Interview mit Prof. Borggrefe und Prof. Dürschmied
Blick zurück und nach vorn: Mannheimer Köpfe
Führungswechsel-- In der Mannheimer Universitätsmedizin (UMM) gab es kürzlich einen Wechsel im Direktorat der I. Medizinischen Klinik (für Kardiologie, Angiologie, Hämostaseologie und Internistische Intensivmedizin). Wir haben den Emeritus Prof. Martin Borggrefe und seinen Nachfolger, Prof. Daniel Dürschmied nach alten und neuen Erfahrungen gefragt.
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Haupteingang des Universitätsklinikums Mannheim (eröffnet 1922).
© UMM
Oldtimer und Oboe statt Kardiologie

Prof. Martin Borggrefe
© Borggrefe
Borggrefe: Mein größter Erfolg in der Klinik ist, dass wir es schafften, eine Krankenversorgung der Kardiologie auf höchstem Niveau aufzubauen, unter Einschluss von Intensivmedizin, Angiologie, Pneumologie und Hämostaseologie.
Wissenschaftlich gelang es uns, einen DZHK-Standort zusammen mit Prof. em. Dr. Dr. h.c. Hugo Katus zu etablieren – mit Fokus auf Arrhythmien. In 21 Jahren habe ich 33 Habilitanden betreut und das spiegelt sich auch in einer starken Publikationsleistung wider.
Außerdem fühlte ich mich als Hochschullehrer immer besonders den Studierenden verpflichtet, deren Anliegen mit sehr am Herzen liegen.
Was war das schwierigste Problem, dass Sie als Klinikdirektor lösen mussten?
Leider fehlt in Mannheim eine Herzchirurgie. Von Anfang an pflegte ich aber ein freundschaftliches Verhältnis mit Prof. em. Dr. Siegfried Hagl in Heidelberg und danach mit dessen Nachfolger Prof. Dr. Matthias Karck.
In den letzten Jahren arbeiteten wir auch sehr eng mit Prof. Dr. Falk-Udo Sack in Ludwigshafen zusammen, mit dem wir gemeinsam mit dessen kardiologischem Partner, Prof. Dr. Ralf Zahn, ein sehr erfolgreiches TAVI-Programm auflegten.
Welche Botschaft möchten Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben?
Ich halte die Stärkung des DZHK-Standortes Heidelberg/Mannheim für ein besonders wichtiges Ziel, denn Wissenschaft ist eine unserer wichtigsten Aufgaben.
Ich wünsche Prof. Dr. Daniel Dürschmied auch, dass er das breite klinische Spektrum der I. Medizinischen Klinik zusammenhalten kann.
Davon, dass er als Ordinarius den klinisch wissenschaftlichen Schwerpunkt der interventionellen Rhythmologie weiter akademisch erhalten und ausbauen kann, bin ich fest überzeugt. Patientinnen und Patienten mit Ionenkanalerkrankungen und anderen rhythmologischen Krankheitsbildern werden in Mannheim auch zukünftig perfekt betreut sein.
Fiel Ihnen der Abschied aus der Klinik schwer? Und womit füllen Sie jetzt Ihre freie Zeit?
In den letzten Jahren hat die Corona-Pandemie maßgeblich zu einer „Entschleunigung“ beigetragen. Insbesondere meine Kongress- und Reisetätigkeit hatte sich deutlich reduziert – und so konnte ich beruhigt in den Ruhestand treten.
Dieser Schritt fiel mir also verhältnismäßig leicht und ich bin froh, mich nun meinen Hobbys Oldtimer und Musik (ich spiele leidenschaftlich Oboe) und der Familie widmen zu können. Darüber hinaus kann ich die freie Zeit nun noch intensiver in der wunderschönen Pfalz genießen
Forschung, Lehre & kardiovaskuläre Maximalversorung

Prof. Daniel Dürschmied
© Dürschmied
Dürschmied: Ich wurde an der Uniklinik Mannheim ausgesprochen herzlich aufgenommen. Mein Vorgänger Prof. Borggrefe hatte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut vorbereitet und eine detaillierte Übergabe gemacht. So fand ich eine sehr gut funktionierende Klinik vor und ein Team, das perfekt eingespielt und offen für Neues war.
In den ersten 100 Tagen gelang es uns, die kardiovaskuläre Maximalversorgung der UMM nahtlos fortzusetzen. Auch die weltweit renommierte Tradition der Mannheimer Rhythmologie, die Prof. em. Dr. Martin Borggrefe begründet hat, können wir mit einer neuen W3-Professur in der I. Medizinischen Klinik fortsetzen. Mit vier Herzkatheterlaboren und einer interdisziplinären, konservativen Intensivstation sind wir besonders stark in der Akutmedizin aufgestellt. So haben wir auch mit allen internistischen Fächern und der Neurologie eine neue Intermediate-Care-Station erfolgreich geplant und sind nun in der Umsetzung. Die Ablauforganisation ambulanter und stationärer Eingriffe optimieren wir mit einer neuen Aufnahme- und Vorbereitungseinheit.
Die Universitätskliniken Mannheim und Heidelberg werden künftig stärker im Verbund kooperieren. Mit meinem hoch geschätzten Heidelberger Kollegen Prof. Dr. Norbert Frey haben wir schon jetzt mehrere Kooperationsbereiche definiert und arbeiten eng zusammen.
Ich bin stolz, dass unser erweitertes Basic-Science-Team nun zur vaskulären Biologie forscht. Wir fanden schnell Anschluss an das berühmte, von Prof. Dr. Hellmut Augustin geleitete European Center for Angioscience (ECAS) und sind an mehreren Antragsverfahren beteiligt. Mit einer weiteren W3-Professur soll das intensiviert werden. Es freut mich sehr, dass wir mit Prof. Dr. Denisa Wagner, meiner wissenschaftlichen Mentorin von der Harvard Medical School, ein spannendes Symposium organisieren konnten, das uns forschende Klinikerinnen und Kliniker mit den „Vollblut-Forschenden“ des ECAS zusammen brachte.
Besonders schwer war es für mich, das ärztliche und nicht ärztliche Personal mit unseren neuen Entwicklungen mitwachsen zu lassen. Obwohl ich als langjähriger Personaloberarzt von Prof. em. Dr. Dr. h.c. Christoph Bode in Freiburg sehr viel Erfahrung in der Personalentwicklung mitbrachte, war es für mich ausgesprochen ernüchternd, dass Sparzwänge – und auch Nachwuchsmangel etwa in der Intensivpflege – ein optimales Arbeiten in adäquater Mannschaftsstärke oft nicht zulassen. Aber wir arbeiten eng mit Geschäftsführung und Pflegedirektion zusammen, um sukzessive das Personal aufzustocken und den individuellen Vorstellungen entsprechend zu entwickeln.
Welches Ziel/welche Veränderung streben Sie mittelfristig als Klinikdirektor an?
Wir werden mit der I. Medizinischen Klinik der UMM der Mannheimer Bevölkerung mittelfristig eine noch stärkere kardiovaskuläre Akutmedizin anbieten – weil wir hier mitten in dieser Großstadt mit 312.000 Einwohnern liegen und kurze Wege im Notfall wichtig sind. Dazu kooperieren wir in der Fortentwicklung extrakorporaler Kreislaufunterstützung auch mit dem anästhesiologischen Team von Prof. Dr. Grietje Beck und den neonatologischen Spezialisten um Prof. Dr. Thomas Schaible.
Die enge Zusammenarbeit mit der Heidelberger Herzchirurgie von Prof. Dr. Matthias Karck ermöglicht es zudem, im Verbund alle modernen Verfahren kardiovaskulärer Medizin anzubieten und Innovationen zu entwickeln. In der Forschung werden wir neue Mechanismen der Gefäßentzündung entdecken und hoffentlich in effektive Primärprävention übersetzen können.
Die exzellente Mannheimer Lehre werden wir kardiovaskulär verstärken. Wir haben ein besonderes Lehrkonzept realisiert, über das sich Studierende gerne direkt bei mir informieren können.
Gibt es Inhalte oder Aktivitäten Ihres Vorgängers, die Sie fortsetzen oder weiterentwickeln möchten?
Die wertvolle Borggrefe-Tradition der ganzheitlichen Rhythmologie wird weiterleben und sich mit translationalen Forschungsprojekten auch weiterentwickeln. Das Mannheim Institute for Intelligent Systems in Medicine (MIISM) mit Prof. Dr. Jan Stallkamp liegt im gleichen Flur und wir werden gemeinsam, teils in Kooperation mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), insbesondere auf Technikinnovation fokussieren.
Worauf freuen Sie sich am meisten in Mannheim?
Auf das überraschend breite internationale kulturelle Angebot, das ich mit meiner Familie gerade mit großer Freude entdecke.