Pro und Kontra

Ambulantisierung in der Herzmedizin

Chance oder Kostenfrage-- Auch in der Kardiologie werden aktuelle Trends wie Ambulantisierung, Telemedizin sowie Netzwerk- und Zentrenbildung die Versorgung verändern. Welche Leistungen können ambulant erbracht werden? Wie ist die derzeitige Lage zu beurteilen? Cardio News fragt zugespitzt: Ambulantisierung: Zukunftschance oder lediglich Mittel zur Kostenreduktion?

Ein Kommentar von Prof. Tim Süselbeck und Prof. Robert Schwinger Veröffentlicht:

PRO: Immer ambulante Durchführbarkeit prüfen

Prof. Tim Süßelbeck

Prof. Tim Süßelbeck

© Sueselbeck

Chronisch kranke Herzpatienten werden ambulant durch Hausärzte, niedergelassene Kardiologen und Krankenhausambulanzen betreut. Patientinnen und Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom, dekompensierter Herzinsuffizienz oder malignen Herzrhythmusstörungen müssen in der Regel stationär behandelt werden. Weiterhin erfordern auch minimalinvasive Eingriffe wie die perkutane transfemorale Aortenklappenimplantation oder das Mitralclipping eine stationäre Überwachung. Viele Eingriffe, die früher stationär durchgeführt wurden, werden jedoch heute ambulant durchgeführt. Hierzu zählen diagnostische Herzkatheteruntersuchung und perkutane Koronarintervention (PCI), insbesondere, wenn diese über die A. radialis möglich sind. Auch Schrittmacherimplantationen bzw. -wechsel erfolgen heute ambulant.

Abrechnungsfähigkeit

Interessanterweise müssen weniger invasive Therapien, wie die elektrische Kardioversion, stationär erfolgen, da die Leistung ambulant nicht abgerechnet werden kann. Auch eine ICD- bzw. CRT-Implantation kann bisher fast ausschließlich im DRG-System als Krankenhausleistung erbracht werden.

Jede kardiologische Therapie sollte deshalb in Hinblick auf ihre ambulante Durchführbarkeit überprüft werden, wobei hier nur medizinische Aspekte im Vordergrund stehen sollten. Es sollte auch medizinisch entschieden werden, ob eine stationäre Überwachung von Patienten und Patientinnen nach dem Eingriff nötig ist und nicht die Abrechnungsfähigkeit des Falls.

Nach meiner Erfahrung als niedergelassener invasiv tätiger Kardiologe wünschen die Betroffenen in der Regel eine ambulante und wenn möglich persönliche Behandlung. Kann der ambulant betreuende Arzt auch die invasive Therapie durchführen, wird dies von den Patientinnen als besonders vertrauensvoll empfunden.

Die Infrastruktur einer Praxis bzw. Ambulanz sorgt weiterhin durch ihre geringen Schnittstellen für einen raschen Informationsfluss. Hinzu kommt eine Verknappung des Personals im Krankenhausbereich, sodass sicherlich viele stationäre Leistungen im DRG-System in Zukunft auf dem Prüfstein stehen werden (Hybrid-DRG).

Telemedizinische Aspekte

Die aktuelle Förderung der Telemedizin, die es sich zur Aufgabe macht, Menschen mit Herzinsuffizienz mittels eines schon implantierten Device oder durch Nutzung verschiedener häuslicher Messeinrichtungen kontinuierlich zu überwachen, fördert ebenfalls die Ambulantisierung. Ziel ist es, kardiale Dekompensationen frühzeitig zu erkennen und damit durch ebenso frühzeitige Optimierung der Therapie eine stationäre Behandlung zu verhindern.

Insgesamt werden die ambulante und die stationäre Versorgung von Herzpatienten immer komplementär sein. Es sollten deshalb möglichst viele Leistungen, wenn medizinisch vertretbar, ambulant erbracht werden, um Krankenhausressourcen zu schonen und die zunehmend komplex erkrankten Menschen adäquat versorgen zu können.

Kontakt-- Prof. Dr. Tim Süselbeck, Kardiologische Praxisklinik Ludwigshafen

Kontra: Gratwanderung mit Risiko

Prof. Robert Schwinger

Prof. Robert Schwinger

© Schwinger

Eine Ambulantisierung im Sinne einer telemedizinischen Anbindung – mit aktiven Rhythmus-Devices oder nicht invasiven Messgeräten an kardiologische Zentren – kann den HI-Patienten und -Patientinnen nutzen, sie „von der stationären“ Behandlung fernhalten und laut IN-TIME-Studie sogar die Mortalität senken!

Die Anbindung an ein Zentrum mit „Know-how“ und die enge Verzahnung zur stationären Versorgung ist entscheidend, um den Patienten „an der langen Leine“ führen zu können.

Patienten selektieren

Das Verschieben invasiver Leistungen in die Ambulantisierung ist gerade in der Herzmedizin eine „Gratwanderung mit dem Risiko“. Hierbei ist die Selektion entscheidend, es gilt Niedrigrisikopersonen wie auch -eingriffe zu detektieren. Dies erfordert interdisziplinäre Zusammenarbeit im „Heart Team“ vom Hausarzt bis zum Interventionalisten unter Einbeziehung der Patient*innen. Denn diese müssen das Risiko mittragen. Dazu sollten sie informiert und in die Entscheidungen miteingebunden sein.

Facetten der Herzinsuffizienz

Gerade die Herzinsuffizienz mit ihren multiplen Facetten zeigt, wie herausfordernd dies ist – von der optimalen medikamentösen Therapie (OMT) bis zur Device-Implantation über Koronarintervention und strukturelle Therapie. Eine Schrittmacherimplantation bei einem rüstigen Menschen mit guter EF ist eben etwas anderes als eine BiVent-Implantation bei einer EF von 20 % und Vorhofflimmern!

Dies gilt im Übrigen auch für nicht kardiale Operationen bei Patientinnen mit kardiovaskulären Erkrankungen. Oft ist eine Überwachung mit differenziertem Monitoring nötig (Blutungen, Antikoagulation, Perikarderguss, Rhythmusstörungen, Dekompensation nach Narkose bzw. Volumengabe). Und oft ist die Situation am Folgetag sicherer einzuschätzen als drei Stunden nach dem Eingriff!

Dies erfordert neben einem funktionierenden Heart Team und erfahrenen Interventionalistinnen bzw. Operateuren auch eine abgestimmte Logistik mit enger Verzahnung von ambulanter zu stationärer Versorgung – und das Tag und Nacht! Wie schwierig dies bei Herzinsuffizienz ist, zeigen die Daten der CONNECT-HF-Studie und das Fehlen bei der Auftitration der OMT.

Sicherheit unseresGesundheitssystems

Patienten und Patientinnen wünschen sich die Versorgung „ihres Gesundheitsproblems“ von Experten und Expertinnen mit der optimierten Sicherheit unseres Gesundheitssystems. Jeder und jede hat ein Anrecht auf korrekte Aufklärung – das Risiko kann dann gemeinsam getragen werden – wie bei einer geplanten „Hausgeburt“.

Die Entscheidung liegt beim informierten Menschen, dieser sollte sich aber dessen bewusst sein, dass 24/7-Klinikbereitschaft mehr kann! Ambulant und stationär im Team zu behandeln wird ein Indikator für die Qualität der Therapie der Zukunft sein – und es sollten nicht nur die Kosten entscheiden! Kardiologie bleibt spannend.

Kontakt-- Prof. Dr. Robert H. G. Schwinger, Klinikum Weiden

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