt das jedoch auch für Patienten im erweiterten Zeitfenster mit großen Infarkten? Die TENSION-Studie schließt diese Evidenzlücke.
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Thrombektomie unter zerebraler Angiografie bei einem Schlaganfallpatienten. Burger/Phanie/Science Photo Library
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Die bisherigen Studien zur MT haben überwiegend solche Schlaganfallpatienten eingeschlossen, die nur geringe Ischämie-Frühzeichen in der primären Bildgebung aufwiesen. Mit der TENSION-Studie (The Efficacy and Safety of Thrombectomy in Stroke with extended lesion and extended time window) wurde diese Evidenzlücke nun geschlossen [1]. TENSION ist eine Investigator-initiierte, randomisierte kontrollierte Studie, die in 40 Zentren in Europa sowie in Calgary, Kanada, unter Leitung der Kollegen aus Heidelberg und Hamburg durchgeführt wurde.
Einschlusskriterien

PD Dr. Gerrit M. Große, Medizinische Hochschule Hannover Große
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Primärer Endpunkt frühzeitig erreicht
Der primäre Endpunkt war definiert als gutes funktionelles Outcome anhand einer ordinalen mRS-Shiftanalyse 90 Tage nach Einschluss in der Intention-to-Treat Population. Erhebungen der Lebensqualität sowie symptomatische intrakranielle Blutungen dienten als sekundäre Endpunkte. Zum Zeitpunkt der Studienplanung wurde die Stichprobengröße auf 665 festgelegt. Nachdem 253 Patienten zwischen Juli 2018 und Februar 2023 randomisiert worden waren, wurde die Studie jedoch vorzeitig beendet, da der Wirksamkeitsendpunkt bereits erreicht wurde. Die klinischen Charakteristika zu Studienbeginn unterschieden sich nicht wesentlich zwischen den Gruppen. Der mediane NIHSS lag bei 19 bzw. 18, und der mediane prämorbide mRS lag in beiden Gruppen bei 0. In der Interventionsgruppe wurde in 83 % der Fälle eine erfolgreiche Reperfusion (entsprechend einem mTICI 2b oder besser) erreicht.
MT der alleinigen medikamentösen Therapie überlegen
Es fand sich eine deutliche Verschiebung in der mRS-Verteilung zugunsten der MT (gemeinsame Odds Ratio [OR]: 2,58; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,60–4,15). 39 Patienten (31 %) in der MT-Gruppe hatten nach 90 Tagen einen mRS von 0 bis 3, verglichen mit 16 Patienten (13 %) in der Kontrollgruppe (OR: 2,84, 95%-KI: 1,48–5,47). Auch in Bezug auf die von den Patienten berichteten Gesundheits- und Lebensqualitätsergebnisse erwies sich die MT als vorteilhaft.
Geringere Sterblichkeit nach MT

Thrombektomie und Thrombolyse (Abb. 1)-- In TENSION wurde bei großen Infarkten im erweiterten Zeitfenster die MT plus medikamentöse Behandlgung gegen alleinige medikamentöse Therapie verglichen.songkram/stock.adobe.com
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Pragmatischer Ansatz der TENSION-Studie
Im Unterschied zu diesen Studien verfolgte TENSION nun einen konsequent pragmatischen Ansatz, bei dem nicht auf eine multimodale Bildgebung zur Identifizierung von Penumbragewebe gesetzt wurde, sondern auf die einfache native CT, seltener die DWI. Weitere Software kam nicht zum Einsatz. Die deutlich vorteilhaften Effekte der MT waren dennoch mit denen der Vorstudien vergleichbar. Hervorzuheben ist außerdem, dass durch die MT nicht nur Todesfälle substanziell verhindert werden konnten, sondern auch eine nicht unerhebliche Anzahl von Patienten trotz der ungünstigen Ausgangssituation ein relativ gutes funktionelles Outcome ohne relevante Behinderung erzielen konnte.
Fazit
Die mechanische Thrombektomie konnte bei Schlaganfallpatienten mit ausgedehnten Ischämiefrühzeichen auch im 12-Stunden-Zeitfenster das funktionelle Ergebnis im Vergleich zur medikamentösen Therapie verbessern und die Sterblichkeit verringern.
Insgesamt ist die MT somit auch bei vermeintlich ungünstiger Ausgangslage von großem Nutzen.
Kontakt-- PD Dr. Gerrit M. Große, Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Neurologie, grosse.gerrit@mh-hannover.de
Literatur--
1. Bendszus M et al. Lancet. 2023;402(10414):1753-63
2. Yoshimura S et al. N Engl J Med. 2022;386:1303-13
3. Sarraj A et al. N Engl J Med. 2023;388:1259-71
4. Huo X et al. N Engl J Med. 2023;388:1272-83