Interventionelle Kardiologie – noch immer eine Männerdomäne?

Gleichberechtigung-- Interventionell tätige Kardiologinnen sind in Deutschland und weltweit immer noch in der Minderheit. Das Hamburger Modell zeigt Möglichkeiten für mehr Gleichberechtigung.

Von PD Dr. C. Magnussen und Prof. S. Blankenberg Veröffentlicht:
Frauen am Kathetertisch-- das ist selbst heute noch eher eine Ausnahme.

Frauen am Kathetertisch-- das ist selbst heute noch eher eine Ausnahme.

© dima_sidelnikov / Getty Images / iStock ((Symbolbild mit Fotomodell)

Mittlerweile sind zwei Drittel aller Medizinstudierenden Frauen. Auch die DGK verzeichnet einen zunehmenden Frauenanteil unter ihren Mitgliedern (2000: 87,5 % Männer, 12,5 % Frauen; 2020: 74,7 % Männer, 25,3 % Frauen) [1]. Trotzdem sind interventionell tätige Kardiologinnen eine Minderheit. Die Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie (AG 6, AGIK) verzeichnete 2021 85 % männliche und 15% weibliche Mitglieder [1].

PD Dr. Christina Magnussen Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

PD Dr. Christina Magnussen Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

© Magnussen

Auch im europäischen Vergleich sind nur ca. 10 % der interventionell Tätigen Frauen [2]. Organisationen wie das EAPCI Women Committee versuchen, den Gender Gap in der interventionellen Kardiologie zu schließen; Die PG 13 (Frauen und Familie in der Kardiologie; [3]) setzt sich für Chancengerechtigkeit ein und adressiert u. a. Themen rund um Mutterschutz und Strahlenbelastung.

Oft werden biologische Gründe für die Unterrepräsentation von Frauen in der interventionellen Kardiologie angeführt: Die Ausbildung im Katheterlabor oder Hybrid-Labor fällt häufig zeitlich mit dem Wunsch zusammen, eine Familie zu gründen. Gerade Schwangerschaft und Erziehungszeiten unterbrechen bzw. verzögern die Ausbildung erheblich und schaffen damit einen klaren Nachteil gegenüber den männlichen Kollegen. Nach Rückkehr aus der Elternzeit sind Dienste generell eine zeitliche und logistische Herausforderung. Außerdem kehren viele Frauen mit reduzierter Stundenanzahl zurück. Dabei ist die interventionelle Tätigkeit in Teilzeit aufgrund feststehender OP-Zeiten und 24/7 Katheterprogramm oft schwer umzusetzen. Arbeit in Teilzeit hat auch eine Verlängerung der interventionellen Ausbildung zur Folge, was oft klinikintern nicht gewünscht wird. Männer sorgen eben für mehr Kontinuität und Planungssicherheit am (interventionellen) Arbeitsplatz.

Klinikinterne Maßnahmen für mehr Chancengleichheit

Dennoch: Chancengleichheit für beide Geschlechter sollte zum Selbstverständnis einer modernen Kardiologie gehören. Im Universitären Herz- und Gefäßzentrum Hamburg erreichen wir im interventionellen Bereich seit Jahren ein nahezu ausgeglichenes Geschlechterverhältnis durch folgende Maßnahmen:

  • Alle Assistenzärzt*innen rotieren gleichermaßen am Ende der Weiterbildungszeit für drei bis sechs Monate in das Katheterlabor, um die für die Facharztreife notwendige Grundausbildung zu erhalten.
  • Nach bestandener Prüfung zum/r Facharzt/ärztin für Innere Medizin/Kardiologie erfolgt der Einsatz innerhalb der Klinik nach persönlichem Wunsch und bereits vorher erfolgter fachlicher Orientierung. Dabei werden die interventionellen Bereiche Katheterlabor und Hybrid-Labor numerisch gleich mit Frauen und Männern besetzt. Diese Phase ist eine entscheidende Schnittstelle, um die Begeisterung für diese Art der ärztlichen Tätigkeit zu wecken und das Vertrauen in sich selbst zu stärken und für lange Zeit aufrecht zu halten.
  • Erziehungszeiten werden geschlechtsunabhängig auch und gerade im interventionellen Bereich gefördert. Elternzeit wird selbstverständlich auch von den männlichen Kollegen genommen.
  • Nach Rückkehr aus der Elternzeit wird Arbeiten in Teilzeit und eine Reduktion der Dienstpflicht in allen kardiologischen Bereichen ermöglicht.
  • Die Verhandlung der ärztlichen Stellenausstattung mit der kaufmännischen Leitung eines Klinikums beinhaltet explizit die Notwendigkeit, Mutterschutz und Elternzeit zu berücksichtigen. Hierbei kann der Verweis auf eine politische Sichtbarkeit hilfreich sein.

Auch wenn eine interventionelle Karriere für Frauen noch immer mit großen Herausforderungen einhergeht, kann die Anpassung von klinikinternen Strukturen einen Schritt zu zeitgemäßer Gleichbehandlung darstellen, auch in einer seit langem männerdominierten Spezialdisziplin der Kardiologie. Noch sind wir nicht am Ziel. Jedoch steigt die Zahl der role models, die Frauen zu interventioneller Arbeit und Männer zur selbstbewussten Frage nach Elternzeit motivieren. Beides – externe Strukturen und innere Vorbilder – sind notwendig.


Kontakt-- PD Dr. med. Christina Magnussen. Universitäres Herz- und Gefäßzentrum Hamburg, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf,

Schlagworte:
Mehr zum Thema