Ischämischer Schlaganfall

Was steckt hinter dem Troponinanstieg?

Biomarker bei Schlaganfall-- Erhöhte Troponinwerte werden im Kontext eines ischämischen Schlaganfalles oft gemessen. Wie die TRUST-MI-Studie zeigt, steckt nur selten eine KHK dahinter. Die Kardio-MRT könnte wichtige Einblicke in die Pathogenese geben und die Zahl unnötiger Koronarangiografien reduzieren.

Von Prof. Dr. med. Simon Greulich Veröffentlicht:
Was steckt hinter dem Troponinanstieg?

© Mengel et al. Front Cardiovasc Med. 2022; 9:989376.

Im klinischen Alltag werden Kardiologen/Kardiologinnen häufig mit erhöhten Troponinwerten bei akuten zerebrovaskulären Ereignissen konfrontiert, da die Leitlinien der American Heart Association (AHA) zur Therapie von Patienten mit akutem ischämischen Schlaganfall die Messung von Troponin in ihre Empfehlungen mit aufgenommen haben [1].
Prof. Dr. med. Simon Greulich, Universitätsklinikum Tübingen

Prof. Dr. med. Simon Greulich, Universitätsklinikum Tübingen

© Greulich

Ein positives Troponin zeigt eine myokardiale Schädigung an, der jeweilige Mechanismus ist damit aber nicht automatisch ersichtlich. Eine serielle Bestimmung des Troponins erlaubt die Abgrenzung von akuter myokardialer Schädigung (Delta > 20 %) von einer chronischen myokardialen Schädigung (Delta < 20 %) [2]. Neben einer akuten myokardialen Ischämie im Rahmen eines Myokardinfarktes können auch andere nicht-ischämische Erkrankungen (z. B. Myokarditis, Amyloidose), Klappenvitien, Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen oder andere unspezifische Schädigungsmechanismen (z. B. Sepsis, Lungenembolie usw.) zu einer Troponinerhöhung führen. Symptomatik, das Vorhandensein kardialer Vorerkrankungen bzw. kardiovaskulärer Risikofaktoren, EKG sowie die Echokardiografie bilden die Grundlagen in der Beurteilung eines positiven Troponinwertes. Interessanterweise zeigt nur eine Minderheit der Patienten mit Schlaganfall schlussendlich eine interventionspflichtige KHK als (wahrscheinlichste) Ursache für ein erhöhtes Troponin [3], sodass hier noch weitere Ursachen vorliegen müssen.

Was kann die Kardio-MRT beitragen?

Die kardiale MRT (CMR) erlaubt eine exzellente nicht invasive myokardiale Gewebecharakterisierung. Neben der Late-Gadolinium-Enhancement(LGE)-Technik, die in erster Linie fokale Prozesse ischämischer bzw. nicht-ischämischer Genese mit hoher Genauigkeit abbildet, lassen sich mittels Mappingverfahren (T1/T2-Mapping) zusätzlich diffuse myokardiale Veränderungen erfassen und quantifizieren, und mittels T1 und T2 fibrotische von entzündlichen (bzw. akute von chronischen) Veränderungen des Herzmuskels unterscheiden [4].

Am Universitätsklinikum Tübingen wurde in enger Kooperation zwischen Kardiologie, Neurologie und Radiologie die TRUST-MI-Studie (TRoponine of Unknown origin in STroke evaluated by cardiac Magnetic resonance Imaging) initiiert [5]. Vorrangiges Ziel dieser Studie war, das Myokard von Troponin-positiven Patienten mit ischämischem Schlaganfall mittels CMR und den hierfür zur Verfügung stehenden etablierten LGE- und neueren Mapping-Techniken umfassend nicht invasiv zu charakterisieren. 25 Patienten (mittleres Alter 62 Jahre, 44 % Frauen) wurden prospektiv eingeschlossen. Die Troponindynamik aller Patienten zeigten eine akute myokardiale Schädigung an (Delta der seriell bestimmten Troponinwerte > 20 %).

MRT-Befunde bei Troponin-positiven Schlaganfallpatienten

MRT-Befunde bei Troponin-positiven Schlaganfallpatienten

© Mengel et al. Front Cardiovasc Med. 2022; 9:989376

In der Akutphase des ischämischen Schlaganfalls wurde bei allen Patienten eine Darstellung der Koronarien (Herzkatheter oder Koronar-CT) und ein CMR durchgeführt. Von den 25 Patienten zeigten lediglich 2 (8 %) interventionspflichtige, höhergradige Koronarstenosen, die mittels PCI versorgt wurden. Bei 13 Patienten (52 %) ließ sich eine fokale Narbenbildung (LGE) nachweisen, hiervon hatten 4 Patienten ein ischämisches LGE, weitere 4 Patienten hatten nicht-ischämisches LGE, und 5 Patienten zeigten sowohl ischämisches als auch nicht-ischämisches LGE. Bei 9 der übrigen 12 Patienten (75 %) konnte mittels T1+T2-Mapping eine diffuse myokardiale Schädigung nachgewiesen werden. Insbesondere zeigten sich häufig erhöhte Werte im T2-Mapping als Hinweis auf akute inflammatorische myokardiale Prozesse (Ödem). Möglicher Mechanismus einer akuten myokardialen Schädigung im Rahmen eines Schlaganfalls ist eine überschießende Sympathikusaktivierung, die über metabolische und oxidative Prozesse zu Nekrosen und Entzündungsreaktionen führen kann (Hirn-Herz-Achse). Zudem kann es durch den neuronalen Zelltod zu inflammatorischen Prozessen und der Produktion von Zytokinen und Chemokinen kommen. Eine gestörte Mitochondrienfunktion, hervorgerufen durch die akute ischämische zerebrale Schädigung, wird ebenfalls als ein potenzieller Mechanismus diskutiert [6-8].

CMR gibt wichtige Einblicke

Nur bei 3 Patienten fand sich überhaupt keine Auffälligkeit in der myokardialen Gewebecharakterisierung mittels CMR. Somit scheint die CMR einen wichtigen Einblick in die bislang noch unvollständig verstandene Pathophysiologie der Troponinerhöhung beim akuten ischämischen Schlaganfall geben zu können. Die im CMR erhobenen Parameter könnten mittelfristig Einfluss auf das weitere diagnostische Management haben sowie ggf. auch langfristig prognostischen Nutzen für die Patienten bieten.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass unsere Studie an einem relativ jungen Patientenkollektiv (mit wenig Komorbiditäten) durchgeführt wurde und somit nicht ohne Weiteres auf das „klassische“ ältere Schlaganfallkollektiv (mit häufigen Komorbiditäten) übertragbar ist. Anamnese, kardiovaskuläres Risikoprofil, EKG, Echokardiografie und Koronarangiografie bleiben die Stützpfeiler im diagnostischen Management von Troponin-positiven Patienten, auch oder gerade eben beim ischämischen Schlaganfall. In unklaren Fällen, oder bei Patienten mit ansonsten niedrigem kardiovaskulären Risiko kann die CMR aber wichtige Hilfestellung bei erhöhten Troponinwerten bieten und ggf. langfristig helfen, die Zahl unnötiger Koronarangiografien zu reduzieren.

Fazit

Nur die wenigsten Troponin-positiven Patienten/Patientinnen mit ischämischem Schlaganfall zeigen interventionspflichtige Koronarstenosen.

Die CMR scheint einen wichtigen Einblick in die noch unvollständig verstandene Pathophysiologie der Troponinerhöhung beim akuten ischämischen Schlaganfall geben zu können.

Literatur--

1. Jauch EC et al. Guidelines for the early management of patients with acute ischemic stroke: a guideline for healthcare professionals from the American Heart Association/American Stroke Association. Stroke. 2013;44:870-947

2. Thygesen K et al. Fourth Universal Definition of Myocardial Infarction). J Am Coll Cardiol. 2018; 72(18):2231-64

3. Nolte CH et alponin elevation in ischemic stroke patients. Med Klin Intensivmed Notfmed. 2017;112(3):222-6

4. Greulich S et al. Recent advances in cardiac magnetic resonance. F1000Res. 2016;5:F1000 Faculty Rev-2253

5. Mengel A et al. TRoponin of Unknown origin in STroke evaluated by multi-component cardiac Magnetic resonance Imaging - The TRUST-MI study. Front Cardiovasc Med. 2022, 9:989376.

6. Sposato LA et al. Post-Stroke Cardiovascular Complications and Neurogenic Cardiac Injury: JACC State-of-the-Art Review. J Am Coll Cardiol. 2020;76(23):2768-85

7. Stengl H et al. Cardiomyocyte Injury Following Acute Ischemic Stroke: Protocol for a Prospective Observational Cohort Study. JMIR Res Protoc. 2021; 10(2):e24186

8. Samuels, MA. The brain-heart connection. Circulation. 2007:116(1):77-84

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Kontakt-- Prof. Dr. med. Simon Greulich, Abteilung für Kardiologie und Angiologie, Universitätsklinikum Tübingen,

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