Stärken & Schwächen der Weiterbildung

Kardiologische Ausbildung-- Die kardiologische Weiterbildung braucht Veränderung: Als Young Cardiologist schildert Dr. Hannah Billig ihre Erfahrungen und Wünsche, ergänzend beschreibt der erfahrene Kardiologe und Klinikdirektor Prof. Meinrad Gawaz Stärken und Schwächen bestehender Konzepte aus seiner Sicht.

Von Prof. Meinrad Gawaz und Dr. Hannah Billig Veröffentlicht:
Es gibt Reformbedarf bei der Aus- und Weiterbildung angehender Kardiologinnen und Kardiologen.

Es gibt Reformbedarf bei der Aus- und Weiterbildung angehender Kardiologinnen und Kardiologen.

© Georg Hochmuth / APA / dpa / picture alliance

„When love and skill work together, expect a masterpiece“ stand auf meiner ESC-Kongress-Jutetasche. Auch wenn John Ruskin im 19. Jahrhundert lebte und nicht Arzt, sondern Schriftsteller, Kunstkritiker und Philosoph war, so hat er mit dieser Aussage doch einen Punkt getroffen.

Motivation für Innere Medizin und Kardiologie

Ich glaube, dass die Leidenschaft für unseren Beruf als Arzt oder Ärztin und für die Kardiologie als Fach Berge versetzen kann. Und doch genügen Leidenschaft und Engagement alleine nicht, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, welches für junge Kardiologinnen und Kardiologen (dauerhaft) attraktiv ist.

Das Fach ist extrem vielseitig und bietet ein weites Spektrum an Tätigkeiten – angefangen bei präventiver Medizin und diagnostischer Bildgebung, über Rhythmologie und interventionelle Kardiologie, bis hin zur Device- und Klappentherapie sowie zur Intensiv- und Notfallmedizin. Die Kardiologie ermöglicht jungen Ärztinnen und Ärzten eine Ausbildung, mit der ihnen – eigentlich – alle Türen offenstehen: sowohl in der Niederlassung wie in der Klinik, in der Grundlagenforschung und auch in Wirtschaft und Politik.

Mitgestaltung in der Kardiologie

In den letzten Jahren habe ich gelernt, dass in der Kardiologie wie in vielen Bereichen der Medizin einiges im Argen liegt. Vielleicht ist es gerade dieses allgemein wachsende Bewusstsein für die bestehenden Probleme, das es uns aktuell ganz besonders gut ermöglicht, das Fach aktiv (mit) zu gestalten.

Das Fach ist extrem vielseitig und bietet ein weites Spektrum an Tätigkeiten.

Wie kann die Qualität von Aus- und Weiterbildung auf nationaler Ebene standardisiert werden? Ist eine Vereinheitlichung der Facharztprüfung zu einem zentralen europäischen Examen sinnvoll? Wie können virtuelle Fortbildungen und „Digital Health“ die Patientenversorgung und Ausbildung verbessern? Was kann die Kardiologie verändern, um (auch schon in der Weiterbildung) attraktiver für Familien und Frauen zu werden? Diese und viele weitere Fragen werden uns in der Zukunft beschäftigen.

Wir müssen Antworten auf diese Fragen suchen und gemeinsam Lösungen erarbeiten, um die Kardiologie zu unserem Fach zu machen.

Reformierungsbedarf in der kardiologischen Ausbildung

Die kardiologische Ausbildung ist reformierungsbedürftig. Auch wenn die neuen Weiterbildungsordnungen aktualisiert wurden, können diese nur bedingt den gegenwärtigen Anforderungen entsprechen. Was ist das Problem?

Noch nie in der Bundesrepublik haben wir so viele Medizinerinnen und Mediziner sowie auch Kardiologinnen und Kardiologen wie heute ausgebildet. Zusätzlich haben sich in den vergangenen Jahren in einem erheblichen Maß die Rahmenbedingungen für die angehenden Fachärztinnen und Fachärzte der Kardiologie verändert. Die studentische Ausbildung wurde zu einem großen Teil allerorten „verschult“.

Eigenständigkeit wird zu wenig gefördert

Zeit für eigenständiges und eigenverantwortliches Erarbeiten von Wissen und Kenntnissen wird immer weniger gefordert. Praktisch jede/r schließt sein Staatsexamen mit Erfolg, sehr oft mit Bestnoten ab, im Praktischen Jahr wird je nach Engagement praktisches Wissen vermittelt und dann kommt der Berufsalltag.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird den angehenden Medizinerinnen und Medizinern bewusst, wie verantwortungsvoll der gewählte Beruf ist, der zunehmend weniger als Berufung empfunden wird. Die Herzmedizin bietet hervorragenden Zukunftsaussichten erfordert jedoch ein hohes Maß an Begeisterung und Belastbarkeit.

Vereinbarkeit von Berufs- und Lebensplanung

Viele junge Kolleginnen und Kollegen, insbesondere in der ersten Phase ihrer Berufstätigkeit, sind verständlicherweise häufig sehr stark gefordert, um einerseits eine intensive Aus- und Weiterbildung durchführen zu können, ohne andererseits die persönliche Lebensplanung zu vernachlässigen.

Insbesondere an universitären Kliniken wird die Weiterbildung noch ergänzt durch Lehrtätigkeiten sowie durch notwendige Forschungsaktivitäten. Dies alles eingebunden in die zunehmende Arbeitsverdichtung an den einzelnen Kliniken ist ohne Zweifel ein schwieriges Unterfangen.

Individuelle Konzepte kommen auch Forschung und Lehre zugute

Nicht zuletzt aus diesen Gründen müssen die Ausbildungswege mit dem Ziel der kardiologischen Facharztprüfung unabhängig vom geforderten Weiterbildungskatalog besser strukturiert und der nachrückenden Generation gerecht werden. Neben der Ausbildung zur Erlangung der fachlichen Expertise müssen individuelle Konzepte für jeden Einzelnen entwickelt werden, die es erlauben die ärztliche Tätigkeit in einer optimalen Umgebung durchführen zu können und Raum für die persönliche Lebensplanung zu gewährleisten.

Neben einer familienfreundlichen Ausbildung muss auch Zeit und Raum für wissenschaftliches Engagement und Lehrtätigkeiten gegeben werden. Dies ist wichtig für eine herausragende fachliche und persönliche Entwicklung, als Grundbedingung für eine künftige kompetente und verantwortliche kardiologische Tätigkeit.

Die Cardio News möchte Meinungen und Bedenken junger Kolleginnen und Kollegen zu Wort kommen lassen und eine konstruktive Diskussion entwickeln, wie wir uns gemeinsam den zukünftigen Herausforderungen stellen und Veränderungen herbeiführen können, um besser für die Zukunft gerüstet zu sein und das Fach „Herzmedizin“ noch attraktiver zu gestalten.

Fazit

Kardiologie ist ein interessantes Fach, das viele berufliche Perspektiven bietet.

Bei der Aus- und Weiterbildung junger Kardiologinnen und Kardiologen gibt es allerdings Reformbedarf.

Hilfreich wären mehr Eigenständigkeit, klare Strukturen bei der Facharztqualifikation und individuelle Konzepte zur besseren Vereinbarung von Beruf und Familie.

Kontakt-- Dr. med. Hannah Billig, Universitätsklinikum Bonn, Prof. Dr. med. Meinrad Gawaz, Universitätsklinikum Tübingen,

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