Ig-Nobelpreis

Verliebte Herzen schlagen im Gleichtakt

Blind-Date-Labor-- Was bringt den Funken zum Überspringen, wenn Paare sich zum ersten Mal begegnen? Eine Forschergruppe aus den Niederlanden hat dazu eine interessante Erklärung und räumte dafür den Ig-Nobelpreis für angewandte Kardiologie ab (siehe Kasten).

Von Dr. Susanne Kressenstein Veröffentlicht:
Woher kommt das gute Bauchgefühl, wenn man sich zueinander hingezogen fühlt?

Woher kommt das gute Bauchgefühl, wenn man sich zueinander hingezogen fühlt?

© Old Visuals / mauritius images

Frauen und auch Männer sind soziale Wesen und brauchen Kontakte, um sich wohlzufühlen, zumindest die meisten von ihnen. In Kontakt treten Menschen bereits durch minimale kurze Interaktionen. Aber was genau macht eine Person attraktiv für das Gegenüber? Ein potenzieller Partner muss einem natürlich äußerlich zusagen. Und was spielt sonst eine Rolle? Das Aussehen, die Stimme oder die Körperhaltung? Was entfacht das Gefühl von Attraktivität füreinander? „Die Frage, wann man ein gutes Bauchgefühl beim Kontakt mit einer neuen Bekanntschaft hat, ist trotz der enormen Bedeutung nach wie vor eines der ungelösten Rätsel der Wissenschaft“, so die Autoren der Publikation.

Verleihung des Ig-Nobelpreises

Der Ig-Nobelpreis („Ig“ steht für ignoble, engl. für unwürdig) ist eine satirische Auszeichnung für wissenschaftliche Publikationen. Unumstößliche Voraussetzung für die Nominierung: Die Entdeckungen müssen erst zum Lachen und danach zum Nachdenken anregen.

Diese Auszeichnung für zumindest auf den ersten Blick nicht lebensnotwendige Forschungsarbeiten wird alljährlich an der amerikanischen Elite-Universität Harvard verliehen. Zwei Autorinnen der Studie aus den Niederlanden erhielten ihren Preis pandemiebedingt im Rahmen einer Online-Veranstaltung zusammen mit einem leeren Papierbehälter für gute Ideen und einem (unechten) 10-Trillionen-Dollarschein als Preisgeld.

Wie in jedem Jahr wurde die Gala mit den Abschlussworten beendet: „Wenn Sie in diesem Jahr keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben – und besonders, wenn Sie einen gewonnen haben: Mehr Glück im nächsten Jahr!“

70 Männer, 70 Frauen – drei Sekunden, zwei Minuten

Für eine Antwort auf diese Frage rekrutierten die Autoren 70 Frauen und ebenso viele Männer im Alter zwischen 18 und 37 Jahren, die sich allesamt vorher niemals begegnet waren. Das Durchschnittsalter der Frauen lag bei 23 und das der Männer bei knapp 26 Jahren, also bestes Flirtalter. Die Forscherinnen und Forscher setzten jeweils einen Mann und eine Frau von einer Scheibe getrennt gegenüber an einen Tisch. Für drei Sekunden verschwand die Scheibe und die Teilnehmenden sollten im Anschluss die Attraktivität des Gegenübers auf einer Skala bewerten. Danach hatte das Paar jeweils zwei Minuten Zeit, sich ohne Trennwand zu unterhalten und wurde im Anschluss danach gefragt, ob Interesse bestünde, sich wiederholt mit der Person zu treffen.

Unbewusste Anpassung physiologischer Faktoren.

Während der gesamten Zeit erfassten die Wissenschaftler dabei sowohl die Mimik als auch elektrokardiale und elektrodermale Werte. Dazu trugen die Teilnehmer „Eye-Tracking-Brillen“ mit integrierten Kameras und Geräte zur Messung physiologischer Parameter.

Es zeigte sich, dass Lächeln, Augenaufschlag, Blickbewegung, Nicken und Körperhaltung des anderen keine wesentliche Rolle dabei spielen, wenn es darum geht, wann sich ein Mensch romantisch von einem anderen angezogen fühlt und ihn kennenlernen möchte. Es war vielmehr so, dass sich diejenigen Personen näherkamen, die sich spontan auf mehreren Ebenen synchronisierten, und zwar auch unabhängig davon, ob die Paare miteinander sprachen oder nicht.

Herzfrequenz und Schweißhände sind entscheidend

Die Wissenschaftlerinnen gehen deswegen davon aus, dass das gute Gefühl für den anderen durch die unbewusste Anpassung von physiologischen Faktoren an die des Gegenübers ausgelöst wird. Offensichtlich spielt hier eine gewisse physiologische Synchronisierung eine Rolle. Die Anziehungskraft war umso stärker, je synchroner die Herzfrequenz war und umso ähnlicher der Hautleitwert. Gemessen wurde dieser Wert anhand der Schweißbildung an den Handinnenflächen.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Anziehungskraft von Interaktionspartnern in dem Maße zunimmt und abnimmt, wie ihre unbewussten Erregungsniveaus synchron steigen und fallen“, so das Resümee der Autoren. Demnach fühlen sich Menschen umso mehr zueinander hingezogen, umso ähnlicher die unbewussten Arousal-Levels sich dem des Gegenübers angleichen.

Quelle-- Prochazkova E. et al. Physiological synchrony is associated with attraction in a blind date setting. Nature Human Behaviour 2022; https://doi.org/10.1038/s41562-021-01197-3

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