Durch Zufall das Fach entdeckt und leidenschaftlicher Kardiologe geworden
Interview-- Prof. Christian Hamm berichtet über seine ärztliche Laufbahn, welche Bereiche der Kardiologie ihn besonders begeistert haben und wer ihn besonders geprägt hat. Wichtige Gedanken zur Nachwuchs-Situation in der Kardiologie leitet er daraus ab.
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Die Entwicklung der modernen Kardiologie miterleben und mitgestalten zu können, ist sehr erfüllend.
© Stuart Kinlough/Ikon Images/mauritius images
Wie fühlst Du Dich, wenn Du zurückblickst auf Deine lange Tätigkeit und Deine Errungenschaften?
Viel Zufriedenheit. Als Kardiologe kann man meist seinen Behandlungserfolg sofort sehen und bekommt viel Dankbarkeit vom Patienten zurück.
Stolz macht mich auch, dass ich ein Team hatte, mit dem es gelungen ist, die Kerckhoff Klinik und die Universität Gießen zusammenzuführen und zu ein Spitzenzentrum aufzubauen.

Prof. Dr. Christian Hamm ist Direktor der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, Standort Gießen, und Ärztlicher Direktor der Abteilung Kardiologie der Kerckhoff Klinik in Bad Nauheim.
Nicht zuletzt hatte ich das besondere Glück, die rasche Entwicklung der modernen Kardiologie in den letzten 40 Jahren miterleben zu dürfen und teilweise auch mitzugestalten.
Über welche Deiner Leistungen/Errungenschaften freust Du Dich besonders?
Die größte Freude ist es, wenn man in seiner Zeit Dinge bewegen konnte, die Spuren hinterlassen. Ich hatte immer den Anspruch, dass neben meiner Tätigkeit als Arzt meine Forschungstätigkeit direkt beim Patienten ankommt.
Zwei Tätigkeitsfelder haben mich besonders begeistert. Zum einen die interventionelle Kardiologie. Die GABI-Studie, die als erste randomisierte Studie Ballondilatation gegen CABG bei der koronaren Mehrgefäßerkrankung verglich, war ein Meilenstein ihrer Zeit. Zum anderen galt mein Interesse der Biomarkerforschung. Die drei Arbeiten im New England Journal of Medicine zu Troponin aus den 90er-Jahren haben sicherlich entscheidend dazu beigetragen, dass die Troponinbestimmung heute beim akuten Koronarsyndrom unverzichtbar geworden ist und dadurch auch Einfluss auf die Sterblichkeit der KHK genommen hat.
Des Weiteren war es für mich sehr spannend, dass man durch Teilnahme und Vorsitze in verschiedenen Leitlinienkommissionen der ESC und DGK die Medizin seiner Zeit beeinflussen konnte. Nicht zuletzt gilt das auch für meine Präsidentschaft bei der DGK und als Board-Mitglied bei der ESC. Der Kontakt zu den Meinungsbildnern seiner Zeit – national und international – war immer ein persönlich besonderes Erlebnis.
Gibt es Dinge in Deiner Laufbahn, die Du anders machen würdest bzw. die Du bereust?
Glücklicherweise sehr wenig. Mir ist es damals schwer gefallen, meine Heimatstadt Hamburg zu verlassen. Aber ich habe in Hessen eine neue Heimat gefunden.
Gab es wichtige Situationen/Momente, die im Nachhinein entscheidend waren?
Zur Kardiologie bin ich gekommen, da die Gastroenterologen mich als Doktoranden nicht annehmen wollten. Dann aber hatte ich das Glück, immer wieder auf Menschen zu treffen und mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die die gleiche und manchmal sogar noch mehr Begeisterung für ihren Beruf hatten.
Gibt es eine Person, die Dich besonders geprägt hat?
Nicht nur eine. Zuerst mein Vater, der mir sagte, ich könnte studieren, was ich will, aber Medizin muss dabei sein. Dann sind es eigentlich drei Personen, die meinen Werdegang beeinflusst haben. Professor Bleifeld, der mich gelehrt hat, pathophysiologisch an die Medizin heranzugehen und der visionär erkannt hatte, wo die Zukunft der Kardiologie liegt. Dann Prof. Lionel Opie in Kapstadt, der mir während meiner Zeit in der Grundlagenforschung wissenschaftliches Denken beigebracht hat. Außerdem Prof. Eugene Braunwald, der mich uneigennützig bei meinen Biomarker-Projekten unterstützt hat.

Prof. Hamm war von 2013–2015 Präsident der DGK.
© Thomas Hauss
Mit welchen Gefühlen betrachtest Du die Entwicklung des wissenschaftlichen Nachwuchses?
Wir haben ausgezeichnete junge Ärzte und besonders auch Ärztinnen. Aber die haben es schwer, Forschung, klinische Ausbildung und dann noch Familie unter einen Hut zu bringen. Zu Recht hat die junge Generation die Work-Life-Time-Balance zum Thema gemacht. Ich mache mir aber Sorgen, dass die Zeit fehlt, auch seine ärztlichen Skills zu entwickeln. Das ist in der Kardiologie mit den Kathetertechniken ganz besonders wichtig. Um später Leitungsfunktionen zu übernehmen, muss man auch klinische Kompetenz erwerben. Es darf nicht sein, dass die wissenschaftliche Karriere an einem Universitätskrankenhaus zulasten der klinischen Ausbildung geht.
Was würdest Du jungen Kardiologen und Kolleginnen in Ausbildung raten?
Zwei grundlegende Dinge:
1. Man verbringt so viel Lebenszeit in seinem Beruf, dass es jeden Tag Freude bereiten muss zu arbeiten. Sucht Euch ein Feld, das Euch liegt. Die Kardiologie bietet so viele Optionen, wie interventionelle Verfahren, Elektrophysiologie, Bildgebung, Prävention usw. Da ist für jeden was dabei.
2. Vergesst nicht, dass Ihr Ärzte seid. Das heißt kranke Menschen suchen Euren Rat. Deshalb bringt genügend Empathie auf, dann kommt auch viel Positives zurück. Gerade in der Kardiologie sind die Behandlungserfolge schnell sichtbar.
Wenn Christian Hamm 2023 sein Studium beenden würde, welchen Weg würde er gehen?
Ich würde wieder Kardiologie machen, da dieses Fach einzigartig manuelle Tätigkeit und Fachwissen kombiniert und weiterhin großes Zukunftspotenzial hat. Vor 45 Jahren bin ich durch Zufall in der Kardiologie gelandet, heute aus Überzeugung.
Kannst Du uns schon sagen, wie Deine Zeit nach Emeritierung aussehen wird?
Zuerst möchte ich meine Kliniken geordnet und leistungsfähig an meinen Nachfolger Professor Samuel Sossalla übergeben und ihn unterstützen, dass er die Arbeit erfolgreich fortsetzen kann. Ich freue mich aber auf mehr Zeit, über die ich frei verfügen kann. Und ich habe das große Glück, noch heranwachsende Kinder zu haben, die ich durch die Schulzeit begleiten möchte.
Vielen Dank für das Gespräch!