Schwangere mit auffälliger Klappenanatomie

Mitralring-Disjunktion als arrhythmogene Entität?

Fallbericht-- Bei einer 26-jährigen, schwangeren Patientin wird eine Mitralringdisjunktion (MAD) festgestellt – eine anatomische Variante, die zunehmend als eigenständige arrhythmogene Entität verstanden wird. Und das nicht ohne Grund, wie die weitere Krankheitsgeschichte der jungen Frau deutlich macht.

Von Dr. Felix Troger und Assoz. Prof. PD Dr. Agnes May Veröffentlicht:
Ventrikuläre Rhythmusstörungen können als Folge einer ausgedehnten Mitralringdisjunktion auftreten, im vorliegenden Fall kam es im weiteren Verlauf zu Kammerflimmern.

Ventrikuläre Rhythmusstörungen können als Folge einer ausgedehnten Mitralringdisjunktion auftreten, im vorliegenden Fall kam es im weiteren Verlauf zu Kammerflimmern.

© ronnisugiharto / Getty Images / iStock

Eine 26-jährige Patientin wird in der 18. Schwangerschaftswoche zur Abklärung rezidivierender monomorpher ventrikulärer Extrasystolen im extern durchgeführten EKG zugewiesen. Neben einem transienten Bigeminus im Routine-EKG konnten im Holter-EKG einzelne Episoden von nicht anhaltenden ventrikulären Tachykardien von nur wenigen Schlägen beobachtet werden.

Assoz. Prof. PD Dr. Agnes Mayr Medizinische Universität Innsbruck

Assoz. Prof. PD Dr. Agnes Mayr Medizinische Universität Innsbruck

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Dr. Felix Troger Medizinische Universität Innsbruck

Dr. Felix Troger Medizinische Universität Innsbruck

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Rhythmologisch bot die bisher kardial beschwerdefreie und familiär unvorbelastete Patientin keine weiteren Auffälligkeiten. In der transthorakalen Echokardiografie zeigte sich ein multisegmentaler Mitralprolaps mit begleitender zweit- bis drittgradiger Mitralinsuffizienz.

Zur weiteren Abklärung wurde eine kardiale MRT durchgeführt, die neben Mitralprolaps und -insuffizienz eine normale Auswurfleistung sowie eine ausgedehnte Mitralringdisjunktion („mitral anular disjunction“, MAD) des gesamten posterioren Mitralrings von bis zu 12 mm zeigte (Abb. 1). Aufgrund des ansonsten insgesamt niedrigen Risikoprofils der Patientin wurde für die Dauer der Schwangerschaft ein konservatives Prozedere mit engmaschigen kardiologischen Kontrollen eingeschlagen. Die restliche Schwangerschaft und Sectio-Geburt gestalteten sich unauffällig.

Abb. 1-- Endsystolische CINE-Bilder der prä- und postoperativen kardialen MRT. Der Vier- (A, B) und Drei-Kammer-Blick (C, D) zeigen präoperativ eine ausgedehnte MAD im P1- (A) und P2-Segment (C). Nach totalendoskopischer Rekonstruktion der Mitralklappe (B, D) ist die MAD der Patientin nicht mehr abgrenzbar.

Abb. 1-- Endsystolische CINE-Bilder der prä- und postoperativen kardialen MRT. Der Vier- (A, B) und Drei-Kammer-Blick (C, D) zeigen präoperativ eine ausgedehnte MAD im P1- (A) und P2-Segment (C). Nach totalendoskopischer Rekonstruktion der Mitralklappe (B, D) ist die MAD der Patientin nicht mehr abgrenzbar.

© Troger/Mayr

Neun Monate nach der Entbindung musste die Patientin allerdings bei initialem Kammerflimmern reanimiert werden. Die Reanimation war erfolgreich und die Patientin wurde uns aus einem peripheren Krankenhaus erneut zugewiesen. Während des stationären Aufenthaltes zeigte sie sich stets kardiorespiratorisch stabil und neurologisch unauffällig, und im EKG wurden nur vereinzelte ventrikuläre Extrasystolen detektiert.

Im interdisziplinären Board wurde aufgrund der Mitralinsuffizienz die totalendoskopische Rekonstruktion der Mitralklappe beschlossen, während die Patientin bis zu diesem Eingriff mit einer Defibrillatorweste versorgt wurde. Schließlich konnte weitere eineinhalb ereignislose Monate später die geplante Operation erfolgreich durchgeführt werden. Im Kontroll-MRT zeigte sich eine unauffällige Klappendynamik und im weiteren Verlauf stets ein unauffälliges EKG. Die Patientin ist seit nunmehr zwei Monaten beschwerdefrei.

Ein neues arrhythmogenes Substrat?

Zwar wurde die MAD, also eine anatomische Variante, bei welcher der posteriore Mitralring nicht direkt im Ventrikelmyokard verankert ist, bereits 1876 erstmals beschrieben. Sie wurde dennoch lange Zeit als häufiger, jedoch irrelevanter Nebenbefund des Mitralprolapses abgetan [1]. Vor allem durch die Ergebnisse einer Studie von Dejgaard et al. 2018 verschärfte sich jedoch der Blick auf diese Entität, da gezeigt werden konnte, dass eine MAD auch ohne Prolaps bestehen kann und ventrikuläre Rhythmusereignisse sogar signifikant häufiger bei MAD-Patientinnen/-Patienten ohne Prolaps auftraten – das „MAD Arrhythmic Syndrome“ war geboren [2].

Unklare Datenlage

Insbesondere seit Veröffentlichung dieser Ergebnisse rückte die MAD mehr und mehr in den wissenschaftlichen Fokus. Zur Prävalenz in der Normalbevölkerung liegen bisher sehr widersprüchliche Daten vor, stark abhängig von der verwendeten Modalität und dem untersuchten Patientenkollektiv zwischen 6 % (transthorakale Echokardiografie) bis zu 96 % (Computertomografie) [1, 3]. Während bereits mehrere Studien das arrhythmogene Potenzial der MAD klar zeigen konnten [4, 5], deuteten einige sogar das Gegenteil an [6]. Trotz der dünnen Datenlage weisen die stetig wachsenden Zahlen an MAD-Publikationen insgesamt jedoch darauf hin, dass diese durchaus in der Genese maligner Arrhythmien eine Rolle spielen könnte.

Fazit

Eine MAD ist eine anatomische Variante des posterioren Mitralrings.

Ihr arrhythmogenes Potenzial ist zunehmend Gegenstand wissenschaftlicher Studien.

Bei insbesondere ventrikulären Arrhythmien ohne eindeutiges Substrat sollte an eine MAD gedacht werden.

Literatur beim Verfasser/ der Verfasserin

Kontakt-- Dr. Felix Troger; Assoz. Prof. PD Dr. Agnes Mayr, Medizinische Universität Innsbruck