Intrazerebrale Blutung und VHF
CLEARANCE-Studie-- DOAK oder LAA-Verschluss: Welche dieser beiden Methoden bei Vorhofflimmern-Patienten mit überlebter intrazerebraler Blutung den besseren Schutz vor Schlaganfällen bietet, wird in einer Studie untersucht.
Veröffentlicht:
Abb. 1-- Re-Blutungsrisiko nach Entität des Erst-Blutungsereignis (CAA: zerebrale Amyloidangiopathie).
© P. C.Schulze
Jedes Jahr erleiden ca. 20.000–31.000 Menschen in Deutschland eine Hirnblutung [1, 2]. Etwa 30 % davon haben Vorhofflimmern (VHF). Die Inzidenz steigt mit dem Alter und ist bei Männern um 34–76 % (je nach Altersklasse) gegenüber Frauen erhöht [3]. Die Mortalität ist mit bis zu 50 % hoch.
Überlebende nach intrazerebraler Blutung (ICB) haben je nach Lokalisation der Blutung ein 1-Jahres-Re-Blutungsrisiko von 2,1 % für tiefe Blutungen bis 15 % für lobäre Blutungen [4]. Patienten mit VHF und stattgehabter ICB haben ein 3,67-fach erhöhtes Risiko für Schlaganfall, systemische Embolie oder TIA im Vergleich zu Patienten mit VHF ohne ICB. Die Mortalität ist 5,5-fach erhöht (39,4 vs. 7,1/100 Personenjahre) [5].
Die APACHE-AF-Studie [6] mit 101 Patienten konnte keinen Unterschied bei der Rate an Schlaganfällen in der Apixaban-Gruppe vs. Vermeidung von OAK finden, jedoch war die Rate an Re-ICB unter Apixaban 4-fach erhöht. In der neuesten Cochrane-Metaanalyse [7] für Patienten mit VHF und stattgehabter ICB konnten die Autoren zeigen, dass der Start einer Langzeit-OAK-Therapie eine signifikante Risikoreduktion von 83 % für den Endpunkt „all major occlusive vascular events“ aufwies. Die Rate an intrazerebralen Blutungen war unter Therapie allerdings um 143 % erhöht.
Auch antithrombozytäre Medikamente sind keine Alternative. So zeigte eine Studie zum Vergleich von ASS 100 mg vs. Placebo zur Primärprävention ischämischer Ereignisse bei 19.000 älteren gesunden Probanden, dass ASS das Risiko für Hirnblutungen um 38 % im Vergleich zu Placebo erhöht, ohne ischämische Schlaganfälle zu reduzieren [7].
Daten für einen LAA-Verschluss nach ICB sind nur in Registerstudien publiziert, und demonstrieren allgemein ein verringertes Blutungs- und Schlaganfallrisiko im Vergleich zu erwarteten Ereignissen. Generelle Schlüsse für diese Patientengruppe sind aber aufgrund der mangelhaften Studienlage daraus nicht zu ziehen.
Die aktuellen ESC-Leitlinien empfehlen, zunächst die modifizierbaren Risikofaktoren für eine ICB zu adressieren. Risiko und Nutzen einer möglichen Therapie sollen im Heart-Brain-Team abgewogen werden. Die (D)OAK-Therapie wird mit einer Klasse IIaC (Expertenmeinung), der LAA-Verschluss bei irreversiblen Ursachen der ICB oder nicht modifizierbaren Risiken mit einer Klasse IIbB empfohlen.
Patienten mit stattgehabter ICB und VHF sind ein Hochrisiko-Kollektiv, für das es keine belastbaren Studiendaten gibt. Sie sollten daher in eine der derzeit laufenden randomisierten Studien eingeschossen werden. In Deutschland vergleicht die PRESTIGE-AF-Studie eine DOAK-Therapie vs. keine Therapie. Unsere investigatorinitiierte multizentrische CLEARANCE-Studie randomisiert zwischen LAA-Verschluss vs. „best medical treatment“. Die Studie wird an derzeit 42 deutschen Studienzentren durchgeführt. Weitere aktive Zentren sind herzlich willkommen, Interessenten können sich jederzeit gern an die Autoren wenden.
Fazit
Patienten mit VHF nach stattgehabter intrakranieller, insbesondere intrazerebraler Blutung haben ein erhöhtes Risiko für zerebrale ischämische Ereignisse, Blutungen und erneute intrakranielle Blutungen.
Die Therapie mit DOAK, OAK oder LAA-Verschluss scheint derzeit die sinnvollste Therapie außerhalb von Studien zu sein.
Eine Therapieentscheidung zur Prophylaxe von künftigen zerebralen ischämischen Ereignissen sollte immer im Heart-Brain-Team getroffen werden.
Alle Patienten sollten möglichst im Rahmen der vorbeschriebenen Studien evaluiert sowie therapiert und dafür aktiv an den Studienzentren vorgestellt werden.
Kontakt-- Prof. Dr. P. Christian Schulze, Universitätsklinikum Jena, Klinik für Innere Medizin I, Christian.Schulze@med.uni-jena.de
Literatur--
1. https://dgn.org/artikel/effektive-behandlung-beiblutung-in-den-hirnventrikeln
2. https://hirnstiftung.org/alle-erkrankungen/hirnblutung/
3. de Miguel-Yanes JM et al. J Clin Med. 2021;10(16):3753
4. Eckman MH et al. Stroke. 2003;34(7):1710-6
5. Brønnum Nielsen P et al. Chest. 2015;147(6):1651-8
6. Schreuder FHBM et al. Lancet Neurol. 2021;20(11):907-16
7. Cloud GC et al. JAMA Netw Open. 2023;6(7):e2325803
Hinweis-- Für Informationen zur CLEARANCE-Studie gehen Sie auf: https://www.uniklinikum-jena.de/clearance/Clearance.html