„Time is brain“ bei Sekundärprophylaxe?

Ischämischer Schlaganfall bei Vorhofflimmern-- Noch immer wird über den optimalen Zeitpunkt für die Sekundärprophylaxe bei Patientinnen und Patienten mit ischämischem Schlaganfall und Vorhofflimmern diskutiert. Eine randomisierte Studie spricht nun für einen frühen DOAK-Beginn, zumindest bei bestimmten Patientenpopulationen.

Von D. Pommeranz und PD Dr. G. Große und Prof. B. Frank Veröffentlicht:

Im Zeitalter der „personalisierten Medizin“ stehen Kliniker vor der Herausforderung, den optimalen Zeitpunkt für die Sekundärprophylaxe beim ischämischen Schlaganfall und Vorhofflimmern festzulegen. Während ein früher Therapiebeginn mit einem direkten oralen Antikoagulans (DOAK) mit einem höheren Risiko für eine hämorrhagische Transformation des Infarkts einhergehen kann, ist bei einer späteren Initiierung mit häufigeren rekurrenten Ischämien zu rechnen. Bislang existieren keine evidenzbasierten Kriterien, wann der Beginn mit einem DOAK als wirksam und gleichzeitig sicher gilt. Die klinische Praxis basiert deshalb aktuell noch auf Expertenmeinungen. Gemäß europäischer Leitlinie wird ein Beginn nach der „1-3-6-12-Tage Regel“, abhängig von der Schlaganfallschwere anhand der NIHSS, empfohlen [1]. Die amerikanische Leitlinie sieht einen Beginn zwischen 4 und 14 Tagen vor, abhängig vom Risiko der hämorrhagischen Transformation [2].

Früher vs. später DOAK-Beginn

Doreen Pommeranz-- Universitätsklinikum Essen

Doreen Pommeranz-- Universitätsklinikum Essen

© Pommeranz

PD Dr. Benedikt Frank-- Universitätsklinikum Essen

PD Dr. Benedikt Frank-- Universitätsklinikum Essen

© Frank

Die kürzlich im „NEJM“ erschienene multinationale ELAN-Studie [3] im PROBE-Design (prospektiv, randomisiert, offen, verblindeter Endpunkt) hat den frühen mit einem späten Beginn einer DOAK-Therapie nach ischämischem Schlaganfall bei Vorhofflimmern verglichen. Insgesamt wurden 1.006 Patientinnen und Patienten zu einem frühen, 1.007 Patienten zu einem späten Beginn randomisiert. Die Definition von „früh“ oder „spät“ unterschied sich je nach dem mittels relativ einfachen bildgebenden Kriterien evaluierten Schweregrad. Bei leichten und moderaten Schlaganfällen erfolgte der „frühe“ Beginn einer DOAK innerhalb 48 Stunden und bei einem schweren Schlaganfall nach 6–7 Tagen. Der „späte“ Beginn war nach 3–4 Tagen bei leichten Schlaganfällen, 6–7 Tagen nach moderaten und nach 12–14 Tagen nach schweren Schlaganfällen.

Früher Therapiebeginn prognostisch von Vorteil

Primärer Endpunkt war eine Kombination aus Re-Ischämie, systemischer Embolie, großer extrakranieller Blutung, symptomatischer intrakranieller Blutung oder vaskulärer Tod nach Randomisierung. Das Studiendesign sah keine formale statistische Testung hinsichtlich Überlegenheit oder Nichtunterlegenheit vor, sondern einen deskriptiven Vergleich hinsichtlich der jeweiligen Endpunkte.

Ein früher DOAK-Beginn reduziert die Ereignisraten.

Dabei stellte sich heraus, dass ein früher DOAK-Beginn im Vergleich zu einem späten Therapiebeginn die Ereignisraten um 1,18 % reduziert (95%-KI: –2,84 bis 0,47): von 4,1 % auf 2,9 %. Insbesondere für die Inzidenz von Re-Ischämien und systemischen Embolien war der frühe Therapiebeginn mit geringeren Ereignisraten assoziiert. Keinen relevanten Unterschied gab es bei symptomatischen intrakraniellen Blutungen nach 30 und 90 Tagen. Nur bei jeweils zwei Patienten (0,2 %) pro Gruppe kam es zu symptomatischen intrakraniellen Blutungen innerhalb von 30 Tagen nach Randomisierung.

Aber: limitierte Übertragbarkeit

Die TIMING-Studie (NCT02961348) zeigte bereits, dass der Beginn einer DOAK-Behandlung innerhalb von 4 Tagen einem späteren Beginn nicht unterlegen ist. Mit der ELAN-Studie wurde die Latenz weiter auf unter 48 Stunden bei leichten und moderaten Schlaganfällen verkürzt. Durch diese Studie erhärten sich damit die Hinweise für die Vorteile eines frühen DOAK-Beginns. Auf eine limitierte Übertragbarkeit der ELAN-Ergebnisse weisen die Autoren in der Publikation selbst hin. Weil ausschließlich Patienten mit bis dato unbehandeltem oder unerkanntem Vorhofflimmern in die Studie eingeschlossen wurden, ist von einer Überschätzung der Ergebnisse, insbesondere hinsichtlich der Therapiewirksamkeit, auszugehen

Fazit

Die Ereignisraten in der ELAN-Studie sind – wie zuvor von den Autoren angenommen – insgesamt nicht sehr hoch, was zu recht unpräzisen Effektschätzern führte.

Um genauere Aussagen über Wirksamkeit und Sicherheit einer frühen DOAK, insbesondere auch für große Infarkte und schwer betroffene Patienten, treffen zu können, bleiben die Ergebnisse der laufenden Studien abzuwarten. Hier sind u. a. die großen randomisierten Studien OPTIMAS (NCT03759938) und START (NCT03021928) zu nennen.

Die vorliegende Arbeit bekräftigt uns jedoch klar darin, dass die Sorge vor symptomatischen intrakraniellen Blutungen durch den Beginn einer DOAK nach ischämischem Schlaganfall nicht zu groß sein sollte.

Literatur bei den Verfassern

Kontakt-- PD Dr. Benedikt Frank, Universitätsklinikum Essen, Klinik für Neurologie, benedikt.frank@uk-essen.de

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