Pro und Kontra
Breite Basis oder frühe Spezialisierung bei der fachärztlichen Ausbildung?
Berufliche Weiterbildung-- Wie Mediziner ihre Wahl für eine angestrebte fachärztliche Ausbildung treffen, hängt sehr von den eigenen Interessen und Berufsvorstellungen ab. Mit zwei Beispielen wird aufgeführt, welche individuellen Vor- und Nachteile eine frühe oder spätere Subspezialisierung für das Fach Kardiologie haben kann.
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Pro: Erst Innere Medizin

Dr. med. Jochen Dutzmann, Universitätsklinikum Halle
© Dutzmann
„Medizinerinnen und Mediziner sind für fast alles begeisterungsfähig.“, höre ich noch heute die Professorin sagen, die im Studium die Vorlesung „Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens“ hielt. Begeistert haben mich früh die kardiovaskuläre Forschung und Medizin, Anatomie und Physiologie des Herz-Kreislauf-Systems, aber auch die rasanten Entwicklungen und Interventionsmöglichkeiten der modernen Kardiologie.
Jeder Kardiologin und jedem Kardiologen, denen ich in den vergangenen Jahren begegnet bin, lagen trotz aller Begeisterung für ihr Fach ihre Patientinnen und Patienten mit all ihren Komorbiditäten am Herzen. Schon deswegen – und das durfte ich Gott sei Dank während meiner Facharztausbildung an der Medizinischen Hochschule Hannover rasch lernen – weil gute und weitsichtige Herzmedizin stets ein ganzheitliches Verständnis voraussetzt.
Rotationen in verschiedenen Subdisziplinen
Ich habe mich deswegen bewusst für eine Facharztausbildung in der Inneren Medizin entschieden, Rotationen in Gastroenterologie, Endokrinologie, Hepatologie und Pneumologie genossen – und bin heute stolz, auch die essenziellen Nebendiagnosen unseres Faches wie Diabetes mellitus und chronische Lungenerkrankungen sicher behandeln zu können.
Gesamtinternistisch arbeiten
Als ich nach meiner Facharztausbildung Oberarzt in der Klinik für Kardiologie des Universitätsklinikums Halle/Saale wurde, wo ich noch heute tätig bin, sollte sich diese Entscheidung als noch wertvoller erweisen: Neben universitärer Spitzenkardiologie ist ein weiterer Schwerpunkt unserer Klinik die gesamtinternistische Intensivmedizin, die in komplett kardiologischer Hand liegt.
Ich selbst darf und muss heute neben meiner katheterinterventionellen Ausbildung die Therapie der schwerstkranken Patientinnen und Patienten einer unserer beiden Intensivstationen oberärztlich verantworten – auch jener mit Leber- oder Lungenversagen und onkologischen Grunderkrankungen. Karrieren sind lediglich bedingt planbar und sicherlich nie linear: Stellenangebote ergeben sich, familiäre Situationen sind nicht immer vorhersehbar und gelegentlich braucht es ein Quäntchen Glück im Leben.
Basis für verschiedene Berufsstrategien
Neben der Facharzturkunde für „Innere Medizin und Kardiologie“ auch jene für „Innere Medizin“ in der Schublade und all das in diesem Rahmen Erlernte in petto zu haben lässt lebenslang jede berufliche Strategie zu: von der hausärztlich-internistischen Niederlassung über die Chefarztstelle in einem kleinen Haus mit allgemein-internistischer Klinik, einer großen nicht universitären Klinik bis hin zum Ordinariat.
Die beiden zusätzlich investierten allgemein-internistischen Jahre haben rückblickend nicht wesentlich aufgehalten und hindern nicht am fachkardiologischen Vorankommen, diese hätte ich aber sicherlich niemals nach der kardiologischen Subspezialisierung investiert.
Kontakt-- Dr. med. Jochen Dutzmann, Universitätsklinikum Halle
Pro: Innere Medizin und Kardiologie

PD Dr. Maura Zylla, Universitätsklinikum Heidelberg
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Bei der Entscheidung für die angestrebte Facharztbezeichnung spielen individuelle Ansprüche und berufliche Ziele eine wesentliche Rolle. Ich hatte bereits mit Berufsbeginn ein stark fokussiertes Interesse am Fach Kardiologie und speziell an der invasiven Elektrophysiologie. Es war mein Wunsch, mich nach einer fundierten kardiologischen Basisausbildung frühzeitig in meinem Interessensgebiet spezialisieren zu können.
Insbesondere in den interventionellen Disziplinen der Kardiologie ist praktische Erfahrung entscheidend, um Therapien auf hohem Qualitätsniveau durchführen zu können, und diese wollte ich so früh wie möglich sammeln. Zudem begeisterte ich mich dafür, klinische mit wissenschaftlicher Tätigkeit zu kombinieren. Das Universitätsklinikum stellte somit für mich nicht nur für die Weiterbildung, sondern auch für die langfristige Karriereplanung ein ideales Umfeld dar.
Wahl mit Blick auf persönliche Ziele
Mögliche Vorteile, die die Facharztbezeichnung des „allgemeinen Internisten“ in anderen Arbeitsumfeldern haben kann, fielen für mich daher nicht ins Gewicht.
Die Entscheidung, den Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie nach sechs Jahren anzustreben, war somit nicht nur eine zeitökonomische, sondern eine auf persönliche Ziele zugeschnittene Wahl.
Fächerübergreifendes Fachwissen im Auge behalten
Sicherlich besteht in der zunehmenden Subspezialisierung der Kardiologie die Gefahr, dass das für die Patientenbehandlung relevante fächerübergreifende Fachwissen verloren gehen oder in der Weiterbildung zu kurz kommen kann.
Daher entschied ich mich trotz eines frühen speziellen Interesses an der Elektrophysiologie bewusst für eine Abteilung, in der gleichzeitig eine „breite“ kardiologische und internistische Ausbildung angeboten wird.
Kooperationen ermöglichen Fremdrotationen
Gemäß unseres Weiterbildungscurriculums an der Klinik für Kardiologie des Universitätsklinikums Heidelberg erfolgen zunächst Rotationen in alle ausbildungsrelevanten stationären Bereiche und Funktionsbereiche der Kardiologie.
Über langjährig etablierte Kooperationen mit anderen internistischen Kliniken werden Fremdrotationen in andere Fachbereiche der Inneren Medizin gewährleistet.
Spezialisierte Spitzenmedizin anstreben
Anschließend wird eine weiterführende Subspezialisierung (zum Beispiel in interventionellen Bereichen) gemäß individuellen Interessen ermöglicht.
Für mich persönlich bot dies einen idealen Kompromiss aus einer fundierten Basisausbildung und der Möglichkeit, bereits im Rahmen der Weiterbildung Expertise in meinem interventionellen Interessensgebiet zu erlangen, die für eine langfristige Tätigkeit in der spezialisierten „Spitzenmedizin“ relevant ist.
Kontakt-- PD Dr. med. Maura Zyllla, Universitätsklinikum Heidelberg