Schlaganfallursachen mit IMD klären?

Schlaganfallätiologie-- Die Intima-Media-Dicke (IMD) ist nicht nur mit atherosklerotischen Stenosen hirnversorgender Arterien assoziiert, sondern auch mit Vorhofflimmern – und zwar unabhängig von kardiovaskulären Risikofaktoren. Inwiefern dieser Zusammenhang bei der Abklärung der Schlaganfallursache von Nutzen sein kann, wurde kürzlich in einer retrospektiven Kohortenstudie untersucht.

Von PD Dr. Gerrit M. Große Veröffentlicht:
Hilft bei der Entscheidung, wer ein Rhythmusmonitoring erhalten sollte: Die Bestimmung der IMD mittels Duplexsonografie. (Symbolbild mit Fotomodell)

Hilft bei der Entscheidung, wer ein Rhythmusmonitoring erhalten sollte: Die Bestimmung der IMD mittels Duplexsonografie. (Symbolbild mit Fotomodell)

© VILevi / Stock.adobe.com

Trotz intensiver diagnostischer Bemühungen bleibt die Schlaganfallätiologie in bis zu einem Drittel aller Fälle kryptogen [1]. Die mangelnde Kenntnis über den Mechanismus verursacht Unsicherheit bei der Auswahl der geeigneten sekundärpräventiven medikamentösen Behandlung. Es wird angenommen, dass ein bedeutender Anteil kryptogener Insulte auf ein inapparentes, paroxysmales Vorhofflimmern (VHF) zurückzuführen ist [2]. Große, randomisierte Studien, die eine generelle Antikoagulation bei embolischem Schlaganfall unklarer Ursache (ESUS) untersuchten, blieben neutral. Daher ist weiterhin eine Risikostratifizierung hinsichtlich eines möglichen kardioembolischen Mechanismus notwendig [3].

Die mittels Duplexsonografie leicht in der A. carotis communis zu bestimmende Intima-Media-Dicke (IMD) ist ein Surrogatparameter der subklinischen Atherosklerose und nicht nur mit kardiovaskulären Risikofaktoren assoziiert, sondern – unabhängig von diesen – mit VHF und atherosklerotischen Stenosen hirnversorgender Arterien [4, 5]. Es liegt somit die Hypothese nahe, dass durch Messung der IMD die Aufdeckung eines kardioembolischen Mechanismus bei kryptogenen Schlaganfällen unterstützt werden kann. Eine aktuelle Studie hat hierfür Daten von 800 Patientinnen und Patienten mit kernspintomografisch nachgewiesenem ischämischem Schlaganfall ausgewertet. Der diagnostische Wert der IMD wurde in Bezug auf die Schlaganfallätiologie untersucht und mit kardiovaskulären Risikofaktoren sowie klinischen Scores, die zur Prädiktion von VHF validiert worden sind, verglichen [6].

Idealer IMD-Cut-off liegt bei 0,7 mm

Pd Dr. Gerrit Große--Medizinische Hochschule Hannover

Pd Dr. Gerrit Große--Medizinische Hochschule Hannover

© Große

Die IMD-Werte waren entsprechend den Schlaganfallätiologien Kardioembolie, Makroangiopathie, Mikroangiopathie, kryptogene Ursache, andere und konkurrierende Ursache unterschiedlich verteilt, wobei Patienten mit kardioembolischen oder makroangiopathischen Schlaganfällen die höchsten Werte aufwiesen. Beim Vergleich zwischen kryptogenen und kardioembolischen Ursachen konnte ein idealer IMD-Cutoff von 0,7 mm identifiziert werden. Bei Werten unter 0,7 mm konnte ein später diagnostiziertes VHF mit einer Wahrscheinlichkeit von 93 % ausgeschlossen werden [6]. Eine solche Vorhersage ist für die Entscheidung relevant, welche Patienten mit kryptogenem Insult einem prolongierten Rhythmusmonitoring zugeführt werden sollten.

Diagnosewert von Risiko-Scores

Die multivariable Analyse unter Einbezug kardiovaskulärer Risikofaktoren ergab, dass insbesondere Alter und arterielle Hypertonie wichtige Prädiktoren für die Diagnose von VHF nach Schlaganfall sind. Unter den untersuchten Scores CHA2DS2-VASc, AS5F und HAVOC war der AS5F derjenige mit bester Kalibrierung und diagnostischem Wert zur VHF-Vorhersage (Fläche unter der ROC-Kurve: 0,71 [95%-Konfidenzintervall: 0,65–0,78]) [6]. Zusammengefasst unterscheidet sich die IMD zwischen den verschiedenen Schlaganfallätiologien und ist bei Patienten mit neu detektiertem VHF signifikant breiter. Dies kann im klinischen Alltag als zusätzliche und leicht gewinnbare Information verwendet werden, um den Nutzen einer weiterführenden Rhythmusanalyse nach kryptogenem Schlaganfall abzuschätzen. Allerdings ist der zusätzliche diagnostische Wert der IMD im Vergleich zu kardiovaskulären Risikofaktoren und klinischen Scores, insbesondere dem AS5F-Score, beschränkt. Letzterer ist mit den klinischen Faktoren Alter, Schweregrad des Schlaganfalls und Vorliegen einer transienten ischämischen Attacke ebenfalls leicht bestimmbar [7].

Fazit

IMD-Werte zwischen verschiedenen Schlaganfallätiologien sind unterschiedlich hoch und bei Patienten mit neu detektiertem VHF signifikant höher.

Mit der IMD lässt sich der Nutzen einer weiterführenden Rhythmusanalyse nach kryptogenem Schlaganfall abschätzen. Allerdings ist die Aussagekraft des Wertes verglichen mit anderen Risiko-Scores begrenzt.

Kontakt-- PD Dr. med. Gerrit M. Große, Klinik für Neurologie, Medizinische Hochschule Hannover, grosse.gerrit@mh-hannover.de

Literatur--

1. Yaghi S, Elkind MS. Neurol Clin Pract. 2014;4:386-93

2. Hart RG et al. Lancet Neurol. 2014;13:429-38

3. Diener HC et al. Nat Rev Neurol. 2022;18:455-65

4. Geurts S et al. J Am Heart Assoc. 2022;11:e023967

5. Nezu T et al. J Atheroscler Thromb. 2016;23:18-31

6. Sievering EM et al. Eur Stroke J. 2023; https://doi.org/10.1177/23969873231182492

7. Uphaus T et al. Neurology. 2019;92:e115-e124

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