Moderne Diagnostik und alternative Therapieansätze bei Kammertachykardien

Ventrikuläre Tachykardien-- Das Management ventrikulärer Tachykardien (VT) erweist sich häufig als umfassend und komplex. Neue Diagnostikverfahren und alternative Therapieansätze erfordern zunehmend eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, wie an einem Fallbeispiel erörtert wird.

Von M. Kruska und B. Rudic und J Boda-Heggemann Veröffentlicht:
Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist bei Patientinnen und Patienten mit komplexen ventrikulären Tachykardien gefragt.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist bei Patientinnen und Patienten mit komplexen ventrikulären Tachykardien gefragt.

© Moyo Studio / Getty Images / iStock

VT bei Patienten mit strukturellen Herzerkrankungen stellen ein unmittelbar lebensbedrohliches Krankheitsbild dar. Die schnelle und strukturierte Behandlung des möglicherweise hämodynamisch instabilen Patienten ist dabei eine besondere Herausforderung. Neben der unmittelbaren intensivmedizinischen und rhythmologischen Versorgung gehören hierzu die Behandlung reversibler Ursachen, die antiarrhythmische medikamentöse Therapie, eine Optimierung der Therapie der kardialen Grunderkrankung sowie die Katheterablation. Die erweiterten diagnostischen und therapeutischen Verfahren unterliegen einem steten technischen Wandel.

Fallbeispiel

Eine 63-jährige Patientin mit ischämischer Kardiomyopathie wurde im mittelfristigen Verlauf nach akutem Myokardinfarkt mit elektrischem Sturm auf die Intensivstation aufgenommen. Häufige monomorphe ventrikuläre Tachykardien (VT) machten Reanimationsmaßnahmen und eine Intubationsnarkose notwendig. Eine antiarrhythmische Therapie wie auch eine zweifache Katheterablation mit Modifikation eines inferobasalen Substrats verblieben erfolglos. Auch nach einer Ganglion-stellatum-Blockade traten weitere VT auf.

In interdisziplinärer Zusammenarbeit mit der Strahlentherapie konnte auf Grundlage des aktuellen elektroanatomischen Maps (EAM) ein Substrat als Zielvolumen identifiziert und erfolgreich einzeitig stereotaktisch bestrahlt werden. In der Nachsorge traten keine weiteren VT-Episoden und auch keine Nebenwirkungen der Bestrahlung auf.

Abb. 1-- Oberflächen-EKG einer klinischen VT (A) und zugehörigem Voltagemap des linken Ventrikels mit großen Narbenarealen inferoseptal basal bis inferoseptal apikal und mit Pfeilen markiertem geplantem Bestrahlungsareal (B). Bestrahlungsplan mit markiertem Zielvolumen (C).

Abb. 1-- Oberflächen-EKG einer klinischen VT (A) und zugehörigem Voltagemap des linken Ventrikels mit großen Narbenarealen inferoseptal basal bis inferoseptal apikal und mit Pfeilen markiertem geplantem Bestrahlungsareal (B). Bestrahlungsplan mit markiertem Zielvolumen (C).

© Kruska/Boda-Heggemann

Katheterablation und Bildgebung

Erweist sich die medikamentöse antiarrhythmische Therapie für die primäre VT-Behandlung als ineffektiv, gilt die Katheterablation in vielen Fällen als Klasse-I-Empfehlung [1]. Insbesondere Patienten mit struktureller Herzerkrankung profitieren von der Katheterablation [2–4]. Die Effektivität und der Erfolg der Katheterablation substratbasierter VT ist stark von der Identifikation des zugrunde liegenden Substrats und des Reentrymechanismus abhängig. Kritische Bestandteile der VT können durch elektroanatomische Mappingverfahren identifiziert und erhaltene Leitungskanäle innerhalb des Narbengewebes behandelt werden.

PD Dr. Judit Boda-Heggemann Universitätsmedizin Mannheim

PD Dr. Judit Boda-Heggemann Universitätsmedizin Mannheim

© Boda-Heggemann

Über die Risikostratifikation und Diagnostik der kardialen Grunderkrankung hinaus lassen sich durch kardiale Schnittbildgebung auch intramurale und epikardiale arrhythmogene Substrate darstellen, die durch ein endokardiales Mapping schwer oder nicht zu erfassen sind. Kardiale MRT und CT helfen so bei der präprozeduralen Identifizierung und Lokalisierung möglicher Ablationsziele. Die Bilddaten können auch intraprozedural in das EAM integriert werden [5]. In Beobachtungsstudien scheint die bildgebungsgestützte Ablation zur Verbesserung des Therapieergebnisses beizutragen, auch wenn hierzu randomisierte Studien fehlen [6].

Erweiterte Therapiestrategien –die stereotaktische Radioablation

Bleibt die Katheterablation ohne Erfolg, werden in kleineren Beobachtungsstudien verschiedene alternative Therapien wie die renale Denervation oder die Ganglion-stellatum-Blockade beschrieben [7, 8]. Als ebenfalls neues Verfahren bei therapierefraktären Patientenkollektiven kann eine stereotaktische Strahlentherapie in nur einer Behandlungssitzung durchgeführt werden. Die kardiale stereotaktische Körperstamm-Strahlentherapie, oder auch STAR (stereotactic arrhythmia radio-ablation/modulation) genannt, ist eine nicht invasive, hochpräzise und hoch dosierte Bestrahlung des arrhythmogenen Substrats mit bestmöglicher Schonung von umgebendem gesundem Gewebe durch moderne Linearbeschleuniger. Diese komplexe Behandlungsmodalität erfordert einen interdisziplinären Austausch sowohl in der EAM-basierten Lokalisation des Substrates als auch in der Bestrahlungsplanung und -durchführung. Eine besondere Herausforderung stellt der Transfer des EAM-Bestrahlungsziels in das Bestrahlungsplanungs-System dar [9]. Hierfür konnten zuletzt Softwarelösungen für die Übertragung und Qualitätssicherung entwickelt werden [10].

Die bisherigen experimentellen und klinischen Ergebnisse lassen vermuten, dass die Anwendung von STAR zu einer Veränderung der Leitungsgeschwindigkeit führt, lange bevor eine mögliche durch die Radiatio induzierte Fibrose zu erwarten wäre [9]. Möglicherweise kann deshalb bereits innerhalb von Tagen bis Wochen eine Reduktion von VT-Ereignissen und ICD-Interventionen beobachtet werden. Einzelne Fälle der erfolgreichen Anwendung in der Akutsituation sind bereits beschrieben [10, 11]. Die Durchführbarkeit und Sicherheit sowie die Standardisierung des Verfahrens werden derzeit in klinischen Studien validiert. So rekrutiert die deutsche multizentrische RAVENTA (Radiosurgery for Ventricular Tachycardia)-Studie Patientinnen und Patienten mit therapierefraktärer VT für STAR [12]. Das STOPSTORM (Standardized Treatment and outcome Platform for Stereotactic Therapy of reentrant Tachycardia) Consortium führt zudem europaweit Daten in einer Registerdatenbank zusammen, um die bislang selten angewandte Methode bereits früh zu harmonisieren.

Interdisziplinäres Vorgehen

Die diagnostischen und therapeutischen Verfahren zur Behandlung von Patienten mit VT stellen hohe Anforderungen an das ärztliche und pflegerische Team sowie an die strukturellen Ressourcen. Die intensivmedizinische Versorgung, die interventionelle Kardiologie und die invasive Elektrophysiologie werden ergänzt durch die kardiale Bildgebung und erweiterte Therapiestrategien. Wann welche Therapiemodalitäten zum Einsatz kommen, beruht auf einer patientengerechten, interdisziplinären Therapieentscheidung, wie im Fallbeispiel aufgeführt (s. Kasten). Bei Patienten mit komplexen VT kann eine Versorgung in spezialisierten Zentren sinnvoll sein [13].

Fazit

Die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit komplexen VT sollte durch ein interdisziplinäres Team und in spezialisierten Zentren erfolgen.

Wenn konventionelle Therapiemodalitäten nicht ansprechen, können innovative Verfahren wie die stereotaktische Strahlentherapie als vielversprechender Therapieansatz in Betracht gezogen werden, deren dauerhafte Wirksamkeit in spezialisierten Zentren und unter Studienbedingungen noch weiter evaluiert werden muss.

Literatur--

1. Zeppenfeld K et al. Eur Heart ,. 2022. 43(40): 3997-4126

2. Sapp JL et al. N Engl J Med, 2016. 375(2):111-21

3. Tung R. et al. Heart Rhythm, 2015. 12(9):1997-2007

4. DinovB. et al. Circulation, 2014. 129(7):728-36

5. Piers SR et al. JACC Cardiovasc Imaging, 214 7(8):774-84.

6. Siontis KC et al.Heart Rhythm, 2017. 14(10):1487-1493

7. Hawson J. et al. JACC Clin Electrophysiol, 2021. 7(1): 100-108

8. Lador A et al. Cardiovasc J, 2021. 17(1): 19-23

9. Blanck O et al. Strahlenther Onkol, 2022. 198(2): 209-211

10. Jumeau R et al. Radiother Oncol, 2018. 128(2): 189-191

11. Cuculich PS. et al. N Engl J Med, 2017. 377(24):2325-2336

12. Blanck O. et al. Clin Res Cardiol, 2020. 109(11):1319-1332

13. Deneke T,. Deisenhofer RBI,. Eckardt L, Schmidt B, Sommer P, Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zur Katheterablation ventrikulärer Arrhythmien. 2021.