Hausarztzentrierte Versorgung erfordert Engagement
Der Nächste bitte--Immer häufiger erlebt unser Autor, dass Hausärzte und Hausärztinnen Patienten zu ihm wegen vermeintlicher Banalitäten überweisen. Er fordert deshalb mehr Engagement, damit die hausarztzentrierte Versorgung funktionieren kann.
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Dr. Heribert Brück-- Kardiologe aus Erkelenz und BNK-Pressesprecher.
© Brück
Gestern war ich morgens beim Blick in den Terminkalender der Praxis überrascht, einen 86-jährigen Patienten zu entdecken, den ich erst vor 6 Wochen gesehen hatte. Er war jetzt als Hausarzt-vermittelter Notfall angemeldet. Ich hatte ihm wegen seiner Herzinsuffizienz zuletzt zu seinem ARNI und Betablocker, dazu einen SGLT2-Inhibitor und Eplerenon verordnet und die Torasemid-Dosis verdoppelt. Deshalb konnte ich mir nicht vorstellen, was denn schlechter geworden sein sollte. Das klärte sich dann aber rasch bei der aktuellen Medikamentenanamnese: Nach seinem letzten Besuch sei es ihm zunächst besser ergangen, aber die neu verordneten Präparate nehme er jetzt nicht mehr ein und die Torasemid-Dosis war auch wieder reduziert. Gefragt warum das so ist, antwortete er, dass die Packungen ja zu Ende gewesen seien und der Hausarzt auch nichts gesagt habe. Nun hatte ich tatsächlich nur eine N1-Packung verordnet, da ja nicht absehbar war, wie er sie verträgt, aber ich hatte das ihm gegenüber und auch in dem Brief als Dauermedikation bezeichnet. Warum hat der Hausarzt das nicht überprüft und den Patienten lieber als Notfall zu uns geschickt?
Aber das ist genau ein Phänomen, das wir zunehmend häufiger erleben: Hausarztzentrierte Versorgung ist sicher sinnvoll, sie erfordert aber auch ein entsprechendes Engagement der Hausärztinnen und Hausärzte. Und daran mangelt es immer öfters, warum auch immer. Auch bei anderen Fachrichtungen müssen wir leider immer häufiger feststellen, dass man uns die Verantwortung für das weitere Handeln übertragen möchte: Operative Ärzte und auch Anästhesisten wollen von uns die OP- oder Narkosefähigkeit bescheinigt haben. Oder es kommt immer wieder vor, dass Gynäkologen nachfragen, ob Patientinnen, die schwanger werden möchten, ihre Blutdruckmedikamente weiter nehmen könnten – dabei bin ich immer davon ausgegangen, dass es genau umgekehrt sein sollte.
Bei dem älteren Herrn war echokardiografisch übrigens keine wesentliche Änderung feststellbar. Ich habe ihm jeweils eine N3-Packung aufgeschrieben und ihn noch einmal nachdrücklich darauf hingewiesen, dass dies eine Dauermedikation sei und er sich beim Hausarzt oder bei uns ein neues Rezept holen solle, wenn die Packung zu Ende geht. Da es sich um eine Hausarzt-Vermittlung handelte, war der Besuch wenigstens extrabudgetär und somit nicht umsonst.