Es besteht Handlungsbedarf!

Kardiovaskuläre Gesundheit-- Die Umsetzung kardiovaskulärer präventiver Maßnahmen ist bisher insuffizient. Wissenschaft und Gesetzgebung müssen handeln, um den erfolgreichen Transfer von Prävention in Gesellschaftsstrukturen zu ermöglichen. Neben klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren sollten Lebensstilfaktoren, Komorbiditäten sowie Risikomodifikatoren in individuelle, medizinische und politische Präventionsstrategien integriert werden.

Von Melanie Heitkamp und Martin Halle Veröffentlicht:
Auch Umwelteinflüsse oder sozioökonomische Faktoren sind Teil der Präventionsstrategie.

Auch Umwelteinflüsse oder sozioökonomische Faktoren sind Teil der Präventionsstrategie.

© Flavius / stock.adobe.com

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind im Hinblick auf Morbidität und Mortalität nach wie vor die global bedeutendsten Erkrankungen [1]. Die kardiovaskuläre Gesundheit muss frühzeitig über die gesamte Lebensspanne hinweg individuell und auf bevölkerungsbezogener Ebene gefördert werden [2–4]. Die systematische Risikoerfassung und frühzeitige Intervention sind dafür unabdingbar. Da die Umsetzung präventiver Maßnahmen bisher insuffizient ist, besteht Handlungsbedarf für Wissenschaft und Gesetzgebung.

Leitlinien zur präventiven Kardiologie

Die ganzheitliche Bewertung und Behandlung von Herzkreislaufrisikofaktoren wird in den aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) zur Prävention von Herzkreislauferkrankungen sichtbar [3]. Das Konzept beinhaltet einen stufenweisen Ansatz für individuelle Präventionsstrategien. Neben den klassischen, etablierten kardiovaskulären Risikofaktoren werden Lebensstilfaktoren, Komorbiditäten sowie sog. „Risikomodifikatoren“ integriert. Zu diesen gehören z. B. psychosoziale Faktoren, Ethnizität, Umwelteinflüsse oder sozioökonomische Faktoren. Die ESC-Leitlinien fordern, dass körperliche Aktivität, Ernährung, Rauchverhalten, und Alkoholkonsum zu zentralen Themen des Gesundheitssystems und der Politik der einzelnen Länder gemacht werden [3].

Lebensräume mit jeweiligen Risiken und Interventionsmöglichkeiten (Abb. 1)-- Eine gesunde Lebensweise muss in verschiedenen Bereichen gefördert werden. Heitkamp/Halle

Lebensräume mit jeweiligen Risiken und Interventionsmöglichkeiten (Abb. 1)-- Eine gesunde Lebensweise muss in verschiedenen Bereichen gefördert werden. Heitkamp/Halle

© Heitkamp/Halle

Globale Strategie der präventiven Kardiologie

Daraus ergibt sich, dass neben der Optimierung des individuellen Gesundheitsverhaltens über die Lebensspanne insbesondere Lebensräume geschaffen werden müssen, die eine gesunde Lebensweise fördern und ermöglichen (Abb. 1) [5].

Präventive Kardiologie: Aus- und Weiterbildung

Um diese Ziele erfolgreich in die Praxis umzusetzen, haben sich in der Aus- und Weiterbildung im Bereich der Prävention insbesondere in den letzten 5 Jahren entscheidende Entwicklungen vollzogen. Eine Vorreiterrolle hat die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herzkreislauferkrankungen e. V. (DGPR), die bereits im Jahr 2008 eine ärztliche Qualifikation „Kardiovaskulärer Präventivmediziner DGPR“ eingeführt hat. Neben Hintergrundwissen zu kardiovaskulären Risikofaktoren werden Methoden zur Motivation von Patienten zur Verhaltensänderung vermittelt [6]. Ein ähnliches Konzept wurde von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie e. V. (DGK) aufgegriffen, die seit 2019 ebenfalls ein Weiterbildungskonzept mit Qualifizierung verfolgt [7]. Ergänzend zu spezifischen Weiterbildungen zur Prävention wird außerdem von der DGK die Zusatzqualifikation „Sportkardiologie“ vergeben [8]. Auch auf europäischer Ebene ist es das Ziel, die Ausbildung in präventiver Kardiologie zu standardisieren und zu strukturieren. Im Jahr 2022 wurde daher das erste europäische Curriculum für präventive Kardiologie von der European Association of Preventive Cardiology (EAPC) der ESC veröffentlicht und in 2023 das erste Examen für Preventive Cardiology Qualifikation abgenommen [9].

Fazit

Die kardiologische Prävention ist ein zentrales Thema, das stärker in die Lehre von Medizinstudierenden ebenso wie in die kardiologische Weiterbildung integriert werden muss.

Fachgesellschaften wie DGK und DGPR haben dies erkannt und engagieren sich, um entsprechende Veränderungen in der Gesundheitspolitik zu bewirken.

Die Prävention von Herzkreislauferkrankungen muss in den Fokus gesundheitspolitischer Bestrebungen gerückt werden. Effektive Maßnahmen müssen in allen Lebensräumen umgesetzt werden.

Kontakt-- Dr. phil. Melanie Heitkamp, Prof. Dr. Martin Halle, Präventive Sportmedizin und Sportkardiologie, Klinikum rechts der Isar, Melanie.Heitkamp@mri.tum.de, Martin.Halle@mri.tum.de

Literatur--

1. Roth GA et al. J Am Coll Cardiol. 2020;76(25):2982-3021

2. Heitkamp M et al. Kompendium Herzkreislauf 2022: Thieme; 2023. p. 51-4

3. Visseren FLJ et al. Eur J Prev Cardiol. 2022;29(1):5-115

4. Fegers-Wustrow I et al. J Am Coll Cardiol. 2022;79(13):1304-13

5. Halle M et al. 88 Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie-Herz und Kreislaufforschung eV; Mannheim: Karl Demeter Verlag; 2022. p. 8.

6. (DGPR) DGfPuRvH-KeV. Verbandsprüfungsordnung zum Erwerb der Bezeichnung „Kardiovaskulärer Präventivmediziner DGPR“. Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e.V. (DGPR); 2008.

7. Wienbergen H et al. Kardiologe. 2019;13:6

8. Burgstahler C et al. Kardiologe. 2019;13:11

9. Wilhelm M et al. Eur J Prev Cardiol. 2022;29(1):251-74

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