Interview mit zwei Kardiologinnen

Chancengleichheit heißt, langfristig zu denken

Zwischen Kind und Karriere-- PD Dr. med. Julia Pohl und Dr. med. Maria Papathanasiou haben mit uns darüber gesprochen, wie sie von Mentees zu Mentorinnen geworden sind und welche Rolle die Unterstützung des Arbeitgebers beim Spagat zwischen Familie, Klinik und Wissenschaft spielt.

Ein Interview von PD Dr. Anna Lena Hohneck und Dr. Hannah Billig Veröffentlicht:
Den Spagat zwischen Karriere und Familie zu meistern, gleicht manchmal einem Drahtseilakt. Aber es ist zu schaffen.

Den Spagat zwischen Karriere und Familie zu meistern, gleicht manchmal einem Drahtseilakt. Aber es ist zu schaffen.

© alphaspirit / adobe.stock.com (Symbolbild mit Fotomodell)

Gab es Vorbilder, die Euch wissenschaftlich oder medizinisch inspiriert haben?

JP: Ich hatte und habe immer Mentor*innen, die mich teilweise schon seit meiner Doktorarbeit begleiten. Ich glaube, es ist super wichtig, dass man einen oder mehrere Mentor*innen hat. Bei uns ist es so, dass jeder zu Berufsbeginn eine*n Mentor*in zugeteilt bekommt. Das kann sich dann später nochmal ändern, falls sich ein anderer klinischer oder wissenschaftlicher Schwerpunkt ergibt. Aber mit dem Mentor werden alle akuten Themen besprochen oder auch Personalgespräche geführt.

MP: Bereits während des Medizinstudiums durfte ich einige passionierte Hochschullehrer*innen kennenlernen, die uns Studierenden die Freude an der wissenschaftlichen Arbeit vermitteln wollten. Später im Berufsleben hat sich meine Vorstellung des Traumberufs konkretisiert. Ich glaube, dass ich während meiner bisherigen Laufbahn von vielen exzellenten Mentor*innen, Kolleg*innen und Vorgesetzten inspiriert wurde.

Dr. Maria Papathanasious, (38) hat eine Tochter, hat kürzlich ihre Habilitation eingereicht und arbeitet ebenfalls als Oberärztin an der Uniklinik Essen als Leiterin der Herzinsuffizienz- und Herztransplantations-Ambulanz.

Dr. Maria Papathanasious, (38) hat eine Tochter, hat kürzlich ihre Habilitation eingereicht und arbeitet ebenfalls als Oberärztin an der Uniklinik Essen als Leiterin der Herzinsuffizienz- und Herztransplantations-Ambulanz.

© Papathanasious

PD Dr. Julia Pohl, (37) hat zwei Kinder, ist habilitiert und leitet das ambulante Herz-/Kreislaufzentrum als Oberärztin des Universitätsklinikums Essen.

PD Dr. Julia Pohl, (37) hat zwei Kinder, ist habilitiert und leitet das ambulante Herz-/Kreislaufzentrum als Oberärztin des Universitätsklinikums Essen.

© Pohl

Wie schafft Ihr es, Klinik, Wissenschaft und Familie zu vereinbaren?

JP: Ich weiß gar nicht, ob ich es schon geschafft habe. Man muss jeden Tag darauf achten, dass man Klinik, Wissenschaft und Familie vereinbaren kann. Wir haben viele Kolleg*innen, die mit Kindern nach dem Facharzt in der Klinik bleiben. Dafür gibt es viele verschiedene Modelle und viel Unterstützung vom Arbeitgeber.

MP: Man muss es wirklich wollen und man darf sich nicht von Stereotypen beeinflussen lassen. Es klingt schwieriger, als es tatsächlich ist, aber man muss erstmal von sich selbst überzeugt sein. Niemand hat diesen Spagat natürlich ganz alleine geschafft. An diesem Punkt sind wir wieder beim Thema Mentoring. Ich selbst wäre nicht so einfach auf die Idee gekommen, mich auf eine große [Forschungs-] Förderung zu bewerben, wurde aber hierzu ermutigt und dabei maximal unterstützt. So kam es, dass ich aktuell zu 50 Prozent in der Klinik und 50 Prozent in der Forschung arbeite.

Welche Unterstützung vom Arbeitgeber wünscht Ihr Euch als Mütter besonders?

JP: Bei uns funktioniert das schon sehr gut. Kurz bevor man beispielsweise aus der Elternzeit zurückkommt, gibt es ein Gespräch und man kommuniziert seine Vorstellungen. Das ist total flexibel: Zwei Tage pro Woche, jeden Freitag frei, täglich von 8 bis 12 Uhr – das ist alles möglich. Für spezielle Rotationen wie Intensivstation oder Herzkatheter ist natürlich auch mal eine andere Lösung erforderlich.

Die Arbeit im Herzkatheter hat mir von Anfang an total gut gefallen und es war mein Wunsch, dort weiterhin tätig zu sein. Eine Teilzeitbeschäftigung ist bei uns zum Glück kein Hinderungsgrund. Ich habe eine 75 Prozent-Stelle und führe die Untersuchungen im ambulanten Zentrum größtenteils selbst durch.

Man muss auch voll dahinterstehen.

MP: Ein Arbeitgeber sollte vorausschauend handeln. Wir haben hierfür in Essen ein wirklich gutes Konzept für Frauen ebenso wie für Männer. Flexibilität ist hier ein wichtiges Stichwort. Chancengleichheit bedeutet auch, langfristig zu denken. Auch ein Teilzeitmodell sollte zum Beispiel mit einer Führungsposition oder einer invasiven Tätigkeit vereinbar sein.

Hattet Ihr auch mit Neid und Missgunst zu kämpfen?

JP: Mir wurde eher zurückgemeldet, dass es für jüngere Assistentinnen gut war, zu sehen, dass auch Frauen gefördert werden und dass es einen Weg gibt.

MP: Es kommt vor, dass man negative Gefühle von Kolleg*innen oder Mitmenschen erlebt. Das wird es immer geben. Solche Umstände können wir nicht kontrollieren und es ist eher lehrreich, diese Erfahrungen gemacht zu haben. Man kann lernen, damit umzugehen, ohne sich von seinem Weg abbringen zu lassen.

Gibt es etwas, das Ihr jungen Kardiolog*innen mit auf den Weg geben möchtet?

MP: Man sollte sich selbst treu bleiben und nicht versuchen, sich an veraltete Strukturen und Arbeitsmodelle anzupassen. Bleibt mit jüngeren und älteren Kolleg*innen immer im Austausch und stellt Euch der Herausforderung.

JP: Dran bleiben, hartnäckig bleiben. Wenn man es unbedingt will, kann man das auch schaffen. Es ist nicht immer einfach, aber es funktioniert irgendwie. Aber ich glaube, man muss auch voll dahinterstehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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