Kardiologie – auf in die Praxis

Ambulante Kardiologie-- Auch eine Niederlassung ist eine interessante Option für Kardiologinnen. Sieben Frauen berichten, wie sie ihren Weg in der Praxis gemacht und dort ihr Glück gefunden haben.

Von Dr. M. I. Körber und Dr. M. Zylla und Dr. H. Billig Veröffentlicht:
Die Niederlassung kann für Kardiologinnen eine vielseitige und spannende alternative zur Klinik darstellen. (Symbolbild mit Fotomodellen)

Die Niederlassung kann für Kardiologinnen eine vielseitige und spannende alternative zur Klinik darstellen. (Symbolbild mit Fotomodellen)

© Robert Kneschke/stock.adobe.com

Eine strukturierte und vorausschauende Karriereplanung ist wichtig, und Frauen sehen sich in ihrer beruflichen Laufbahn mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Das Wissen um unterschiedliche Möglichkeiten, sowie der Austausch von Meinungen und Erfahrungen mit anderen Kolleginnen ist daher von großer Bedeutung. Die ambulante Kardiologie beleuchten wir aus dem Blickwinkel mehrerer in der Praxis tätiger Kardiologinnen.

Eine Tätigkeit in der ambulanten Kardiologie unterscheidet sich oft deutlich von der in der Klinik, wobei im niedergelassenen Bereich ein breites Tätigkeitsprofil dominiert. Die Aufgabenbereiche beinhalten neben „klassischer, konservativer“ Kardiologie mit Sprechstunden, Hausbesuchen, Medikamenteneinstellung auch breit gefächerte Diagnostik (Ergometrie, Echokardiografie, Stress-Echokardiografie, Duplexsonografie, Telemedizin, Schrittmacher-/ICD-Abfragen, Langzeit-Untersuchungen von EKG und Blutdruck, Laboruntersuchungen).

Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst – mit kleinen Unterschieden je nach Praxisstruktur und Anstellungsverhältnis – Managementaufgaben, wie z. B. die (Weiter-)Entwicklung des Unternehmensmodells, Personalführung, Praxisorganisation, Kooperationen usw. Zudem besteht neben den „rein ambulanten“ Tätigkeiten in einigen Praxen auch die Möglichkeit, interventionell tätig zu sein.

Größere Flexibilität und geringe Hierarchien

Anders als in der Klinik bringt die Praxistätigkeit eine größere Flexibilität mit sich, da man weniger Wochenend- oder Nachtdienste leisten muss, und sich die Urlaubsplanung im kleineren Team einfacher gestaltet bzw. Platz für individuelle Absprachen ist. „Die Möglichkeiten der individuellen Mitgestaltung bieten viele Vorteile, wie eine empfehlenswerte Lebensqualität, ein gutes finanzielles Auskommen und eine große Zufriedenheit“, so Dr. Susanne Berrisch-Rahmel (die als Angestellte sowie als Partnerin in einem MVZ gearbeitet hat, aktuell Kardiologin in Einzelpraxis in Düsseldorf).

Ein weiterer Vorteil der Tätigkeit in einer Praxis ergibt sich aus den weniger hierarchischen und autonomeren Strukturen. „Somit kann man sich voll und ganz der leitliniengerechten und patientenorientierten Therapie widmen!“, so Dr. Stephanie Bötzl, die selbst seit 2018 als selbstständige Kardiologin in einer Partnerschaftsgesellschaft in Neumarkt arbeitet. Die Kardiologin PD Dr. Sylvia Otto (Kardiologin in kardiologisch-internistischer BAG, Gera) kritisiert in diesem Kontext die im Vergleich zur ambulanten Kardiologie noch sehr hierarchischen Strukturen deutscher Unikliniken, denen es im akademischen Mittelbau an Autonomie fehle und betont auch, dass in anderen Ländern die „Verzahnung zwischen stationärer und ambulanter Medizin“ besser sei, „wo es beispielsweise üblich ist, ein oder zwei Praxistage zu haben und dort auch seine Patienten weiter zu betreuen.“

Die Tätigkeit als niedergelassene Kardiologin ist mit viel Multitasking verbunden – da sind Frauen im Vorteil.

Individuelles Zeitmanagement möglich

Die Freiberuflichkeit bringt viele Möglichkeiten autonom zu agieren und Arbeitszeiten nach den eigenen Vorstellungen zu organisieren. „Man sieht seine Patienten regelmäßig und kann so eine bessere Arzt-Patienten-Beziehung aufbauen!“, betont außerdem Dr. Manuela Kroll, die in einem MVZ in Frankfurt ambulante und auch stationäre Tätigkeiten, wie interventionelle Echokardiografie bei segelbasierter Klappenrekonstruktion durchführt. Auch Dr. Angela Weichsel (selbstständige Kardiologin, MVZ Neumarkt) bestätigt: „Die Möglichkeit, Patienten kardiologisch ‚ganzheitlich‘ zu betreuen (einschließlich Koronarangiografien/ggf. transösophageale Echokardiografien), empfinde ich als eine sehr erfüllende Tätigkeit.“

Der richtige Zeitpunkt für eine Niederlassung

Einige unserer Befragten sind kurz nach der Facharztausbildung in die Praxis gewechselt, aber auch ein Wechsel einige Jahre nach der Facharztprüfung birgt seine Vorteile, nachdem man mit ausreichend Berufserfahrung ausgestattet in die selbstständige Tätigkeit wechselt. „Prinzipiell sollte man zehn Jahre intensiv in seine Aus- und Weiterbildung/Facharztzeit mit entsprechenden Zusatzbezeichnungen investieren, dann ist man gut für die Zukunft aufgestellt. Und die Qualifikationen und Expertise kann einem später auch niemand mehr nehmen“, so PD Dr. Otto. Auch Dr. Jana Boer, die in einer Einzelpraxis in Erfurt tätig ist, betont, dass ihre „umfassende medizinische Ausbildung“ auf ihrem Weg hilfreich war.

Multi-Tasking-Fähigkeiten gefragt

Eine weitere Herausforderung in der Praxis mag – wie häufig in der Medizin – die Bürokratie sein. Viele unserer Befragten nannten auch die Unsicherheit und den Kostendruck im Gesundheitssystem als bedenkenswerte Punkte. Aber: „Die Sorge vieler Kolleginnen vor den organisatorischen und administrativen Herausforderungen kann durch Praxisformen wie einem MVZ/üBAG (= überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft) deutlich reduziert werden“, sagt Dr. Weichsel. Die Tätigkeit in einer Praxis ist häufig auch durch eng getaktete Sprechstunden sehr fordernd und mit viel Multitasking verbunden, man muss schnelle und sichere Therapieentscheidungen treffen. „Das ist High-Level-Multitasking. Da glaube ich, sind wir Frauen im Vorteil!“ so Dr. Andrea Fister (Kardiologin im MVZ Peine).

Positiv wird von den Befragten mehrfach eine Mitgliedschaft im Berufsverband der niedergelassenen Kardiologen (BNK) genannt, welche durch Erfahrungsaustausch, Fortbildungen und Zusammenarbeit viele Vorzüge hat. Zudem beschreibt Dr. Fister, dass ihr ein Führungstraining sehr weitergeholfen habe und betont nochmal die Bedeutung des Austauschs unter Kolleginnen: „Dies hat mich fokussierter werden lassen, zusätzliche Soft Skills und Ansichten waren mir nicht so präsent. Networking hat eine viel stärkere Bedeutung für mich bekommen – noch heute treffen wir […] Teilnehmerinnen uns einmal pro Jahr und alle zwei Monate via Skype und beraten uns bei persönlichen oder beruflichen Krisen oder Berufswechseln.“

Um einen frühen Einblick in die ambulante Kardiologie zu erhalten, kann es sinnvoll sein, bereits einen Teil seiner Facharztausbildung in einer Praxis zu absolvieren. „Die Weiterbildungszeit, die in einer Praxis abgeleistet wird, wird anerkannt. Voraussetzung ist die Weiterbildungsermächtigung.“, so Dr. Berrisch-Rahmel. „Wie überall in der Kardiologie benötigt man Durchsetzungsvermögen“, so Dr. Kroll, aber der Sprung aus der „Komfortzone Klinik“ heraus lohne sich in vielen Aspekten.

Danksagung-- Die Autorinnen danken herzlich für die Unterstützung: Dr. Susanne Berrisch-Rahmel (Düsseldorf), Dr. Jana Boer (Erfurt), Dr. Stephanie Bötzl (Neumarkt), Dr. Andrea Fister (Peine), Dr. Manuela Kroll (Frankfurt), PD Dr. Sylvia Otto (Gera), Dr. Angela Weichsel (Neumarkt)

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