Mit Antikörpern gegen Amyloid-Ablagerungen vorgehen

Systemische Amyloidose-- Die meisten kausalen Therapien zielen darauf ab, die Entstehung von Amyloidablagerungen zu verhindern bzw. den weiteren Krankheitsprozess zu verlangsamen. Aktuelle Studien rücken nun Antikörper zum Amyloid-Abbau, sogenannte „Depleter“, in den Fokus.

Von Dr. Fabian aus dem Siepen und Prof. Norbert Frey Veröffentlicht:
Amyloidose-- Farbige Elektronenmikroskopie eines Gewebeschnitts mit abnormen Amyloid-Ablagerungen (grün). Steve Gschmeissner/Science Photo Library

Amyloidose-- Farbige Elektronenmikroskopie eines Gewebeschnitts mit abnormen Amyloid-Ablagerungen (grün).

© Steve Gschmeissner/Science Photo Library

Dr. Fabian aus dem Siepen-- Universitätsklinikum Heidelberg aus dem Siepen

Dr. Fabian aus dem Siepen-- Universitätsklinikum Heidelberg aus dem Siepen

© aus dem Siepen

Prof. Norbert Frey--Universitätsklinikum Heidelberg Frey

Prof. Norbert Frey--Universitätsklinikum Heidelberg Frey

© Frey

Systemische Amyloidosen stellen eine Gruppe von Erkrankungen dar, bei denen es zur extrazellulären Ablagerung fehlgefalteter Proteine in unterschiedlichen Organen kommt. Die häufigsten Amyloidose-Formen mit kardialer Beteiligung sind die Leichtketten(AL)- und die Transthyretin(ATTR)-Amyloidose. Bei beiden Formen konnten in den letzten Jahren große Fortschritte im Bereich der therapeutischen Möglichkeiten erzielt werden. Zur Behandlung der AL-Amyloidose ist bereits der CD38-Antikörper Daratumumab zugelassen [1]. Dieser richtet sich gegen Plasmazellen, die die Erkrankung verursachen, jedoch nicht gegen bereits abgelagerte Amyloidfibrillen. Die Wirksamkeit des Antikörpers CAEL-101 gegen bestehende AL-Amyloidablagerungen wird aktuell noch in einer Phase-III-Studie untersucht (NCT04504825), weitere Antikörper befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsphasen.

Bei der ATTR-Amyloidose mit kardialer Beteiligung ist aktuell nur Tafamidis, ein Stabilisator des Transthyretin-Tetramers als kausale Therapie zugelassen [2], sowohl für die hereditäre (ATTRv) als auch für die Wildtyp-Form (ATTRwt). Liegt eine Polyneuropathie bei ATTRv vor, kann auch eine Behandlung mit RNA-Therapeutika erfolgen, zugelassen sind die Substanzen Patisiran [3], Vutrisiran (silencing RNA, siRNA) [4] und Inotersen (Antisense-Oligonukleotid, ASO) [5]. Für Patienten mit kardialer Beteiligung laufen aktuell Phase-III-Studien zur RNA-Therapie (NCT04153149, NCT041 36171).

Phase-I-Studie mit Wirkhinweisen bei ATTR-Amyloidose

Knochen-Szintigrafie undMRT zeigen Amyloidlast nach„Depleter“-Behandlung (Abb. 1)-- Serielle Szintigrafien (A, B) und mittels T1-Mapping ermitteltes extrazelluläres Volumen in der kardialen MRT (C, D) nach 4 Monaten verblindeter Studienphase und weiteren 8 Monaten Open-label-Phase. In der Verum-Gruppe nahm die Amyloidlast ab, wohingegen in der Placebo-Gruppe keine positiven Veränderungen nachweisbar waren. Nach Wechsel in die Verum-Gruppe nach 4 Monaten zeigten sich 12 Monate nach Studienbeginn bei beiden Patienten Veränderungen.mit freundl. Genehmigung aus [6]Garcia-Pavia P et al. N Engl J Med. 2023;389(3):239-50

Knochen-Szintigrafie und MRT zeigen Amyloidlast nach „Depleter“-Behandlung (Abb. 1)-- Serielle Szintigrafien (A, B) und mittels T1-Mapping ermitteltes extrazelluläres Volumen in der kardialen MRT (C, D) nach 4 Monaten verblindeter Studienphase und weiteren 8 Monaten Open-label-Phase. In der Verum-Gruppe nahm die Amyloidlast ab, wohingegen in der Placebo-Gruppe keine positiven Veränderungen nachweisbar waren. Nach Wechsel in die Verum-Gruppe nach 4 Monaten zeigten sich 12 Monate nach Studienbeginn bei beiden Patienten Veränderungen.mit freundl. Genehmigung aus [6] Garcia-Pavia P et al. N Engl J Med. 2023;389(3):239-50

© Garcia-Pavia P et al. N Engl J Med. 2023;389(3):239-50

Knochen-Szintigrafie undMRT zeigen Amyloidlast nach„Depleter“-Behandlung (Abb. 1)--Serielle Szintigrafien (A, B) und mittels T1-Mapping ermitteltes extrazelluläres Volumen in der kardialen MRT (C, D) nach 4 Monaten verblindeter Studienphase und weiteren 8 Monaten Open-label-Phase. In der Verum-Gruppe nahm die Amyloidlast ab, wohingegen in der Placebo-Gruppe keine positiven Veränderungen nachweisbar waren. Nach Wechsel in die Verum-Gruppe nach 4 Monaten zeigten sich 12 Monate nach Studienbeginn bei beiden Patienten Veränderungen.mit freundl. Genehmigung aus [6] Garcia-Pavia P et al. N Engl J Med. 2023;389(3):239-50

Knochen-Szintigrafie und MRT zeigen Amyloidlast nach „Depleter“-Behandlung (Abb. 1)--Serielle Szintigrafien (A, B) und mittels T1-Mapping ermitteltes extrazelluläres Volumen in der kardialen MRT (C, D) nach 4 Monaten verblindeter Studienphase und weiteren 8 Monaten Open-label-Phase. In der Verum-Gruppe nahm die Amyloidlast ab, wohingegen in der Placebo-Gruppe keine positiven Veränderungen nachweisbar waren. Nach Wechsel in die Verum-Gruppe nach 4 Monaten zeigten sich 12 Monate nach Studienbeginn bei beiden Patienten Veränderungen.mit freundl. Genehmigung aus [6] Garcia-Pavia P et al. N Engl J Med. 2023;389(3):239-50

© Garcia-Pavia P et al. N Engl J Med. 2023;389(3):239-50

Kürzlich wurden die Ergebnisse einer Phase-Ia/Ib-Studie mit dem potenziellen „Depleter“ NI006 gegen Amyloid-Ablagerungen vom ATTR-Typ veröffentlicht [6]. In dieser randomisierten Doppelblind-Studie wurden 40 Patienten und Patientinnen (ATTRwt und ATTRv) über vier Monate mit NI006, einem humanen, monoklonalen IgG1-Anti-ATTR-Antikörper in aufsteigender Dosierung (0,3, 1, 3, 10, 30, 60 mg/kg KG) oder Placebo behandelt, angeschlossen wurde eine 8-monatige Open-label-Studie. Es konnten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen festgestellt werden. Milde oder moderate Nebenwirkungen waren meist nicht dosisabhängig und reversibel, beispielhaft sind Arthralgien, zwei Fälle eines mild ausgeprägten Cytokin-Release-Syndroms und ein Fall eines Thrombozyten-Abfalls zu nennen. Trotz fehlender Power für den Nachweis eines therapeutischen Effekts, konnten diesbezüglich interessante Beobachtungen gemacht werden: neben einem signifikanten Abfall der kardialen Biomarker (NT-proBNP/hsTroponin) in den Patienten-Kohorten, welche eine höhere Dosis NI006 erhielten, konnten sowohl szintigrafisch als auch MR-tomografisch Hinweise für eine Abnahme der kardialen Amyloidlast demonstriert werden (Abb. 1). In der Verum-Gruppe zeigte sich eine signifikante Abnahme des Tracer-Uptakes in der Knochen-Szintigrafie, während dieser in der Placebo-Gruppe weiter zunahm. Als weiteren Hinweis auf einen möglichen Behandlungseffekt kann zudem eine Abnahme des MR-tomografisch ermittelten extrazellulären Volumens (ECV) ab einer Dosis von mindestens 10 mg/kg gelten.

Amyloid-Abbau prinzipiell möglich

Trotz aller Limitationen der Studie (kleine Fallzahl, kurze Nachbeobachtungszeit) geben damit vor allem die Befunde der Bildgebung Anlass zur Hoffnung, dass ein Abbau von Amyloid prinzipiell möglich ist. Der resultierende Effekt im Hinblick auf Symptomatik und Prognose kann bisher noch nicht abgeschätzt werden. Zu bedenken ist jedoch, dass Antikörper-Therapien in der Vergangenheit trotz vielversprechender präklinischer Daten sowohl bei der AL- als auch bei der ATTR-Amyloidose auch Rückschläge erlitten haben, wie der vorzeitige Abbruch zweier Studien gegen AL-Amyloid und Serum-Amyloid-P vor mehreren Jahren zeigt. Mit der Zulassung von RNA-Therapeutika für Patienten mit kardialer Beteiligung und kommender Phase-II- und -III-Studien mit verschiedenen Anti-Amyloid-Antikörpern wird sich die Therapielandschaft in naher Zukunft voraussichtlich deutlich verändern und die Behandlungsoptionen erweitern. Auch die Kombination verschiedener Substanzklassen wird noch Gegenstand kommender Untersuchungen sein und könnte ein aussichtsreiches Konzept darstellen.

Fazit

Antikörper gegen Amyloid-Ablagerungen (Depleter) scheinen sowohl bei der Behandlung der AL- als auch der ATTR-Amyloidose eine vielversprechende Substanzklasse zu sein.

Kommende Phase-III-Studien werden Aufschluss über Sicherheit und Effektivität geben.

Auch mögliche Kombinationen mit etablierten Therapien sind noch zu evaluieren.

Kontakt-- Dr. Fabian aus dem Siepen, Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Heidelberg, Fabian.Siepen@med.uni-heidelberg.de

Literatur--

1. Kastritis E et al. N Engl J Med. 2021;385(1):46-58

2. Maurer MS et al. N Engl J Med. 2019;380(2):196-7

3. Adams D et al. N Engl J Med. 2018;379(1):11-21

4. Adams D et al. Amyloid. 2023;30(1):1-9

5. Benson MD et al. N Engl J Med. 2018;379(1):22-31

6. Garcia-Pavia P et al. N Engl J Med. 2023;389(3):239-50

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