Update Reanimation – was ist 2022 neu?

Studienlage-- Die Leitlinie zur Reanimation von 2021 konnte inzwischen erschienene relevante neue Studien, insbesondere bezüglich der Nachsorge nach Reanimation, noch nicht berücksichtigen. Doch dadurch hat sich die Evidenzlage womöglich geändert. Die wichtigsten Ergebnisse finden Sie in diesem Artikel.

Von Prof. Georg Fürnau Veröffentlicht:
Update Reanimation – was ist 2022 neu?

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Leitlinien des EuropeanResuscitation Council 2021

Die aktuellen Leitlinien des European Resuscitation Council zur Reanimation – normalerweise im 5-Jahres-Rhythmus veröffentlicht – wurden wegen der SARS-CoV-2-Pandemie erst ein Jahr später, im April 2021, publiziert [1]. Obwohl sie nunmehr erst etwas über ein Jahr alt sind, wurden in der Zwischenzeit aber wieder leitlinienrelevante Studien veröffentlicht. Dieser Artikel soll ein kleines Update der Leitlinien und einen Überblick über die aktuelle Evidenzlage, die noch nicht in den aktuellen Leitlinien berücksichtigt werden konnte, bieten.

Die Algorithmen für die eigentliche Reanimation haben sich in den letzten Leitlinien nicht wesentlich verändert. Auch seit Frühjahr 2021 sind hier keine großen Studien zu dem Thema publiziert worden. Im Gegensatz dazu sind aber im Bereich der Nachsorge nach Reanimation doch relevante Studien teilweise hochrangig veröffentlicht worden.

PD Dr. Georg Fürnau, Klinikum Dessau

PD Dr. Georg Fürnau, Klinikum Dessau

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Herzkatheteruntersuchung:Indikation nach Reanimation

Anders als bei Patientinnen und Patienten mit ST-Streckenhebungsinfarkt (STEMI), bei denen die Indikation zur sofortigen invasiven Koronardiagnostik mit Revaskularisation besteht, war die Datenlage beim non-STEMI bisher nicht eindeutig. Aufgrund der „Coronary Angiography After Cardiac Arrest“ (COACT)-Studie bei Patienten mit initialem schockbaren Rhythmus und Wiedererlangung eines suffizienten Kreislaufs nach Reanimation (ROCS) [2, 3], bestand in den Leitlinien von 2021 die Option, bei Patientinnen ohne hochgradigen Verdacht auf eine kardiale Ursache bei hämodynamischer und rhythmischer Stabilität auf eine sofortige Koronarangiografie zu verzichten.

Eine zweite kleinere Studie („Pilot Randomized Clinical Trial of Early Coronary Angiography Versus No Early Coronary Angiography for Post-Cardiac Arrest Patients Without ECG-ST-Segment Elevation“, PEARL), die allerdings nach Randomisierung von 99 Patienten abgebrochen werden musste, kam zu einem ähnlichen Ergebnis [4].

Diese Empfehlung konnte durch zwei weitere im letzten Jahr publizierte Studien bestätigt werden. Die „Immediate Unselected Coronary Angiography Versus Delayed Triage in Survivors of Out-of-hospital Cardiac Arrest Without ST-segment Elevation“ (TOMAHAWK)-Studie, mit 554 Patienten sogar knapp größer als COACT, untersuchte auch Patienten und Patientinnen mit initial nicht schockbaren EKG-Rhythmen (52,3 % bzw. 58,7 % mit primär schockbarem Rhythmus).

Primärer Endpunkt vergleichbar

In der Gruppe zur sofortigen invasiven Diagnostik wurde eine Koronarangiografie in 95,5 % der Fälle durchgeführt, in der Gruppe mit verzögertem bzw. selektivem invasivem Vorgehen nur in 62,2 % [5]. Eine Koronarintervention erfolgte in der Akutgruppe in 37,2% der katheterisierten Patienten, der Selektivgruppe bei 43,2%. Bezüglich des primären Endpunktes (Gesamtmortalität nach 30 Tagen) ergab sich kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen (54,0 % vs. 46,0 %; Hazard-Ratio [HR]: 1,28 [95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,00– 1,67; p-Wert im Log-Rank-Test: 0,06). Der kombinierte sekundäre Endpunkt Tod jeglicher Ursache oder schweres neurologisches Defizit, trat sogar häufiger in der Gruppe mit sofortiger Herzkatheteruntersuchung auf (Relatives Risiko [RR]: 1,16; 95%-KI: 1,00–1,34).

Nicht alle reanimierten Patienten brauchen eine sofortige Koronarangiografie.

Die mit 279 Patienten etwas kleinere „Emergency vs. Delayed Coronary Angiogram in Survivors of Out-of-Hospital Cardiac Arrest“ (EMERGE)-Studie stellte ein ähnliches Bild dar [6]: Bezüglich des primären Endpunktes (Gesamtmortalität ohne höhergradiges neurologisches Defizit nach 180 Tagen) konnte kein Unterschied zwischen den Gruppen gesehen werden (sofortige vs. verzögerte Herzkatheteruntersuchung: 34,1 % vs. 30,7 %; HR: 0,87; 95%-KI: 0,64–1,15; p = 0,31). Auch hier war, ähnlich den anderen Studien, die Rate durchgeführter Koronarinterventionen eher niedrig (30,2 % bzw. 23,0 %).

Eine vor Kurzem publizierte Metaanalyse [7] von COACT, TOMAHAWK und PEARL, noch ohne die erst sehr kürzlich publizierte EMERGE-Studie, ergab ein einheitliches Bild über alle 3 Studien ohne Unterschied in der Gesamtmortalität zwischen notfallmäßiger oder verzögerter bzw. selektiver Koronardiagnostik (42,7 % vs. 44,6 %; Odds-Ratio [OR]: 1,19; 95%-KI: 0,94–1,52; p = 0,15).

Insgesamt zeigt sich in allen vier Studien konsistent, dass bei hämodynamisch und rhythmisch stabilen Patienten nach außerklinischer Reanimation mit ROSC und ohne ST-Streckenhebungen im EKG eine sofortige Koronarangiografie keinen Vorteil für die Patienten hat. Die Tabelle oben fasst die Studien zusammen.

Milde therapeutische Hypothermie nach Reanimation

Seit vor 20 Jahren die ersten beiden Studien einen Vorteil für eine milde therapeutische Hypothermiebehandlung nach Reanimation zeigen konnten, ist diese in den Reanimationsleitlinien fix verankert [8, 9]. Im Jahr 2013 wurde erstmals in großem Rahmen in der „Target Temperature Management 33°C versus 36°C after Out-of-Hospital Cardiac Arrest“ (TTM)-Studie ein Vergleich von unterschiedlichen Zieltemperaturen durchgeführt [10]. Hier zeigte sich kein Unterschied im primären Endpunkt Tod bis zum Studienende (definiert als 180 Tage nach Einschluss des letzten Patienten).

Im Gegensatz dazu zeigte die kleinere „Therapeutic Hypothermia After Cardiac Arrest in Non Shockable Rhythm“ (HYPERION)-Studie, in der lediglich Patienten und Patientinnen mit initial nicht schockbaren Rhythmen eingeschlossen wurden, bei einer milden therapeutischen Hypothermie von 33 °C einen signifikanten Vorteil im Überleben ohne größeren neurologischen Schaden [11]. Interessant ist hier der Unterschied in der Rate an neurologisch gutem Überleben definiert als „Cerebral Performance Categories“ (CPC)-Score von 1 oder 2. Ein Überleben ohne oder mit maximal moderaten neurologischen Einschränkungen trat in der TTM- Studie bei 45,8 % bzw. 47,8 % auf. In der HYPERION-Studie war die Rate mit 10,2 % bzw. 5,7 % in den beiden Gruppen deutlich niedriger.

Bessere Ergebnisse in Skandinavien

Aktuell wurde zu diesem Thema die „Targeted Hypothermia versus Targeted Normothermia after Out-of-Hospital Cardiac Arrest“ (TTM2)-Studie publiziert [12]. Die weitaus größte randomisierte Studie bisher zum Thema Hypothermie schloss insgesamt 1.900 Patienten nach Reanimation ein und randomisierte sie zu milder therapeutischer Hypothermie (33 °C) bzw. gezielter Normothermie, bei der eine Temperaturkontrolle nur zu Fiebervermeidung (≥  37,8 °C) eingesetzt wurde. In der Normothermiegruppe erhielten nur 46 % eine aktive Kühlung gegenüber 95 % in der Hypothermiegruppe.

Beim primären Endpunkt Tod nach sechs Monaten zeigte sich kein Unterschied zwischen den Gruppen. Interessanterweise war in der TTM2-Studie ebenso wie in der TTM-Studie, die beide in Skandinavien durchgeführt wurden, eine deutlich niedrigere Mortalität um 50 % zu sehen. Wieso das Überleben in Skandinavien deutlich besser war, als in Studien, die in anderen Teilen der Welt durchgeführt wurden, ist unklar. Ein Erklärungsansatz könnte die sehr hohe Rate an Laienreanimationen von ca. 80 % sein.

In einem kürzlich publizierten Kommentar, inklusive Updates zu den Leitlinien von 2021, von einer Autorengruppe aus verschiedenen deutschen Fachgesellschaften, wird aufgrund der Unterschiede der skandinavischen Studienkollektive zu deutschen Reanimationskollektiven eine direkte Übertragung der Ergebnisse zurückhaltend gesehen, und es sollten noch weitere internationale Studien abgewartet werden [13].

Fazit

Hämodynamisch und rhythmisch stabile Patienten und Patientinnen nach außerklinischer Reanimation, mit ROSC und ohne ST-Streckenhebungen im EKG, profitieren nicht von einer sofortigen Koronarangiografie.

Zum Nutzen einer milden Hypothermie nach Reanimation ist die Datenlage noch inkonsistent.

Literatur beim Verfasser

Kontakt-- PD Dr. med. Georg Fürnau, Klinikum Dessau,

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