Mit Wearable und Genom gegen komplexe Herzerkrankungen

Kardiomyopathien-- Herzmuskelerkrankungen, besonders genetisch verursachte, betreffen häufig junge Patienten. Diese stehen mitten im Leben und sehen sich mit einer potenziell lebensgefährlichen Erkrankung konfrontiert. Daher sollten Therapieansätze prognostisch orientiert, individualisiert und auf die Patientenbedürfnisse ausgerichtet sein.

Von Alicia Brözel und Prof. Benjamin Meder Veröffentlicht:
Genetische Merkmale können die üblichen Risikomodelle präziser machen.

Genetische Merkmale können die üblichen Risikomodelle präziser machen.

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Ein Bereich mit hoher Relevanz für den individuellen Kardiomyopathie-Patienten, aber auch den behandelnden Arzt, ist die Primärprophylaxe von potenziell tödlichen Herzrhythmusstörungen. Die Entwicklung hin zu einer rationalen und akkuraten Patientenselektion im Bereich der ICD-Indikation bei Kardiomyopathien ist daher ein wichtiges Forschungsgebiet. So konnte bei der nicht ischämischen Dilatativen Kardiomyopathie in zahlreichen Studien die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) als maßgeblicher Prädiktor durch neue, multimodale Faktoren ergänzt werden. Da Implantate mit potenziellen Komplikationen verbunden sind und Einschränkungen für den Patienten bedeuten, sollte eine Übertherapie prinzipiell vermieden und die „Number Needed to Treat“ tendenziell reduziert werden.

ICD-Benefit besser vorhersagbar

In einem internationalen Registeransatz konnten Kayvanpour et al. [1] ein multimodales und flexibles Risikomodell entwickeln (DCM-SVA-Risk-Score), das zukünftig bei statistisch gleicher Sicherheit zu weniger ICD-Implantationen führen kann. Im Idealfall schützt das Modell Patienten vor unnötiger Belastung und bietet darüber hinaus auch ökonomische Vorteile. Neben klinischen Parametern mit breiter Verfügbarkeit kann es um Informationen aus dem Kardio-MRT (Late-Gadolinium Enhancement) und genetischen Merkmalen (Genvarianten) ergänzt werden und damit die individuelle Situation besser erfassen.

Aktuelle prospektive Studien bauen auf solchen neuen Risikoprädiktoren auf, wie z. B. die von Prof. Ingo Eitel koordinierte DZHK Studie CMR-ICD-DZHK23. Darüber hinaus helfen die tiefen diagnostischen Einsichten, Krankheitsprozesse besser zu charakterisieren, um spezifischere medikamentöse Therapien und gentherapeutische Ansätze mittels CRISPR/Cas9 zu entwickeln. Diese befinden sich in verschiedenen Phasen der klinischen Erprobung, wie z. B. die Gentherapie bei TTR-Amyloidose (Phase II).

Wearables zur individuellen Risikoabschätzung

Um individuelle Risiken auch im longitudinalen Verlauf besser abschätzen zu können, sind neben den hochdetaillierten Befunden in Praxis und Klinik zunehmend digitale Biomarker im heimischen Umfeld im Einsatz. Die Sammlung umfangreicher biologischer Daten durch sogenannte „Wearables“ ist inzwischen beinahe Standard, und einige Anwendungsfälle z. B. in der Vorhofflimmerdetektion lassen die praktische Implementation sinnvoll erscheinen. Ein Vorteil ist dabei die Einbeziehung des Patienten (Patient Empowerment).

Die smarten Helfer können Patienten unterstützen, ihre Herzfrequenz, Blutdruck, EKG und Oxygenierung zu überwachen und die Daten an ihren Arzt weiterzugeben. Weitere validierte Messfunktionen werden in naher Zukunft Blutdruck, Blutglukose und andere molekulare Marker umfassen.

Ein tragbares Herzultraschallgerät in der Größe einer Briefmarke könnte zukünftig eine kontinuierliche kardiale Bildgebung und somit die frühzeitige Detektion einer kardialen Dysfunktion bei kritisch kranken Patientinnen und Patienten ermöglichen, wie kürzlich in Nature publiziert [3]. Anwendung finden Smart-Devices daher zunehmend in klinischen Studien, wie z. B. bei der randomisierten Interventionsstudie activeDCM [2]. Hier wird, kontrolliert und angeleitet über eine Smartwatch, der Einflusses eines individualisierten Sportprogramms auf den Verlauf einer dilatativen Kardiomyopathie evaluiert.

Fazit

Für den individuellen Kardiomyopathie-Patienten ist die Primärprophylaxe von potenziell tödlichen Herzrhythmusstörungen hochrelevant, u. a. für eine Entscheidung pro oder kontra ICD. Hierbei hilft der neue DCM-SVA-Risk-Score.

Smartwatches können bereits viele hilfreiche kardiovaskuläre Daten erfassen, wie z. B. Vorhofflimmern. Eine Implementierung in die Versorgung erscheint sinnvoll. Weitere Marker werden folgen und validiert werden. Die Einbindung des Patienten spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Literatur bei der Verfasserin/dem Verfasser

Kontakt-- Alicia Brözel, Universitätsklinikum Heidelberg

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