HFpEF im Spiegel der Zeit

Interview-- Wie hat sich seit den 1990er-Jahren die Diagnostik der HFpEF entwickelt? Und was hat sich im Verständnis um die Pathophysiologie der Erkrankung sowie der Entwicklung der Therapiemöglichkeiten seitdem getan?

Von Prof. Tibor Kempf und Prof. Rolf Wachter Veröffentlicht:
HFpEF-- Ein komplexes Krankheitsbild mit verschiedenen pathophysiologischen Folgen. Roy Scott/Ikon Images/mauritius images

HFpEF-- Ein komplexes Krankheitsbild mit verschiedenen pathophysiologischen Folgen

© Roy Scott/Ikon Images/mauritius images

Herr Hasenfuß, wann haben Sie zum ersten Mal die Diagnose einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion gestellt?

Das war ein kontinuierlicher Prozess, an ein paar Meilensteine erinnere ich mich gut. Wir haben 1999 in Circulation gezeigt, dass die sarkoplasmatische Kalziumpumpe (SERCA) und der Natrium-Kalzium-Exchanger die systolische und diastolische Funktion maßgeblich beeinflussen. Einer, der das am besten betrieben hat, war Bill Grossman aus Boston. Sein Autokennzeichen war übrigens LVEDP. Ich erinnere noch gut den Satz aus einer Übersichtsarbeit im New England Journal of Medicine (1991): „Diastolic dysfunction has a contributory role in most patients with congestive heart failure and a dominant role in some patients.“ Ein weiterer Meilenstein war dann die Arbeit von Gandhi aus der Gruppe von Bill Little im New England Journal 2001. In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einer akuten Dekompensation bei hypertensiver Krise eine normale und unveränderte linksventrikuläre Funktion haben, sowohl im Akutereignis wie auch ein paar Tage später und es auch keine akute Mitralinsuffizienz gab. Damit war klar, dass die kardiale Dekompensation der Patienten auf anderen Mechanismen beruhte. Der Begriff HFpEF ist dann aber erst in den ESC-Leitlinien 2008 eingeführt worden. Es war also ein schleichender Wandel in Verständnis und Begrifflichkeit.

Prof. Dr. Gerd Hasenfuß ist seit 1998 Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie an der Universitätsmedizin Göttingen und seit 2001 zudem Vorsitzender des Herzzentrums der UMG.  Hasenfuß

Prof. Dr. Gerd Hasenfuß ist seit 1998 Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie an der Universitätsmedizin Göttingen und seit 2001 zudem Vorsitzender des Herzzentrums der UMG.

© Hasenfuß

Wie sah denn die Therapie in den 2000er-Jahren aus?

Wir haben viel über intrazellulären Kalzium- und Natriumstoffwechsel nachgedacht und wie man diese beeinflussen kann. Ansonsten war vor allem die Dekongestion als symptomatische Therapie prominent.

Wie ist ihr Verständnis der HFpEF heute? Gibt es eine zentrale Pathophysiologie oder eine Vielzahl von Ursachen und Pathophysiologien?

Für mich sind es unterschiedliche Pathophysiologien, aber schlussendlich 2 Komponenten, in die diese Pathophysiologien einmünden: extrazelluläre und/ oder zelluläre Veränderungen. Im Detail wird es dann natürlich vielschichtiger: Fibrose und extrazelluläre Matrix auf der einen und verzögerte Deaktivierung kontraktiler Proteine auf der anderen Seite. In seltenen Fällen gibt es vermutlich eine energetische Komponente, die für die gestörte Deaktivierung der kontraktilen Proteine verantwortlich ist. Eine interessantes Kollektiv sind Patienten mit Aortenstenose, die haben ja häufig ein E/e´ von ca. 20, also auch einen erhöhten LVEDP, und dann behandelt man die mit einer TAVI. Aber das E/e´ wird dadurch nur wenig besser, bei der paradoxen Low-flow-low-gradient-Aortenstenose nimmt es sogar tendenziell zu.

Ist die Aortenklappenstenose ein HFpEF-Modell?

Ich denke schon, denn wir haben eine erhöhte Nachlast und einen hypertrophierten Ventrikel. Wir haben Patienten mit Aortenstenose biopsiert mit interessanten Befunden, wir müssten mal in größerem Rahmen bei HFpEF-Patienten Biopsien durchführen, z. B. auch im Rahmen der Amyloidose-Diagnostik. Es gibt Befunde von Walter Paulus mit Phosphorylierungsstörungen bei den extrazellulären Matrixproteinen, aber wir wissen viel zu wenig. Neben den extrazellulären und zellulären Mechanismen spielen sicherlich auch Komorbiditäten eine größere Rolle.

Die meisten Therapien, die bei HFrEF wirken, helfen nicht bei HFpEF– mit Ausnahme der SGLT-2-Inhibitoren. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Ich glaube, die neurohumorale Aktivierung spielt bei der HFpEF keine so große Rolle, und die wird über die Beta- und RAAS-Blocker adressiert. Wie SGLT-2-Inhibitoren bei HFpEF wirken, wissen wir nicht genau, sicher sind die Effekte multifaktoriell.

Wie stellen Sie heute die Diagnose HFpEF?

Ich finde das HFA-PEFF-Paper von Burkert Pieske schon sehr gut. Vereinfacht gesagt: E/e´, natriuretische Peptide und Punkte nach dem HFA-PEFF-Score.

Braucht man denn auch einen Belastungstest?

Wir machen das großzügig, auch weil bestimmte Studien, z. B. die Reduce-LAP-Studie mit einem Vorhofshuntdevice, das fordern.

Was empfehlen Sie den niedergelassenen Kollegen, die häufig keinen guten Zugang zum Belastungsrechtsherzkatheter haben?

Symptome der Herzinsuffizienz, Ejektionsfraktion von 50 % und mehr und ein Parameter der diastolischen Dysfunktion (E/e´ oder erhöhtes natriuretisches Peptid) reichen aus, zumindest zum Therapiebeginn mit einem SGLT-2- Inhibitor.

Setzen Sie noch andere Therapien ein?

Spironolacton kommt dann als nächstes und natürlich Diuretika zur symptomatischen Therapie. Und die Behandlung der Komorbiditäten, vor allem Hypertonus und Diabetes. Bei dem Verdacht auf eine mikrovaskuläre Erkrankung mache ich einen Versuch mit Ranolazin.

Wie sehen Sie die Rolle der Betablocker bei HFpEF?

Ich glaube, die sind bei den meisten Formen der HFpEF kontraindiziert. Deswegen setze ich die auch ab. Und wenn die Indikation für den Betablocker Vorhofflimmern heißt, dann sollte man die Patienten abladieren.

Zum Abschluss ein kleiner Blick in die Zukunft. Wie werden Diagnostik und Therapie in 10–15 Jahren aussehen?

10–15 Jahre sind eine relativ kurze Zeit in der klinischen Medizin. Ich glaube, so viel wird gar nicht anders sein. Ich hoffe, dass die Vorhofshunts für einen Teil der Patienten nützlich sind. Das MRT könnte eine größere Bedeutung haben, das hat gerade die Gruppe um Andreas Schuster und Sören Backhaus gezeigt. Wir werden mehr Belastungstests machen, denn die Patienten haben Beschwerden unter Belastung, nicht in Ruhe. Wir werden auch mehr Bildgebung für Fibrose durchführen. Dass wir einen guten molekularen oder zellpathologischen Marker haben werden, glaube ich eher nicht.

Vielen Dank für dieses Gespräch!

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