Grundlagenforschung
Nach Herzinfarkt: So lassen sich Neutrophile nicht invasiv aufspüren
Entzündungsprozesse-- Neutrophile spielen eine wichtige Rolle in der Anfangsphase von Entzündungen, auch im Kontext eines Herzinfarktes. Mithilfe nichtinvasiver Bildgebungsverfahren ist es uns gelungen, Neutrophile in vivo zu visualisieren. Diese Technologie könnte künftig zu einer verbesserten Diagnostik und Identifizierung neuer Therapieziele beitragen.
Veröffentlicht:Neutrophile spielen eine Schlüsselrolle bei vielen Erkrankungen, die mit sterilen und nicht sterilen Entzündungen einhergehen. Sie wurden lange Zeit als kurzlebiger Zelltyp angesehen, der in das betroffene Gewebe eindringt und Zelltrümmer oder Krankheitserreger phagozytiert und damit nur für die erste Verteidigungslinie verantwortlich ist. Es mehren sich jedoch die Hinweise darauf, dass Neutrophile eine weitaus komplexere und dauerhaftere Rolle spielen. So sind sie nicht nur in der Anfangsphase der Entzündung von großer Bedeutung, sondern regulieren auch in der anschließenden Heilungsphase reparative Prozesse.
Um tieferen Einblick in die komplexe Rolle der Neutrophilen während der Immunreaktion zu erhalten (von ihrer Bildung im Knochenmark über die Freisetzung in den Blutkreislauf bis hin zur Infiltration und den dynamischen Effektor-Funktionen innerhalb von Entzündungsherden), wäre die Möglichkeit, diese gesamte Kaskade durch nicht invasive Ganzkörper-Bildgebungsverfahren in vivo abzubilden, ideal.
Spezifische Nanotracer für Fluor-MRT entwickelt
Unter den molekularen Bildgebungsverfahren, die Ganzkörperscans ermöglichen, hat sich die Fluor-MRT (19F) als vielversprechendes Instrument erwiesen. 19F bietet eine hohe Empfindlichkeit und ist in biologischem Gewebe nahezu nicht vorhanden. Daher führt die Anreicherung von 19F zu „Hotspots“ ohne natürlichen Hintergrund, die mit anatomischen1 H-Datensätzen zusammengeführt werden können, um ihre exakte Lage zu bestimmen. Um die oben beschriebene Thematik abzubilden, wurden multimodale fluorhaltige Nanotracer mit spezifisch gegen murine und menschliche Neutrophile gerichteten Bindungspeptiden entwickelt.
Die intravenöse Tracer-Applikation zur In-vivo-Markierung von Neutrophilen vor Induktion eines Herzinfarkts ermöglichte die nicht invasive 3-D-Visualisierung von Neutrophilen in ihren verschiedenen hämatopoetischen Nischen im gesamten Körper sowie die anschließende Nachverfolgung in das betroffene Gewebe. Mit diesem 3-D-Ansatz waren wir in der Lage, Neutrophile nicht nur im Blutkreislauf, sondern bereits im Knochenmark zu erfassen und ihre Migration in das verletzte Herzmuskelgewebe der Maus in vivo über einen längeren Zeitraum darzustellen (Abb. 1a–c). Die Fluoreszenzmarkierung (Rhodamin) des Tracers bestätigte die spezifische Aufnahme durch Neutrophile auf histologischer Ebene (Abb. 1d).
Überwachung der Neutrophilendynamik möglich
Darüber hinaus zeigen wir, dass sowohl sterile als auch unsterile Entzündungen zu einer verstärkten Markierung von murinen und humanen Neutrophilen führen, was einen Einsatz als nicht invasiver Indikator für den Aktivierungszustand der Zellen nahelegt. Zusätzliche Analysen von menschlichen Blut- und Gewebeproben liefern weitere überzeugende Beweise dafür, dass der hier beschriebene Ansatz auch für die Überwachung der menschlichen Neutrophilendynamik geeignet ist.
Unsere Technologie hat das Potenzial, Einblicke in die Dynamik der Neutrophilen am Ort ihrer Bildung über ihre Freisetzung aus dem Knochenmark bis hin zur Migration in Entzündungsherde zu geben. Obwohl auf Einzelzellebene nicht durchführbar, ermöglicht unsere Methode doch die Überwachung der Wanderung der großen Mehrheit der Neutrophilen vom Knochenmark in das Zielgewebe.
So könnten sich Ursprünge von Entzündungen aufspüren lassen
Übertragen auf den klinischen Bereich kann dieser Ansatz genutzt werden, um verborgene Ursprünge bakterieller oder steriler Entzündungen bei Patienten aufzudecken und auch Krankheitszustände aufzuzeigen, die sich aufgrund einer verstärkten Infiltration oder Aktivierung von Neutrophilen kurz vor einer weiteren Progredienz befinden. Auf diese Weise können Entzündungsmuster im Hinblick auf das Vorhandensein und die Aktivierung von Neutrophilen für eine maßgeschneiderte personalisierte Therapie stratifiziert werden. In Anbetracht der Tatsache, dass ähnliche Nanotracer bereits in klinischen Studien evaluiert wurden und menschliche Scanner leicht mit 19F-Schnittstellen ausgestattet werden können, hat unsere Technologie ein hohes translationales Potenzial für Diagnose, präskriptive Medizin und Identifizierung neuer therapeutischer Ziele.
Da unser Ansatz nicht auf 19F und MRT beschränkt ist, können die Liganden leicht mit Tracern für andere Bildgebungsmodalitäten konjugiert und darüber hinaus als theranostisches Werkzeug verwendet werden. So könnte die Ausstattung der Nanotracer mit immunmodulatorischen Wirkstoffen eine Option sein, um beispielsweise Immunseneszenz zu überwinden oder alternativ überschießende Neutrophilenfunktionen zu dämpfen.
Fazit
Mithilfe eines neuen, nicht invasiven Ansatzes können Neutrophile nach einem Herzinfarkt in vivo verfolgt werden.
Verwendet werden hierfür multimodale, mit Fluor beladene Nanotracer, die mit spezifisch bindenden Peptiden ausgestattet sind und so ein hintergrundfreies Auslesen durch in vivo 19F-MRT ermöglichen.
Der Ansatz kann genutzt werden, um verborgene Ursprünge bakterieller oder steriler Entzündungen aufzudecken und Krankheitszustände am Rande einer Verschlimmerung aufzuzeigen.
Literatur-- Bouvain P et al. Nat Cardiovasc Res. 2023; https://doi.org/10.1038/s44161-022-00210-w.
Kontakt-- Prof. Dr. rer. nat. Ulrich Flögel, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,